Neueröffnung: Sammlung Fotografie und neue Medien im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Intro

Depot/Studienraum/Ausstellungsfläche und Ausstellung „Jochen Lempert / Peter Piller. Fotografie neu ordnen: Vögel“

Eröffnung: 26. Oktober 2017, 19 Uhr

Ausstellungslaufzeit: 27. Oktober 2017 bis 4. Februar 2018

Am 26. Oktober 2017 präsentiert das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) die Neueröffnung seiner Sammlung Fotografie und neue Medien. Sie bildet einen ersten Abschluss der umfangreichen Umbaumaßnahmen, die die Hermann Reemtsma Stiftung mit 600.000 Euro im Rahmen der Initiative Kunst auf Lager ermöglicht hat. Das MKG beherbergt eine der bedeutendsten Sammlungen der Fotografie in Deutschland. Sie umfasst heute rund 75.000 Exponate von den Anfängen des Mediums bis in die Gegenwart. Mit dem neuen, rund 120 Quadratmeter großen Depot wird die bisherige Depotfläche wesentlich erweitert. So erhalten die kostbaren historischen Bestände endlich die notwendige Fläche und Ausstattung für eine angemessene Lagerung unter klimatisch optimalen Bedingungen. In einem dem Depot angegliederten Studienraum können Mitarbeiter und angemeldete Gäste zukünftig die Originale sichten und mit ihnen arbeiten. Auf einer neuen, zentral gelegenen Ausstellungsfläche von 140 Quadratmetern will das MKG die fotografische Sammlung in den Dialog mit zeitgenössischen Themen und Bildautoren bringen. Den Auftakt bilden die Fotografen Jochen Lempert und Peter Piller mit der Ausstellung Fotografie neu ordnen: Vögel, die mit der Neueröffnung am 26. Oktober 2017 beginnt. Inklusive der Förderung durch die Hermann Reemtsma Stiftung, konnte das MKG insgesamt über eine Million Euro für die Zukunftssicherung der Sammlung Fotografie und neue Medien einwerben. Die Mittel wurden von verschiedenen Förderern bereitgestellt für die Restaurierung und Rahmung der historischen Fotografien, die wissenschaftliche Erschließung der Sammlung, die Überblicksausstellung ReVision in 2016, für einen Sammlungskatalog sowie für die digitale Bereitstellung von bis jetzt 9.000 Werken auf MKG Sammlung online.

Prof. Dr. Sabine Schulze, Direktorin des MKG: „Dank seiner progressiven Sammlungstätigkeit und einer großen Offenheit gegenüber zeitgenössischer Kunst seit seiner Gründung beherbergt das MKG heute einzigartige Zeugnisse aus der Geschichte der Fotografie. Ich bin dankbar für die großzügige Unterstützung der Hermann Reemtsma Stiftung, mit der wir diese kostbaren Bestände für folgende Generationen erhalten. Besonders freue ich mich über den neuen Studienraum, der die Zugänglichkeit der Sammlung und damit die wissenschaftliche Erschließung wesentlich verbessert. Die neue hinzu gewonnene Dauerausstellungfläche sichert der großartigen Sammlung Fotografie und neue Medien große Präsenz im Rundgang durch das MKG.“

Dr. Sebastian Giesen, Geschäftsführer der Hermann Reemtsma Stiftung: „Die beiden Museumsväter Justus Brinckmann (MKG) und Alfred Lichtwark (Kunsthalle) hatten eine gemeinsame Vorliebe: die Fotografie. Das MKG spiegelt mit seiner Sammlung die Leidenschaft dieser beiden Foto-Pioniere wider. Der Grundstock aus der Zeit um 1900 wurde über Jahrzehnte zu einer führenden Foto-Sammlung ausgebaut. Dank der nun nachhaltigen Unterbringung, der tiefgreifenden Erschließung, der wissenschaftlichen Bearbeitung und vor allem der verbesserten Zugänglichkeit wird uns erstmals das ganze Ausmaß dieses Schatzes vor Augen geführt. Ein tolles Projekt für das Bündnis Kunst auf Lager. Wunderbar und Danke MKG!

Als erstes Museum in Deutschland begann das MKG gegen Ende des 19. Jahrhunderts Fotografie als eigenständiges Medium zu sammeln und ab 1911 in Ausstellungen zu präsentieren. Damit nahm das MKG eine Vorreiterrolle ein. Seitdem hat sich die Sammlung in Qualität und Umfang zu einem einzigartigen Bestand entwickelt, darunter eine einzigartige Kollektion von Daguerreotypien und die Sammlung Ernst Juhl mit originalgerahmten Gummidrucken aus der Zeit des Piktorialismus (um 1900). Ab den 1950er Jahren erwarb das MKG zentrale Werke der klassischen Moderne, darunter Arbeiten von Erich Andres, Herbert Bayer, Willi Beutler, Alfred Ehrhardt, Hugo Erfurth, Andreas Feininger, Heinz Hajek-Halke, Walter Hege, Fritz Henle, Lotte Jacobi, Peter Keetmann, Erna Lenvai-Dircksen, Helmar Lerski, Madame d’Ora, Albert Renger-Patzsch, August Sander, Franz Schensky, Otto Steinert, Alfred Tritschler, Edward Weston und Paul Wolff u.a.

In der bundesweiten Initiative Kunst auf Lager. Bündnis zur Erschließung und Sicherung von Museumsdepots haben sich Anfang 2014 vierzehn Partnern (vor allem Stiftungen) zusammengefunden, um Museen bei dem Erhalt und der Aufarbeitung ihrer wertvollen Kulturgüter zu unterstützen. In einem einzigartigen Pilotprojekt im Rahmen dieses Verbundes engagieren sich die Hermann Reemtsma Stiftung, die Kulturstiftung der Länder, die Wüstenrot Stiftung und die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius gemeinsam, um die gefährdete fotografische Sammlung des MKG nachhaltig konservatorisch zu sichern. Neben der Einrichtung von Depot, Studienraum und Ausstellungsfläche umfassen die Maßnahmen auch die Restaurierung ausgewählter historischen Kernbestände und die etappenweise wissenschaftliche Erschließung des umfangreichen Bestandes mit dem Ziel seiner besseren öffentlichen Zugänglichkeit. Weitere Informationen zum Bündnis unter www.kunst-auf-lager.de.

Die Hermann Reemtsma Stiftung hat die Einrichtung des Depots, eines Studienraumes und eines Ausstellungs-raums finanziert. Die Objekte befinden sich noch an verschiedenen Orten im Gebäude in größtenteils nicht klimatisierten Aufbewahrungsorten in überfüllten Regalen und Schubladen. Um die Exponate fachgerecht und unter konservatorisch optimalen Bedingungen bewahren zu können, wurde der neue Depotraum baulich instand gesetzt, eingerichtet und klimatisiert. Die Umlagerung der Objekte kann nun beginnen. Zukünftig können die Fotografien konstant bei 18 Grad und 40 Prozent Luftfeuchtigkeit gelagert werden. Der Studienraum ermöglicht Mitarbeitern des MKG, Besuchern und Fachleuten, die Objekte im Original zu Forschungszwecken auch unabhängig von Ausstellungen einzusehen. Die bauliche Herrichtung einer zentralen Fläche im 2. Obergeschoss bietet die Chance, die Sammlung Fotografie und neue Medien in wechselnden Präsentationen immer wieder unter gegenwärtigen Fragestellungen zu präsentieren.
Flankiert wurden die Baumaßnahmen von zwei Restaurierungsprojekten: Die Kulturstiftung der Länder ermöglichte die Restaurierung von 280 Daguerreotypien aus den 1840er und 1850er Jahren aus dem Bestand des MKG. Diese ersten fotografischen Bildträger waren von der „Glaskrankheit“ befallen: Die Zersetzungserscheinung haben zu Ausblühungen von Kupfercarbonat und Eintrübungen der Glasplatten geführt. So verloren die Objekte nicht nur an Brillanz, die Krankheit drohte, sich auch vom Glas auf die eingefassten Fotografien zu übertragen. Nach der Reinigung der Platten und dem Austausch der Gläser zieht der in Qualität und Umfang einzigartige Bestand nun in neue Aufbewahrungsräume um.

Der Förderschwerpunkt der Wüstenrot Stiftung lag auf der Restaurierung einer bedeutenden Kollektion von 35 originalgerahmten Gummidrucken der Kunstfotografie um 1900 aus der Sammlung Juhl, die seit 1916/17 im Besitz des MKG sind. Die Restaurierung umfasste die historischen Rahmen sowie, in einzelnen Fällen, die Konservierung der sich ablösenden Farbschichten. Ebenfalls wurden die holzhaltigen Rückplatten, deren Ausdünstungen die Gummidrucke gefährden, ausgetauscht.

Zur wissenschaftlichen Erschließung der Sammlung finanziert die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius bis 2018 eine wissenschaftliche Mitarbeiterin. So konnte bis jetzt bereits über 9.000 wichtige Werke auf MKG Sammlung online veröffentlicht werden. Damit ist das MKG das erste Museum in Deutschland, das seine fotografische Sammlung online zugänglich macht. Da die fotografischen Arbeiten aufgrund ihrer Lichtempfindlichkeit zum größten Teil im Verborgenen lagern müssen, ist es umso wichtiger, die Bestände im Internet für Recherchen zugänglich zu machen.

Sammlungskatalog: Die Neueinrichtung der Sammlung Fotografie und neue Medien wird begleitet von einem umfangreichen Sammlungskatalog, erschienen im Steidl Verlag mit dem Titel ReVision. Fotografie im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, hrsg. von Sabine Schulze und Esther Ruelfs / Design von Studio Mahr / 380 Seiten, 23 × 28 cm, 224 Abbildungen, deutsche und englische Ausgabe, 48 Euro. Den theoretischen Rahmen des großzügig illustrierten Bildbandes bilden Essays internationaler Fotohistorikerinnen und Kulturwissenschaftler, die in die jeweiligen Kapitel einführen. Mit Texten von Roger Buergel, Cathrin Hauswald, Luce Lebart, Corey Keller, Kathrin Peters, Michel Poivert, Esther Ruelfs, Sven Schumacher, Steffen Siegel, Bernd Stiegler und Madoka Yuki. Der Sammlungskatalog wurde ermöglicht von Annegret und Claus-G. Budelmann und der Martha Pulvermacher Stiftung.

Die Publikation bietet erstmals einen Überblick über die Sammlung des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg und erzählt damit zugleich auch die Geschichte der Fotografie. Sie blickt aus unterschiedlichen Perspektiven auf die vielfältige und gewachsene Sammlung. Sie stellt in elf Kapiteln anhand ausgewählter Gattungen wie Porträt-, Architektur- oder auch Reisefotografie vor. Sie untersucht zentrale Diskurse, etwa den Wunsch nach einer präzisen und objektiv dokumentierenden fotografischen Erfassung oder die im 19. Jahrhundert begründeten Rollen der Fotografie als Hilfsmittel der Wissenschaft und als Medium der Archivierung. Gleichzeitig widmet sich der Sammlungskatalog der wandelnden Materialität der Bilder, beispielsweise ihrer Rahmung. Einzelne Kapitel spiegeln Sammlungsschwerpunkte wider, so etwa den hochkarätigen Bestand internationaler piktorialistischer Fotografie oder die in den 1980er Jahren zusammengetragene Sammlung japanischer Aufnahmen.