Presseinformationen

Disputed Landscape

Infos

The Visual Paradigm
Eröffnung:
12.3.2015, 19:00
Zeitraum:
13.3.–10.5.2015
KünstlerInnen:
Stephanie Kiwitt (DE/BE), 
Christian Mayer (AT), 
Ricarda Roggan (DE)
, Nicole Six & Paul Petritsch (AT)

Uncovering History
Eröffnung:
15.5.2015, 20:00
im Rahmen von aktuelle Kunst in graz
Zeitraum:
16.5.–5.7.2015
KünstlerInnen:
Anthony Haughey (IE), 
Tatiana Lecomte (AT)
, Jo Ractliffe (ZA), 
Ahlam Shibli (PS)
, Efrat Shvili (IL)

Enacting Landscape
Eröffnung:
10.7.2015, 20:00
Zeitraum:
11.7.–6.9.2015
KünstlerInnen:
Philip Gaißer (DE), 
Michael Höpfner (AT)
, Sharon Ya’ari (IL)

 

Öffnungszeiten:
Di – So 10:00 – 17:00

Eine Ausstellungsreihe in Kooperation mit dem Kunsthaus Graz

Pressetext

Landschaften sind nie einfach da. Landschaften sind immer Ausdruck von Beziehungen. Landschaft ist eine gesellschaftliche Vereinbarung, eine Konvention. In diesem Geflecht von Beziehungen und Konventionen spielen Fotografien eine zentrale Rolle. Wenn Landschaft immer eine Kombination aus ästhetischen, sozialen, ökonomischen, symbolischen und räumlichen Komponenten darstellt, und Fotografie »als eine Art Relais fungiert, das Theorien über die Kunst, die Sprache und den Geist mit sozialen, kulturellen und politischen Wertvorstellungen« (W.J.T. Mitchell) verbindet, dann entsteht an der Schnittstelle zwischen Landschaft und Fotografie eine komplexe kulturelle Artikulation: Beide verknüpfen jene Geschichte mit dieser Ansicht, jenen Text mit dieser Identität, jene Erinnerung mit diesem Ort, jenen Ort mit dieser Geschichte. Landschaft wie Fotografie verkörpern dann einen Raum der Produktion von Differenzen, sind mit Identität, Gedächtnis, Wissen, Geschichte und Erfahrung verknüpft und der Schauplatz von entsprechenden Einschreibungen.

Die Ausstellungsreihe »Disputed Landscape« befragt vor diesem Hintergrund aktuelle fotografische Positionen danach, wie sie diese Artikulationen ins Bild setzen oder im Bild sichtbar machen. Einige der eingeladenen KünstlerInnen arbeiten dabei in Gegenden, die durch militärische bzw. nationale Konflikte gekennzeichnet sind oder waren, von Tibet über den Nahen Osten und Afrika bis Irland, um deren forensische wie symbolische Spuren freizulegen (»Uncovering History«), arbeiten sich an der Fiktion von Landschaft, an historischen fotografischen Dispositiven, oder am dokumentarischen Konflikt im Hinblick auf Repräsentation ab (»The Visual Paradigm«), oder der zeitlichen, räumlichen, körperlichen und bildlichen Konstruktion von Landschaft (»Enacting Landscape«). Allen gemeinsam scheint zu sein, dass die Bilder, die dabei entstehen, selbst von Konflikten und Brüchen durchzogen sind, dass sie bestehende Artikulationen jener Ideologien durch diese Repräsentationen in Frage stellen. Wie lassen sich (konfligierende) Geschichten, wie sie Landschaften eingeschrieben wurden, überhaupt wieder rekonstruieren? Wie diese Geschichten ins Bild setzen, die doch selbst durch eine Unterdrückung von Sichtbarkeit gekennzeichnet sind, eine Unterdrückung, die oftmals durch eine Unterdrückung von (anderen) Geschichten verdoppelt und bestärkt wurde? Was lässt sich an historischen Formationen freilegen, was von den Dingen und Wörtern, dem Sehen und Sprechen, den Inhalten und Ausdrücken? Vor diesem Hintergrund eröffnet das Ausstellungsprojekt einen Schauplatz des Ringens um Artikulationen, ein Ringen, das letztendlich auch die Bilder selbst durchzieht.

 

The Visual Paradigm
13. 3. – 10. 5. 2015

Stephanie Kiwitt
In ihrem Projekt »Wondelgemse Meersen« (2012) fotografiert Stephanie Kiwitt (geboren 1972 in Bonn, lebt in Brüssel) ein Brachland im Norden der belgischen Stadt Gent. Das etwa 100 Hektar große Gebiet war ursprünglich ein Marschland und ist heute von Transportwegen, Gewerbe- und Wohngebieten und leerstehenden Fabrikgebäuden umgeben. Minutiös und in unzähligen Aufnahmen °– die im gleichnamigen Buch großteils im Raster, nur vereinzelt durch ganzseitige Bilder unterbrochen, abgebildet sind – dokumentiert Stephanie Kiwitt dieses semi-urbane Gebiet, bringt zahllose Details ins Bild, ohne jemals einen Überblick über die Landschaft selbst zu geben. Es erscheint wie ein visuelles Abtasten, Sondieren, Erforschen – in den ausschnitthaften Bildern kollidieren Kultur und Natur, werden verschiedene Nutzungen angedeutet, allerdings nur bruchstückhaft und ohne Kontext; das Gebiet selbst bleibt unzugänglich und unbekannt, wodurch die Künstlerin eindrücklich eine Grenze des Dokumentarischen selbst dokumentiert.

Christian Mayer
(geboren 1976 in Sigmaringen, lebt in Wien) greift in einer Arbeit aus dem Jahr 2011 die Geschichte einer Expedition der National Geographic Society in den Basin State Park in Utah im Jahr 1949 auf: »Escalante Expedition Named This Glowing Valley ›Kodachrome Flat‹«. Frei im Raum stehende oder an die Wand angelehnte Bildtafeln mit den vergrößerten Originalaufnahmen und den dazugehörigen Bildunterschriften übersetzen eine bestimmte Geschichte des Sehens und dessen fotografischer Repräsentation in eine installative Anordnung, die die Künstlichkeit dieses Unterfangens betont. Mayer verdeutlicht mit dieser Werkgruppe, dass die Wahrnehmung von Landschaft aufs engste mit den Kulturtechniken ihrer Aufzeichnung, Repräsentation, Verbreitung und auch Archivierung verbunden ist. Das Sehen selbst hat eine Geschichte und ist an spezifische Materialitäten geknüpft. Indem Mayer eine heute nicht mehr verfügbare Bildtechnologie aktualisiert – die Herstellung jenes Kodak-
Farbfilms, der in den 1940er Jahren der Fotografie eine neue Rolle als visuelles Leitmedium ermöglichte, wurde 2011 eingestellt –, betont er jene Aspekte und Verfahren, die die Verbildlichung und Archivierung von Wirklichkeit und gerade auch von Landschaft bestimmen.

Ricarda Roggan
Ricarda Roggans (geboren 1972 in Dresden, lebt in Leipzig) Arbeit ist durch eine grundsätzliche Kontrolle über das fotografische Bild gekennzeichnet. In komplexen Arrangements bestimmt sie, in welcher Art und Weise wir etwas sehen können. Diese Arbeitsweise lässt sich jedoch im Gegensatz zum Begriff der Inszenierung eher mit dem Begriff der Intervention beschreiben. Diese Methode wird selbst in der Auseinandersetzung mit Natur und Landschaft fortgeführt. In der Serie »Baumstücke« (seit 2007) beschneidet sie Blattwerk und Äste der abgebildeten Baumgruppen, bis diese ihrer Bildvorstellung entsprechen. Für die Serie »Sedimente« (seit 2008), aufgenommen in Steinbrüchen, arrangiert sie den Vordergrund der Bodenschichten um. Dabei werden vor allem dramatische oder Aufmerksamkeit erregende Details beseitigt. Es entstehen undurchdringliche Freilegungen, exemplarisch wie rätselhaft und ortlos. Gegensätzliche Ansätze wie Dokumentation und Konstruktion, Wirklichkeit und Modell, die in ihrer Methode deutlich werden, unterstreichen auch die Definitionsmacht des Visuellen in der Wahrnehmung von Landschaft.

Nicole Six & Paul Petritsch
In vielen Serien arbeiten Nicole Six und Paul Petritsch (geboren 1971 in Vöcklabruck und 1968 in Friesach, leben in Wien) über das moderne Paradigma der Entdeckung und Vermessung der Welt. Sie übersetzen die räumlichen Aspekte dieser Eroberungen in Repräsentationssysteme, die von konzeptuellen Verfahren gekennzeichnet sind und damit in einem Spannungsverhältnis zum (fotografischen) Bild stehen. In der Serie »Die Innere Grenze/Notranja meja« (2008) folgten sie anhand von historischen Karten der ehemaligen Grenze zwischen Österreich und dem »SHS-Staat« (Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen), der nach dem Ersten Weltkrieg Anspruch auf Teile des heutigen Kärnten erhob. Knapp 60% der dort lebenden Bevölkerung stimmten bei einer Volksabstimmung 1920 für einen Verbleib bei Österreich. Nach einem vordefinierten kartografischen Raster entstehen Bilder an 74 Standorten, die verschiedene Landschaften entlang dieses historischen Grenzverlaufs zeigen. Fragen nach Möglichkeiten der Rekonstruktion und Dokumentation werden mit Fragen nach der politischen Bedeutung von Landschaft verknüpft.

 

Uncovering History
16. 5. – 5. 7. 2015

Anthony Haughey
Anthony Haugheys Serie »Disputed Territory« (seit 2006) untersucht als Langzeitprojekt europäische territoriale und identitäre Spannungen anhand der Auswirkungen der Konflikte in Irland, Bosnien und dem Kosovo. Der Künstler (lebt in Irland) wohnte einige Jahre nahe der Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland. Am Höhepunkt des sogenannten »Nordirlandkonflikts« in den 1970er und 1980er Jahren handelte es sich um eine der am meisten überwachten und militarisierten Zonen außerhalb des damaligen Ostblocks – dennoch blieb diese Demarkationslinie so gut wie unsichtbar. Haugheys Bilder zeigen zum Teil seltsame Umgebungen mit kaum identifizierbaren Spuren und unklarer Nutzung. Viele der Markierungen, Gegenstände und Interventionen bleiben unverständlich und erfordern eine genaue und komplexe Leseweise. Erst der Versuch, diese Bedeutung zu entschlüsseln, politisiert diese Landschaften als umstrittene Territorien. Das Unterdrücken, Vergessen oder Erinnern dieser Entschlüsselung sind allerdings keine neutralen oder unschuldigen Akte – in diesem Sinne führen die Bilder etwas vor Augen, das dem Unbehagen an Erinnerung und Geschichte entspricht, und versuchen, dem Verschwinden dieser Erinnerung und Geschichte entgegenzuarbeiten.

Tatiana Lecomte
Tatiana Lecomte (geboren 1971 in Bordeaux, lebt in Wien) hat im Abfall vor ihrem Haus ein privates Diaarchiv gefunden, das – offensichtlich über mehrere Jahrzehnte – immer wieder dieselbe Frau zeigt, zumeist in erotischen Posen an verschiedenen »Schauplätzen« weltweit. In »Die El Alamein-Stellung. Eine Montage« (2012) kombiniert die Künstlerin Aufnahmen aus diesem Archiv, die am Strand von El Alamein entstanden sind – jener Strand, der 1942 Teil eines Kriegsschauplatzes gewesen ist, an dem die Alliierten in zwei entscheidenden Schlachten den Rückzug der deutsch-italienischen Truppen aus Afrika erzwangen – mit militärischen Archivaufnahmen: Soldaten, brennende Fahrzeuge, Kartenmaterial, Flugzeuge, Truppenbewegungen. Beide Bildquellen werden ineinander verschränkt und letztlich ununterscheidbar. Da allerdings auf jedem Dia ein Teil der Hand der Künstlerin zu sehen ist, die uns die Bilder vor grünem Hintergrund zeigt, wird diese Ununterscheidbarkeit durch ein Moment der Glaubwürdigkeit unterlaufen. Denn tatsächlich entspinnt sich eine künstlich konstruierte Geschichte von Krieg und privaten Obsessionen in einer Landschaft, die zugleich Schauplatz von privaten und historischen Handlungen geworden ist und in dieser Ambivalenz die Ambivalenz fotografischer Dokumentation verdoppelt.

Jo Ractliffe
»Sometimes I’m not even sure what it is I’m looking at. I am here without language. It is hard to read the signs.« Zwischen 2007 und 2010 bereiste Jo Ractliffe mehrmals den Süden Angolas auf den Spuren des namibischen Befreiungskrieges. Sie reiste mit ehemaligen Soldaten, die das erste Mal seit der Unabhängigkeit 1990 jene Orte aufsuchen, an denen sie gekämpft hatten, und die diese kaum wiedererkennen. Vor allem die Minen machen eine Wiederbesiedelung fast unmöglich. Unter anderem besuchen sie auch Cassinga, wo im Jahre 1978 die südafrikanische Armee einen Stützpunkt der SWAPO angriff, dabei aber auch zahlreiche Zivilisten zu Tode kamen. Ractliffes Bilder zeugen von der Stille und der Leere der Landschaft, ihre zum Teil gespenstische Ruhe kreist um die Idee einer »Landschaft als Pathologie« in dem Sinn, wie sich die vergangene Gewalt – dauerhaft und flüchtig, sichtbar und unsichtbar °– in die Gegenwart einschreibt, sowohl forensisch als auch symbolisch. Diese Pathologie, durch die jene gewaltsame Geschichte die Gegenwart verfolgt, zwingt uns zu einer Beschäftigung mit jenen Orten, die noch heute kaum zu verstehen sind, für die uns nach wie vor die Sprache und auch die Bilder fehlen.

Ahlam Shibli
Die Bilder aus »The Valley« entstanden im Jahr 2007 im Dorf Arab al-Shibli und seinem Umland im Unteren Galiläa in Palästina/Israel. Vor dem Hintergrund der Geschichte dieses Dorfs unternimmt Ahlam Shiblis Arbeit eine Lektüre seiner Landschaft und der in sie eingeschriebenen Spuren.
Die Hälfte aller Dorfbewohner von Arab al-Sbaih überlebte den Krieg von 1948 versteckt in den Höhlen des Bergs Tabor, an dessen Hängen das Dorf errichtet worden war. Die andere Hälfte leistete Widerstand gegen die jüdischen Kämpfer, um ihr Land zu verteidigen, und musste daher nach Jordanien flüchten. In den Lagern hielten die Flüchtlinge die Erinnerung an ihren Heimatort wach, indem sie an der Verwendung der alten Namen festhielten und die hergebrachte soziale Struktur übernahmen. Die Lebensumstände dieser Flüchtlinge sind Gegenstand von Shiblis Arbeit »Arab al-Sbaih«.
Als nach Kriegsende diejenigen, die sich in den Bergen versteckt gehalten hatten, zu ihrem Grund und Boden zurückkehrten, waren sie gezwungen, ihr Dorf umzubenennen, um sich vor Racheaktionen der Sieger zu schützen. Sie gaben ihm den Namen Arab al-Shibli.
»The Valley« zeigt die Spuren der Zerstörung, die die Bewohner von Arab al-Shibli heute in dem Berg, der ihnen in Kriegszeiten Schutz bot, anrichten müssen. Um ein Haus bauen zu können, mussten sie den Namen ihres Dorfs und ihre Achtung vor dem Land aufgeben. Während sie ihrer Bindung an die Heimat beraubt wurden, haben sich die Flüchtlinge in den jordanischen Lagern diese Bindung zwar bewahrt, haben aber kein wirkliches Zuhause.

Efrat Shvili
Efrat Shvili zeigt in ihrer Serie »100 Years« (2007) Nahaufnahmen von Bäumen und Dickicht, ohne Horizont und ohne mögliche Orientierung. Die fast grafische Oberfläche der Fotografien schirmt uns von diesen ortlosen Räumen ab, die allein der Natur vorbehalten zu sein scheinen. Doch wie viele ihrer früheren Arbeiten dreht sich auch diese Serie um die besondere politische Situation in Israel. »100 Years« zeigt einen Wald im Westen Jerusalems, der vor 100 Jahren vom Jewish National Fund im Zuge eines Aufforstungsprogramms Palästinas angelegt wurde. Was heute wie Natur wirkt und wie ein ursprünglicher Wald aussieht, wurde auf ehemals palästinensischem Gebiet gepflanzt, um die Bevölkerung von dort zu verdrängen. Die Schönheit und Textur der Bilder suggeriert eine Natürlichkeit, die im Kontrast zur Künstlichkeit und zur politischen »Natur« dieses Waldes steht. Damit sind die Bilder auch Metaphern einer Strategie des Verdrängens einer Landschaft durch eine andere, der Unterdrückung und des Unsichtbar-Machens von Geschichte, die immer die Geschichte Anderer, der Anderen, ist – wodurch die Bilder auch zu einer politischen Metapher werden.

 

Enacting Landscape
11. 7. – 6. 9. 2015

Philip Gaißer
Wie ein Mahnmal steht der Saguaro-Kaktus da, fußt himmelwärts aufragend zwischen zwei Felsbrocken in einem steinig verkrauteten Stück Wüstenlandschaft. Dahinter erheben sich karstige Anhöhen und zeichnen einen gezackten Horizont vor die leichte Bewölkung. In das beinahe klischeehaft Bekannte mischt sich Irritation. Denn dieses Exemplar eines Carnegiea gigantea ist ab mutmaßlich halber Höhe an Stamm und Seitenarmen amputiert. Da die Schnittstellen hier aber exakt mit dem Übergang von Hintergrund und Himmel zusammenfallen, denkt man unwillkürlich an eine Montage oder gar einen handgreiflichen Akt des Fotografen am Objekt. Ein Bild mit dem so sachlichen wie rätselhaften Titel »Made by Cactus Tactical Supply« (2013) – wie eine offene Frage, doch was hier auch passiert sein mag: Die verblüffende Kongruenz von Figur und Hintergrund fügt ein Moment des Künstlichen ins Naturbild ein und erzählt das Landschaftliche als Konstruktion. Das ist ein charakteristischer Zug in Philip Gaißers Fotografie, auch wenn Themen und Sujets variieren: Bei aller dokumentarisch agierenden Nüchternheit behalten seine Bilder etwas Rätselhaftes, immer gibt es da ein Kippmoment oder eine gerichtete Ambivalenz, inszenatorische Gesten, mit denen Gaißer eine Irritation in die Unmittelbarkeit des fotografisch Gegebenen einschleust – und den Blick auf Landschaft damit öffnet und formt.

Michael Höpfner
Michael Höpfners Arbeit beruht auf dem Reisen, zumeist in abgelegene und menschenleere Gegenden wie das Hochplateau des Chang Tang im westlichen Tibet in seiner aktuellen Arbeit »Lay Down, Stand Up, Walk On« (2014/15). Im Zentrum steht der Rhythmus der Fortbewegung im Verhältnis zu Orten in einer ortlosen Landschaft. Höpfner macht eine Aufnahme, geht ein paar Schritte weiter, macht noch eine Aufnahme, und wiederholt dies vier- bis fünfmal. Es entsteht eine Sequenz, die nicht primär die Landschaft selbst, sondern die Fortbewegung dokumentiert. Aus diesen Sequenzen entsteht eine Art (Wieder-)Aufführung der Landschaft, der die »Performance« des Gehens, Anhaltens, Niederlassens und Weitergehens zugrundeliegt. Doch steht im Mittelpunkt dieser performativen Dokumentation ein Konflikt: derjenige zwischen völlig unterschiedlichen Orts- und Raumkonzepten der Kulturen des tibetischen Hochlandes und der post-postmodernen Konsumgesellschaft. Der Osten steht dabei für einen Ort der Verheißung und Ursprünglichkeit, aber auch des Geheimnisses und der Barbarei, der Bedrohung durch das Unbeherrschbare. Die Landschaften, die Höpfner durchwandert, erscheinen als Naturraum, sind aber ein – vom Westen – diskursiv hervorgebrachter Raum, der zwar lokalisierbar, aber zugleich als Bedrohung allgegenwärtig ist.

Sharon Ya’ari
Sharon Ya’ari (geboren 1966 in Israel, lebt in Tel Aviv) interessiert sich vor allem dafür, wie sich Geschichte Orten einschreibt. Diese Geschichte hat in Israel vor allem mit der Aneignung des Landes zu tun, mit Utopien von Landschaft und Gesellschaft, die die vielen Immigranten ins Land brachten und dort – entgegen aller Vernunft
– zu realisieren versuchten. Vielleicht wirkt deshalb vieles in Ya’aris Bildern seltsam deplatziert, wie künstlich arrangiert, jedenfalls in seiner Bedeutung unklar. Manche Orte und Landschaften besucht Ya’ari im Abstand von ein paar Jahren, um die – zum Teil geradezu unheimliche – Mischung aus Stillstand und Niedergang, aus Obsorge und Vernachlässigung, Natur und Kultur, Erinnern und Vergessen zu dokumentieren. Ya’ari interessiert sich dabei nicht primär für die Veränderungen, die sich dokumentieren lassen, sondern für die mögliche Analogie für zukünftige Veränderungen, auch deshalb, um, wie er selbst sagt, die nächste Katastrophe vorhersagen zu können. Diese Bilder erscheinen demnach weniger als Dokumentation denn als ein Befragen dieser Orte und Landschaften in ihrer Bedeutung für die Produktion von Identität und Zugehörigkeit – nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für die bevorstehende unsichere Zukunft.

Bildmaterial

Die honorarfreie Veröffentlichung ist nur in Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ausstellung und die Publikation gestattet. Wir ersuchen Sie die Fotografien vollständig und nicht in Ausschnitten wiederzugeben. Bildtitel als Download unter dem entsprechenden Link.

  • Disputed Landscape: The Visual Paradigm Nicole Six & Paul Petritsch, Die Innere Grenze / Notranja meja, 2008. Camera Austria 2015 Photo: Lupi Spuma
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  • Nicole Six & Paul Petritsch, Die Innere Grenze / Notranja meja, Abb./
    Slika 02, 2008. Courtesy: Museum Moderner Kunst Kärnten, Klagenfurt.
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  • Disputed Landscape: The Visual Paradigm Stephanie Kiwitt, Wondelgemse Meersen, 2012/15. Camera Austria 2015 Photo: Lupi Spuma
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  • Stephanie Kiwitt, aus der Serie / from
    the series: Wondelgemse Meersen, 2012.
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  • Disputed Landscape: The Visual Paradigm
    Christian Mayer
    Camera Austria 2015
    Photo: Lupi Spuma
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  • ca_ausstellung_landscape_Mayer_EscalanteExpeditionNamedThisGlowingValleyKodachromeFlat_2011
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  • Disputed Landscape: The Visual Paradigm Ricarda Roggan Camera Austria 2015 Photo: Lupi Spuma
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  • Ricarda Roggan, natura nova, Sedimente 6, 2010.
    Courtesy: Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin.
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  • Anthony Haughey, Plantation, Armagh / Louth Border, aus
    der Serie / from the series: Disputed Territory, 2006.
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  • Tatiana Lecomte, Detail aus / from: Die El Alamein-Stellung. Eine Montage, 2012.
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  • Tatiana Lecomte, Detail aus / from: Die El Alamein-Stellung. Eine Montage, 2012.
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  • Jo Ractliffe, aus der Serie / from the series: As Terras do Fim do Mundo,
    2009-10. Courtesy: Stevenson, Cape Town.
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  • Ahlam Shibli, aus der Serie / from the series: The Valley, Arab al-Shibli, Palestine / Israel, 2007-08.
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  • Efrat Shvili, aus der Serie / from the series: 100 Years, 2007.
    Courtesy: Sommer Contemporary Tel Aviv.
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  • Philip Gaißer, Made by Cactus Tactical Supply,
    aus der Serie / from the series:
    The Ground is Mine the Sky is Yours, 2013.
    Courtesy: Galerie Conradi, Hamburg.
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  • Michael Höpfner, aus der Serie / from the series: Lay Down, Stand Up, Walk On, 2014/15.
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  • Sharon Ya’ari, Agave, Hadera, 2012. Courtesy: Sommer Contemporary Tel Aviv.
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