Camera Austria International

73 | 2001

  • PIERRE BOURDIEU
    Ein Interview von Cathren Müller
  • MARTIN HERBERT
    Marine Hugonnier
  • MARINE HUGONNIER
  • ANDREAS REITER RAABE
    Ein Interview mit Sol LeWitt
  • SOL LEWITT
  • KOBENA MERCER
    Postkolonialer Flaneur. Ein Interview mit Iké Udé
  • IKÉ UDÉ
  • STEPHEN WILLATS
    Makro To Mikro. Ein Bericht
  • ROLF SACHSSE
    Marginalien zur Fotografie. Vom Erkennen und Anordnen der Bilder

Vorwort

Die Konzeption jeder Ausgabe von CAMERA AUSTRIA begleitet der Wunsch, den eingeladenen Künstlern und Künstlerinnen größtmöglichen Raum für die Darstellung ihrer Ideen anzubieten und ihren Arbeiten und Konzepten durch Texte, die auf Einladung der Zeitschrift bzw. der KünstlerInnen entstehen, eine theoretische, philosophische oder auch literarische Begleitung anzubieten. Die Konzeption jeder Ausgabe ist aber immer auch mit kritischer Selbstreflexion verbunden: Welche Motive begleiten uns bei der Arbeit an unserer Zeitschrift, und wodurch unterscheiden sich diese zum Beispiel von anderen Medien, die sich ebenfalls der Betrachtung zeitgenössischer Kunst widmen? In den zwanzig Jahren seit Erscheinen der ersten Ausgabe von CAMERA AUSTRIA im Frühjahr 1980 hat sich ein Anliegen sicherlich nicht verändert: die Idee des direkten Austausches mit den Künstlern und Künstlerinnen, sich in den Prozess des Zeitschriften-Machens temporär mit den jeweils eigenen Vorstellungen einzuschalten.
Diese Kontinuität lässt sich nicht nur in den bisher erschienenen 72 Ausgaben ablesen – und ist bis heute speziell durch das Interesse des Künstlers Manfred Willmann, Herausgeber von CAMERA AUSTRIA, in Form von permanenter Korrektur im Sinne seines aufmerksamen Beobachtens unserer „interaktiven“ Arbeitsprozesse gesichert. Diese Kontinuität wird auch vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass sich viele Kooperationen im Anschluss an von uns initiierte Ausstellungsprojekte oder Symposien ergaben: eine Form der weiterführenden Bearbeitung spezifischer künstlerischer Fragen jenseits eines konkreten Ausstellungszusammenhanges, die aber wiederum dem Kuratieren von Ausstellungen nicht unähnlich ist, indem den KünstlerInnen erneut ein Ort geboten wird, sich mit der eigenen Arbeit einzubringen.
In dieser Ausgabe haben wir unter anderem einige Künstler und Künstlerinnen sowie Theoretiker zu Beiträgen eingeladen, die selbst als „Verleger“ tätig sind oder aber sich mit Problemen des Editierens von Büchern auf dem Feld der künstlerischen Produktion beschäftigen: In einem Interview der Soziologin Cathren Müller mit Pierre Bourdieu – das in Fortsetzung des Beitrages von Bourdieu in der letzten Ausgabe von CAMERA AUSTRIA entstanden ist – verweist Bourdieu nicht nur auf sein Selbstverständnis als Soziologe mit politischen Intentionen jenseits akademischer Selbstbespiegelung, sondern plädiert unter anderem auch gegen die Aufgabe öffentlicher Unterstützung für avancierte Kunst wie auch gegen die Aufhebung der Buchpreisbindung: Nur dadurch könne die Autonomie des künstlerischen Feldes sichergestellt werden – eine Autonomie, die vom Neoliberalismus stark in Frage gestellt wird.

