Presseinformationen

Erik van der Weijde
Gebilde

Infos

Eröffnung
5.12.2014, 20:00
im Rahmen von CMRK

Ausstellungsdauer
6.12.2014 – 15.2.2015

Öffnungszeiten
Dienstag – Sonntag: 10:00 – 17:00

Pressetext

Das umfangreiche Werk des niederländischen Künstlers Erik van der Weijde breitet sich bislang vor allem in seinen Künstlerbüchern, Zines und seit kurzem auch in seiner Zeitschrift (SUBWAY) vor uns aus. Über 40 Publikationen hat der Fotograf in den vergangenen zwölf Jahren vorgelegt, herausgegeben im eigenen Verlag 4478zine oder in Kooperation mit den exponiertesten Independent Verlagen wie Roma Publications, Rollo Press, Super Labo und Kaugummi Books. Seine Themen verhandelt Van der Weijde mit großer konzeptueller Klarheit. Die Idee als Auslöser einer umfangreichen Recherche; der ohne großen Aufwand betriebene und dennoch präzise gesetzte Prozess der (zumeist schwarzweißen) Aufnahme vor Ort; die konzise Auswahl der Bilder im Verlauf des Zusammenführens zu Serien; die Reduktion von Text zu trockener Information; der Produktionsprozess des Buches – seine Gestaltung, Typografie, Format- und Papierwahl; das jeweils spezifische Druckverfahren und die Bindung; schließlich die Distribuierung über den eigenen Verlag oder Verlags- und/oder Vertriebspartner: Jeder einzelne Aspekt des Büchermachens fußt auf klar kalkulierten, formal-inhaltlich abgestimmten Entscheidungen, ordnet sich der Kontrolle der Augen und strategischen Entscheidungen unter. Keine Geschichten erzählen, sondern im Visuellen selbst bleiben und genau dort zu thematischen Setzungen zu kommen, das ist der Motor seiner Arbeit.

Erik van der Weijdes fotografische Praxis ist also eng verknüpft mit einer ausufernden editorischen und verlegerischen Praxis, sein Werk ordnet sich geradezu über das Herstellen von Zines und Büchern. Das Editieren und Verlegen dient aber vor allem dem »Lesen« seiner Bilder, die einem unverfälschenden dokumentarischen Stil verpflichtet sind.
Sein Projektvorhaben, die letzten zwölf Jahre seiner publizistischen Tätigkeit in einer Art des Dérive demnächst in eine umfangreiche Publikation zu bringen, fällt nicht zufällig in eins mit einer zunehmenden Ausstellungstätigkeit: Sie ist dem Wunsch geschuldet den kosmologischen Zusammenhang seiner Bilderkonvolute deutlicher hervortreten zu lassen und das, was sich formal und inhaltlich schlüssig zu einzelnen Werkserien (und in der Folge zu Zines und Künstlerbüchern) formiert hat, stärker noch als bisher als künstlerisches Projekt zu vermitteln, in dem die Bilder zusammenkommen.

Wenn wir die Künstlerbücher von Erik van der Weijde betrachten und diese mit seinen mittlerweile 14 simpel, aber präzise formulierten Paragraphen umfassenden »4478Zine Publishing Manifesto« gegenlesen, wird ein Wiederanknüpfen an die Strategien der Konzeptkunst der 1960er Jahre schnell deutlich: Die Abkehr vom Einzelbild, das Arbeiten in Werkserien, die Verpflichtung gegenüber einem dokumentarischen Stil, die vordergründige Banalität des Aufgenommenen, das Unterordnen unter eine recherche- basierte Idee, das Buch als Werkform und demokratisches Medium  – all diese Grundsätze finden sich mit seinen Publikationen überaus präzise eingelöst, und sind mit dem Typus des Künstlerbuches wie ihn Ed Ruscha etabliert hat unbedingt in einen Zusammenhang zu setzen.
Jedes seiner Bücher widmet sich einzelnen Sujets, die scheinbar unzusammenhängend sind, wie in der Nazizeit errichtete Wohnsiedlungen in Deutschland, Autounfälle, Tiere, Porträts von Frau und Sohn in gestellten und nachgestellten Familienbildern, Korruption in der brasilianischen Politik, gefundene Bilder von Panzern, Schusswaffen, Kampfflugzeugen und Bonsaibäumen, Prostitution, von Albert Speer entworfene Straßenlaternen, mächtige Bäume an ominösen Orten, seinen schlafenden Sohn, seine Schwiegermutter in häuslichem Ambiente, die Amsterdamer Kanäle vom Boot aus gesehen, wiederkehrende Elemente in der brasilianischen Alltagskultur, Oscar Niemeyers Brasília, oder VW-Käfer. Ein Indiz dafür, dass aber alle diese Dinge im Werk von Erik van der Weijde nicht nur universelle Gültigkeit, sondern auch eine zugegebenermaßen nur schwer zu fassende Form der »Bedeutung« für sich beanspruchen, die auf etwas Dahinterliegendes verweist, ist bereits die strategische Entscheidung des Künstlers, seine Zines und Bücher von Beginn an regelmäßig zu Reihen zusammenzufassen und sie so als Teile eines größeren Ganzen zu vermitteln.

