Ausstellungen: »Hans Hansen. Still Life« und »Optical Illusions. Contemporary Still Life« mit Lucas Blalock, Annette Kelm, Antje Peters und Oskar Schmidt
Intro
C/O Berlin präsentiert vom 13. Juli bis 10. September 2017 die Ausstellung Hans Hansen . Still Life. Die Eröffnung findet am Mittwoch, den 12. Juli 2017, um 19 Uhr im Amerika Haus in der Hardenbergstraße 22–24, 10623 Berlin statt.
Ein VW Golf, