Camera Austria International

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102 | 2008

  • JENS ASTHOFF
    Annette Kelm
  • ANNETTE KELM
  • ROLF SACHSSE
    Iosif Király: Tinseltown Buzescu
  • IOSIF KIRÁLY
  • COSMIN COSTINAS
    Alexandra Croitoru: Nationale Melodramen
  • ALEXANDRA CROITORU
  • SNØKE GAU
    Hrair Sarkissian: Zwischenzeiten und Zwischenräume
  • HRAIR SARKISSIAN
  • CATHERINE DAVID
    Taysir Batniji: Väter
  • TAYSIR BATNIJI
  • RAINER BELLENBAUM
    Dispositiv-Wechsel IV

Vorwort

Mit seinem “Tinseltown-Projekt” – einer über Jahre entwickelten fotografischen Untersuchung der Architektur und ihrer (Roma-)BewohnerInnen in Buzescu, einem Straßendorf südlich von Bukarest – hat Iosif Király den Versuch einer Darstellung von roma-rumänischer Transition von Tradition über Sozialismus zur Postmoderne unternommen, Rolf Sachsse diskutiert in seinem Text die dekonstruktive Methode Királys, in dessen Arbeit sich die Brüchigkeit eines dokumentarischen Anspruchs zeigt. Wo Stilkriterien zu versagen drohen, wo ästhetische Kritik zum Kolonialismus gerinnt, wird das Fotografieren zur Strategie, deren Autonomie als Kunst erst in einem späteren Betrachtungsprozess zu befragen ist. In einem weiteren Beitrag zur rumänischen Gegenwartskunst widmet sich Cosmin Costinas der Arbeit der Künstlerin Alexandra Croitoru, deren Zugang zur „rumänischen Identität“ ein Mix archäologischer Neugier ist, mitunter angetrieben von den Restbeständen der „Übergangsmentalität“, dem Eintreten für Veränderungen und „Verwestlichung“, aber stets gekennzeichnet von einer kritisch-distanzierten Offenheit.

Auch die Arbeiten des syrischen Künstlers Hrair Sarkissian kreisen um die Themenfelder der individuellen und kollektiven Erinnerung und Identität. Wir zeigen in diesem Heft Ausschnitte seiner Werkserien „Unfinished“ – Bilder von Rohbauten in verschiedenen Städten des mittleren Ostens – und „InBetween“ – sozialistische Architekturen und Gedenkstätten im Kontext des militärischen Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan. Sønke Gau liest Sarkissians Arbeiten mit den Thesen Ernesto Laclaus und seiner Theorie der Verräumlichung als Hegemonisierung von Zeit bzw. Fixierung von Bedeutung quer. Im Gegensatz zu Sarkissian verweigert der palästinensische Künstler Taysir Batniji mit seinem Projekt „Pères“ (Väter) eine direkte Abbildung der territorialen und politischen Situation der Region des Gazastreifens, und setzt dieser mit einer Sammlung von Porträts von Vätern, von arabischen Führern und Märtyrern „eine Fiktion“ entgegen, die die Frage nach konfligierenden Geschichtsvorstellungen aufwirft. Mit dem Begriff der Fiktion wie ihn Rancière geprägt hat, arbeitet sich Catherine David an dieses „stille, zurückhaltende Bild vom Wechselspiel der Spannungen und Gegensätze“ heran, „die unter dem Lärm der Erscheinungen am Werk sind“.

Volltext

Camera Austria International 102 | 2008
Vorwort

Mit seinem “Tinseltown-Projekt” – einer über Jahre entwickelten fotografischen Untersuchung der Architektur und ihrer (Roma-)BewohnerInnen in Buzescu, einem Straßendorf südlich von Bukarest – hat Iosif Király den Versuch einer Darstellung von roma-rumänischer Transition von Tradition über Sozialismus zur Postmoderne unternommen, Rolf Sachsse diskutiert in seinem Text die dekonstruktive Methode Királys, in dessen Arbeit sich die Brüchigkeit eines dokumentarischen Anspruchs zeigt. Wo Stilkriterien zu versagen drohen, wo ästhetische Kritik zum Kolonialismus gerinnt, wird das Fotografieren zur Strategie, deren Autonomie als Kunst erst in einem späteren Betrachtungsprozess zu befragen ist. In einem weiteren Beitrag zur rumänischen Gegenwartskunst widmet sich Cosmin Costinas der Arbeit der Künstlerin Alexandra Croitoru, deren Zugang zur „rumänischen Identität“ ein Mix archäologischer Neugier ist, mitunter angetrieben von den Restbeständen der „Übergangsmentalität“, dem Eintreten für Veränderungen und „Verwestlichung“, aber stets gekennzeichnet von einer kritisch-distanzierten Offenheit.

