Tagung: Vision-Producing Machines. Kritische Theorie als Archiv, Album und Atlas
Intro
Freitag, 11. November 2016, 13.30 – 18.00 Uhr
eikones Forum
1980 in Rom produzierte eine kleine Kooperative um die Filmkritiker Michele Mancini (1947–2005) und Giuseppe Perrella (*1947) ein mysteriöses, gleichermaßen elaboriert und mühelos erscheinendes sechshundertseitiges Schwarz-Weiss-Bilderbuch mit dem Titel «Pier Paolo Pasolini: Corpi e Luoghi» (Theorema 1981). In einem seinerzeit vielfältigen Umfeld kultureller und politischer Praxis wurde die Publikation begrüßt als «für die zukünftige Pasolini-Forschung unverzichtbares Mittel.» Vergessen und längst vergriffen ist «Corpi e Luoghi» heute noch immer, wie es damals eine Rezension bezeichnete, «das pasolinischste Buch aller Zeiten.»
1986 publizierten Michele Mancini und Giuseppe Perrella ein kaum weniger aufwendiges Folgeprojekt, wieder einen schweren Bildband mit abermals tausenden von Filmstills: «Michelangelo Antonioni: Architetture della Visione» (Coneditor 1986). In ihrem selbstreflexiven Anspruch problematisieren beide Publikationen sowohl die Beschränkung des Buches als Form, als auch die Frage der «Regression» von Filmbild zum Einzelbild. Mancini/Perrella zufolge handelt es sich hier weder um zweckdienliche Kataloge noch um suggestiv-illustrative Bücher. Das Buch in dieser Form sei kein fertiges Produkt sondern ein Werkzeug zur Herstellung von Bezügen. Hier handle es sich um eine «macchina produttrice di visioni,» um eine «Vision-Producing Machine.»
Wie die beispiellose Anordnung des Materials sind auch die Kommentare aus «Corpi e Luoghi» – kritische Theorie zwischen Gesellschafts- bzw. Ideologiekritik, Psychoanalyse, und Visual Studies – bis heute selbst in Italien weitgehend ohne Rezeption geblieben. Im Frühjahr 2017 erscheint bei Edition Patrick Frey eine von Benedikt Reichenbach herausgegebene quasi-faksimilierte englische Neuauflage von «Corpi e Luoghi,» «Pasolini’s Bodies and Places.» Das Projekt versteht sich als erster Schritt zur Erschliessung dieses Werkes und einer Diskussion von Zusammenhängen nicht nur zu anderen Publikationen von Michele Mancini und Giuseppe Perrella, sondern auch zu einigen weitreichenderen, von den Autoren selbst möglicherweise ungeahnten Zusammenhängen.
Die «Vision-Producing Machine» in Form der beiden Bücher zeichnet eine mehr obsessive denn akademische Variante Kritischer Theorie aus. Unablässig präzise und verspielt zugleich, aus einer tiefen Bewunderung heraus, entspricht jedes der Bücher seinem jeweiligen Objekt: den Filmen von Pier Paolo Pasolini und Michelangelo Antonioni. Im Kontext von Diskussionen um «Montage,» «(Medien-)Archäologie,» «Archiv,» «Album,» und «Atlas» prüft die Tagung den Begriff der «Vision-Producing Machine» als Anker gegenwärtiger Visual Studies. Was sind die Eigenschaften und Besonderheiten dieser Maschine? Was ist hier der Horizont von «Vision»?
Programm
13.30 – 14.00 Benedikt Reichenbach:
Begrüßung und Einführung
14.00 – 15.00 Antonio Somaini:
Archive, Album, Atlas, and the Idea of a «Vision-Producing Machine»
Elena Vogman:«Ein Fächer zyklischer Miniaturen»: Eisensteins «Kapital»-Projekt als Modell für ein Buch
15.00 – 16.00 Benedikt Reichenbach:
Ordnung, Bruch, und Überschwang; «Pier Paolo Pasolini: Corpi e Luoghi» (1981) und «Michelangelo Antonioni: Architecture in Vision» (1986).
Präsentation des Projektes «Pasolini’s Bodies and Places»
Toni Hildebrandt/Simon Vagts: Bild-Text-Konstruktionen in Michele Mancinis «Godard» (1969) und Alessandro Cappabiancas, Michele Mancinis, Umberto Silvas «Costruzione del Labirinto»(1974), mit einem Exkurs zu Pasolinis Eisenstein-Kritik
16.30 – 17.00 Till Gathmann:
Freie Assoziation, Projektion, «Vision-Producing Machines»
17.00 – 18.00 Roundtable:«Vision-Producing Machines,» Perspektiven
Apero