Die Ausstellung bei Camera Austria, die in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler entstanden ist, folgt nun nicht nur dem Wunsch, die Bilder vom Trägermaterial der Buchseite zu lösen und eine andere Sicht- bzw. Sehbarkeit (und auch eine andere haptische Erfahrbarkeit) seiner Bilder – als Fotografien – zu erproben, sondern gleichermaßen der Idee, die Gleichwertigkeit seiner unterschiedlichen Motivwelten als konzeptionellen Kern seiner Arbeit herauszuarbeiten.
Die Ordnung, die sich in seinem Werk bisher über das Herausgeben von Büchern mit je eigenen Themenfeldern hergestellt hat, löst sich in der Ausstellung gewissermaßen auf: Die durch zwei Buchdeckel jeweils voneinander abgetrennten Räume werden geöffnet, ihre in ihnen verwahrten Bilder wandern – wie aus einem Archiv – aus ihnen heraus auf eine monumentale Tischskulptur, wo sie sich neu und anders ausbreiten und zu einem unabgeschlossenen und unabschließbaren »Gebilde« neu formieren.
Es ist die besondere Fähigkeit von Van der Weijde, dass in allen seinen Bildern gleichermaßen das Vertraute und das Fremde, das Banale und das Besondere, das Absurde und das Normale, das Tragische und das Komische, das Erlaubte und das Verbotene, das Unschuldige und das Schuldige, die Liebe und das Begehren zusammenfallen – sei es in den Porträts seiner Frau Ana und seines Sohnes Caetano oder von Prostituierten am Strand, sei es in der Fotografie eines mächtigen Baumes am Grab der Eltern Adolf Hitlers, in dem Bild eines Schlachtviehs, in Bildern von öffentlichen Müllbehältnissen oder der Repräsentationsarchitektur Brasiliens. Sich das Schauen und Anschauen zu erlauben und vielleicht zu erkennen, wie alle diese Dinge sich bedingen und zusammenhängen und sich auch selbst in diese Zusammenhängen zu stellen – das ist die Form der Visualität, der Erik van der Weijde mit seinen Bildern zuarbeitet.

Nach Ausstellungen mit Wolfgang Tillmans (2007), Annette Kelm (2009), Tobias Zielony (2011), Sven Johne (2013) und Joachim Koester (2014) ist auch die Ausstellung von Erik van der Weijde bei Camera Austria die erste institutionelle Einzelausstellung des Künstlers in Österreich.

Erik van der Weijde (geb. 1977 in Dordrecht) studierte Fotografie an der Gerrit Rietveld Akademie und an der Rijksakademie van Beeldende Kunsten, Amsterdam. Seit 2003 publizierte er mehr als 35 Künstlerbücher und zines, herausgegeben im eigenen Verlag 4478zine.com oder mit Independent Verlagen wie ROMA Publications and Rollo-Press. Van der Weijde lebt und arbeitet in Brasilien und den Niederlanden, vertreten von Chert Gallery, Berlin.

Anlässlich der Ausstellung erscheint ein Textbuch in der Edition Camera Austria.
Erik van der Weijde: Gebilde.
Hrsg. von Maren Lübbke-Tidow. Mit Texten von Pierre Dourthe, Frits Gierstberg, Maren Lübbke-Tidow. Dan Rule, Erik van der Weijde, Jan Wenzel (ger. / eng. / fre. / ndl.).
Edition Camera Austria, Graz 2014. 96 Seiten, 11,3 cm x 17 cm, 6 SW-Abbildungen.
ISBN 978-3-902911-12-4
€ 9,90

Bildmaterial

Die honorarfreie Veröffentlichung ist nur in Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ausstellung und die Publikation gestattet. Wir ersuchen Sie die Fotografien vollständig und nicht in Ausschnitten wiederzugeben. Bildtitel als Download unter dem entsprechenden Link.

/