Volltext

Camera Austria International 73 | 2001
Vorwort

Die Konzeption jeder Ausgabe von CAMERA AUSTRIA begleitet der Wunsch, den eingeladenen Künstlern und Künstlerinnen größtmöglichen Raum für die Darstellung ihrer Ideen anzubieten und ihren Arbeiten und Konzepten durch Texte, die auf Einladung der Zeitschrift bzw. der KünstlerInnen entstehen, eine theoretische, philosophische oder auch literarische Begleitung anzubieten. Die Konzeption jeder Ausgabe ist aber immer auch mit kritischer Selbstreflexion verbunden: Welche Motive begleiten uns bei der Arbeit an unserer Zeitschrift, und wodurch unterscheiden sich diese zum Beispiel von anderen Medien, die sich ebenfalls der Betrachtung zeitgenössischer Kunst widmen? In den zwanzig Jahren seit Erscheinen der ersten Ausgabe von CAMERA AUSTRIA im Frühjahr 1980 hat sich ein Anliegen sicherlich nicht verändert: die Idee des direkten Austausches mit den Künstlern und Künstlerinnen, sich in den Prozess des Zeitschriften-Machens temporär mit den jeweils eigenen Vorstellungen einzuschalten.
Diese Kontinuität lässt sich nicht nur in den bisher erschienenen 72 Ausgaben ablesen – und ist bis heute speziell durch das Interesse des Künstlers Manfred Willmann, Herausgeber von CAMERA AUSTRIA, in Form von permanenter Korrektur im Sinne seines aufmerksamen Beobachtens unserer „interaktiven“ Arbeitsprozesse gesichert. Diese Kontinuität wird auch vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass sich viele Kooperationen im Anschluss an von uns initiierte Ausstellungsprojekte oder Symposien ergaben: eine Form der weiterführenden Bearbeitung spezifischer künstlerischer Fragen jenseits eines konkreten Ausstellungszusammenhanges, die aber wiederum dem Kuratieren von Ausstellungen nicht unähnlich ist, indem den KünstlerInnen erneut ein Ort geboten wird, sich mit der eigenen Arbeit einzubringen.
In dieser Ausgabe haben wir unter anderem einige Künstler und Künstlerinnen sowie Theoretiker zu Beiträgen eingeladen, die selbst als „Verleger“ tätig sind oder aber sich mit Problemen des Editierens von Büchern auf dem Feld der künstlerischen Produktion beschäftigen: In einem Interview der Soziologin Cathren Müller mit Pierre Bourdieu – das in Fortsetzung des Beitrages von Bourdieu in der letzten Ausgabe von CAMERA AUSTRIA entstanden ist – verweist Bourdieu nicht nur auf sein Selbstverständnis als Soziologe mit politischen Intentionen jenseits akademischer Selbstbespiegelung, sondern plädiert unter anderem auch gegen die Aufgabe öffentlicher Unterstützung für avancierte Kunst wie auch gegen die Aufhebung der Buchpreisbindung: Nur dadurch könne die Autonomie des künstlerischen Feldes sichergestellt werden – eine Autonomie, die vom Neoliberalismus stark in Frage gestellt wird.
Auch die Arbeit des Künstlers Iké Udé ist von politischem Bewusstsein geprägt: Als Begründer und Herausgeber des Magazins aRUDE reagiert er auf künstlerische Weise auf die Kultur der Hochglanzmagazine, ebenso wie er in seiner Serie „Cover Girl“ versucht, über versteckte Andeutungen Antithesen zu den Funktionsweisen dieser Medien zu formulieren. Iké Udé hat für CAMERA AUSTRIA 73 mit seinem Selbstporträt das Cover gestaltet, und auch die sechs neuen Arbeiten der Serie „Beyond Decorum“ sind eigens für CAMERA AUSTRIA entstanden. Stephen Willats ist seit den sechziger Jahren, als Künstler und Herausgeber der Zeitschrift Control Magazine eine kritische Instanz in der britischen Kunst. Seine neueste, die in diesem Heft vorgestellte und über zwei Jahre entwickelte Arbeit „Macro To Micro“ zeigt sein Interesse an gesellschaftlichen Prozessen und deren symbolischer Repräsentation in der Kunst.
Der amerikanische Konzeptkünstler Sol LeWitt gibt in einem Interview, das Andreas Reiter Raabe mit ihm führte, Auskunft über die Entstehungszusammenhänge seiner Künstlerbücher (…). Sie entsprechen in der Gestaltung den formal strengen konzeptuellen Vorgangsweisen des Künstlers, wie sie in seinen Skulpturen, aber auch in seinen Schriften zur Konzeptkunst zum Ausdruck kommen. Sein Gebrauch der Fotografie eröffnet aber auch Möglichkeiten, die zeitliche Dimension, die Narration, in einer Abfolge von Einzelbildern einzuführen, das affektiv-visuelle in der Beschreibung einer Landschaft anzusprechen oder die Emotionalität des Erinnerns in der Beschreibung eines Lebensraumes mit dem konzeptuellen Gestus zu verbinden.
Die französische Konzeptkünstlerin Marine Hugonnier stellen wir in diesem Heft mit ihrer ersten monografischen Veröffentlichung vor. Daran zeigt sich die veränderte Methodik einer jüngeren Generation, die sich mit einer „Konzeptualität der großen Gefühle“ – um einen Titel eines vorausgegangenen Beitrages zu zitieren – beschreiben ließe: ein Bereich in der Kunsttheorie, für den sich ein neues Vokabular zu entwickeln lohnen würde. Marine Hugonnier hat mit ihrem Beitrag, der wie ein Insert funktioniert, auch einen (zumindest auf den zweiten Blick) evidenten Zusammenhang zwischen den einzelnen Beiträgen dieses Heftes aufgegriffen, indem sie mit ihrem Insert einen eigenen „Katalog“ in unserer Zeitschrift entwickelte.
CAMERA AUSTRIA entstand aus einer künstlerisch/strategischen Überlegung, mittels des Mediums „Zeitschrift“ künstlerische – ästhetische wie theoretische – Äußerungen in Umlauf zu bringen. Mittlerweile zählt CAMERA AUSTRIA ein globales Netz von LeserInnen, AutorInnen und KünstlerInnen zu seinen Partnern. Dies zeigt die anhaltende Aktualität des Mediums „Zeitschrift“ und seine Bedeutung für Künstler und Schreibende – und dies auch zeitgleich mit der Intensivierung elektronischer Kommunikation.

Christine Frisinghelli, Maren Lübbke, Februar 2001

Beiträge

Forum

TRISH MORRISSEY

DAN HOLDSWORTH

MARKUS HUEMER

ROLAND ISELIN

ŠEJLA KAMERIĆ

CLAUDIA PILSL

JARO STRAUB

GUDRUN F. WIDLOK

LORETTA LUX

Ausstellungen

Gordon Bleach: Taken from Point G.
University of Florida, Gainesville

Robert Frank: Hold Still – Keep Going
Museum Folkwang, Essen; Museo Nacional, Madrid, et al.
CAROLIN FÖRSTER

Doug Aitken
Wiener Secession, Wien
ANDREAS SPIEGL

Hers – Video als weibliches Terrain: Frauen, Mediengeschichten, Medienräume
steirischer herbst 2000, Landesmuseum Joanneum, Graz
REINHARD BRAUN

Lebt und arbeitet in Wien: Gemeinschaftliches Zelten in der Kunsthalle
Kunsthalle Wien
SØNKE GAU

Vivências / Lebenserfahrung – Kunst aus Lateinamerika
Generali Foundation, Wien
BRIGITTE HUCK

Europäische und amerikanische Fotografie 1998 – 2000: AutoWerke
Deichtorhallen Hamburg
KRYSTIAN WOZNICKI

Helmut Newton: Work
Neue Nationalgalerie, Berlin
CAROLIN FÖRSTER

Jitka Hanzlová: Fotografien
Deichtorhallen, Hamburg; Fotomuseum Winterthur; Stedelijk Museum, Amsterdam
BURCU DOGRAMACI

David Deutsch
Gorney Bravin + Lee, New York
NADJA ROTTNER

Karl-Heinz Klopf / Sigrid Kurz: Expand
Galerie Grita Insam, Wien
RIKE FRANK

Ganz Paris in den Armen der Fotografie
Mois de la Photo, Paris
MARLENE SCHNELLE-SCHNEYDER

STANDORTE: 24. Duisburger Filmwoche
JAN VERWOERT

Christopher Williams: Couleur Européenne, Couleur Soviétique, Couleur Chinoise
Haus Lange, Haus Esters, Krefeld

Hans Schabus: Nur weil ich Paranoia habe, heißt das noch lange nicht, dass mich niemand verfolgt
Galerie Luis Campaña, Köln
MAREN LÜBBKE

Andree Korpys & Markus Löffler
Grazer Kunstverein, Graz
ULRICH TRAGATSCHNIG

Bücher

Best of straight 2000: How we look at it
Oktagon Verlag, Köln 2000
THILO KOENIG

Robert Smithson: Gesammelte Schriften
Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2000
STEFAN NEUNER

Impressum

Herausgeber, Verleger und für den Inhalt verantwortlich: Manfred Willmann. Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA, Labor für Fotografie und Theorie
Alle: Sparkassenplatz 2, A-8010 Graz

Redaktion: Christine Frisinghelli, Maren Lübbke, Edith Winkler
Übersetzungen: Wilfried Prantner, Richard Watts