Auch die Arbeiten des syrischen Künstlers Hrair Sarkissian kreisen um die Themenfelder der individuellen und kollektiven Erinnerung und Identität. Wir zeigen in diesem Heft Ausschnitte seiner Werkserien „Unfinished“ – Bilder von Rohbauten in verschiedenen Städten des mittleren Ostens – und „InBetween“ – sozialistische Architekturen und Gedenkstätten im Kontext des militärischen Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan. Sønke Gau liest Sarkissians Arbeiten mit den Thesen Ernesto Laclaus und seiner Theorie der Verräumlichung als Hegemonisierung von Zeit bzw. Fixierung von Bedeutung quer. Im Gegensatz zu Sarkissian verweigert der palästinensische Künstler Taysir Batniji mit seinem Projekt „Pères“ (Väter) eine direkte Abbildung der territorialen und politischen Situation der Region des Gazastreifens, und setzt dieser mit einer Sammlung von Porträts von Vätern, von arabischen Führern und Märtyrern „eine Fiktion“ entgegen, die die Frage nach konfligierenden Geschichtsvorstellungen aufwirft. Mit dem Begriff der Fiktion wie ihn Rancière geprägt hat, arbeitet sich Catherine David an dieses „stille, zurückhaltende Bild vom Wechselspiel der Spannungen und Gegensätze“ heran, „die unter dem Lärm der Erscheinungen am Werk sind“.

Werden die Arbeiten der Künstler aus Rumänien und aus dem Nahen Osten, die wir in dieser Ausgabe von Camera Austria vorstellen, ausdrücklich von Bildkonzeptionen getragen, die eng an die politische Geschichte(n) der jeweiligen Herkunftsländer ihrer Produzenten geknüpft sind, so steht in der Arbeit der deutschen Künstlerin Annette Kelm deutlich die Auseinandersetzung mit verschiedenen Paradigmen des Fotografischen im Vordergrund. Kelm verknüpft in ihrer sehr eigenständig entwickelten Arbeit verschiedene Stile und Genres, entfaltet Bildthemen oft in Anlehnung an Stillleben und Porträt sowie Objekt-, Architektur- und Landschaftsfotografie, greift auch Bildsprachen der Werbung auf. Indem Kelm Repräsentationsformen des Fotografischen auslotet, verschiebt sie auch deren Koordinaten und verhandelt die Ambivalenz ihrer Bilder stets als Frage des Sehens, nicht des Wissens, wie Jens Asthoff im begleitenden Essay herausarbeitet.

Gerade in Zeiten, in denen der Kunstmarkt boomt, ist es uns wichtig, die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gebrauchsweisen der Fotografie ins Zentrum unserer Überlegungen und die verschiedenen Paradigmen des Fotografischen immer wieder neu zur Diskussion zu stellen. Deshalb verweisen wir Sie auch gerne auf unsere aktuellen Ausstellungen: Die erste Retrospektive von Hans van der Meer (natürlich mit einer Auswahl seiner Fotografien der Unterliga-Fußballvereine) ist bis 31.8. bei Camera Austria im Kunsthaus Graz zu sehen, und „I am not afraid. The Market Photo Workshop, Johannesburg“ – die Ausstellung zur Ausgabe Camera Austria Nr. 100 – wird in der Langhans Galerie in Prag (bis 18.8.2008) gezeigt. Zu einem Besuch der Ausstellungen, aber auch auf unseren Messeständen auf der kommenden Photokina Köln, beim Art Forum Berlin, bei Paris Photo und der Art Basel Miami Beach laden wir Sie herzlich ein.

Christine Frisinghelli
Maren Lübbke-Tidow
Juni 2008

Beiträge

Forum

JAN STRADTMANN

CHRISTOPH BALZAR

JULIA GRÖNING

PAUL HYNES-ALLEN

STAFFORD SMITH

THOMAS HUMERY

MICHAEL GOLDGRUBER

YAEL SCHMIDT

MARKO ZINK

Ausstellungen

Recovered Structures
Whitney Biennial 2008
Whitney Museum of American Art, New York
RACHEL BAUM

Exponential Future
Morris and Helen Belkin Art Gallery, University of British Columbia, Vancouver
CLINT BURNHAM

Art Sheffield 08: Yes, No, Other Options
Sheffield Contemporary Art Forum, Sheffield
BART VAN DER HEIDE

5th Berlin Biennial for Contemporary Art: When Things Cast No Shadows
KW Institute for Contemporary Art, Neue Nationalgalerie, Skulpturenpark Berlin_Zentrum, Schinkel Pavillon
DENISE ROBINSON

4. Triennale der Photographie
Hamburg
Sharon Lockhart
Kunstverein in Hamburg
Secession Wien
MAREN LÜBBKE-TIDOW

Thomas Demand: Camera
Kunsthalle, Hamburg
Peter Fischli, David Weiss: Fragen und Blumen. Eine Retrospektive
Deichtorhallen, Hamburg
KIRSTY BELL

Dem Elend auf den Popo klopfen
Heinrich Zille: Kinder der Straße
Akademie der Künste, Berlin
Lindenau-Museum, Altenburg
Städtische Galerie, Villingen-Schwenningen
ALICE CREISCHER UND ANDREAS SIEKMANN

Die Schweiz ist schön
Hans Finsler und die Schweizer Fotokultur
Museum für Gestaltung Zürich
Stiftung Moritzburg, Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt
FRIEDRICH TIETJEN

The Stamp of Fantasy
Fotomuseum Winterthur
Jeu de Paume, Paris
Museum Folkwang, Essen
STEVEN HUMBLET

Eija-Liisa Ahtila: A retrospective
Jeu de Paume, Paris
K21, Düsseldorf
MAUREEN TURIM

Markus Schinwald
Augarten Contemporary, Wien
Migros Museum für Gegenwartskunst, Zürich
WALTER SEIDL

The Body is a Vessel of Time and Air
Miyako Ishiuchi: Photographs 1976 – 2005
Langhans Galerie, Prag
Foam, Amsterdam
Michael Hoppen Gallery, London
La Filature, Scène nationale, Mulhouse
SABINE SPILLES

Maria Hahnenkamp
Salzburger Kunstverein
ULRIKE MATZER

At Your Disposal
Michael Schuster: For Your Information
Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz
REINHARD BRAUN

Derek Jarman curated by Isaac Julien
Serpentine Gallery, London
Kunsthalle, Wien
MARTIN HERBERT

Blur Life
Chris Marker: A Farewell to Movies
Museum für Gestaltung, Zürich
JOCHEN BECKER

Noh Suntag: Ausnahmezustand
Württembergischer Kunstverein
KATRIN MUNDT

Katastrophenalarm
Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin
Tornado
General Public, Berlin
Ökomedien
Edith-Ruß-Haus für Medienkunst, Oldenburg
KRYSTIAN WOZNICKI

Bücher

Kai-Olaf Hesse: Topography of the Titanic
Belfast Exposed Photography, Belfast
ex pose Verlag, Berlin 2007
ROLF SACHSSE

Helen Levitt
powerHouse Books, Brooklyn 2008
Hatje Cantz, Ostfildern 2008
ANNE BERTRAND

It came from Memphis
Christian Patterson: Sound Affects
Kaune-Sudendorf, Köln 2008
KERSTIN STREMMEL

James Morrison: The cinema of Todd Haynes. All that heaven allows
Wallflower Press, London 2007
ANNETT BUSCH

James Benning
Synema – Gesellschaft für Film und Medien, Wien 2007
KATHRIN PETERS

Marina Grzinic: Re-politicizing Art, Theory, Representation and New Media Technology
Schlebrügge Verlag, Vienna, 2008
WALTER SEIDL

Critical Realism in Contemporary Art. Around Allan Sekula’s photography
Leuven University Press, Leuven 2006
SUSANNE HOLSCHBACH

Linda Hentschel: Bilderpolitik in Zeiten von Krieg und Terror. Medien, Macht und Geschlechterverhältnisse
b_books, Berlin 2008
SUSANNE HOLSCHBACH

Impressum

Herausgeber, Verleger und für den Inhalt verantwortlich: Manfred Willmann. Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA, Labor für Fotografie und Theorie
Alle: Lendkai 1, A-8020 Graz

Redaktion Graz: Christine Frisinghelli, Sabine Spilles
Assistenz: Eva Meran, Heidi OswaldRedaktion Berlin: Maren Lübbke-Tidow

Lektorat: Marie Röbl
Übersetzungen: John Doherty, Don Mader, Wilfried Prantner, Richard Watts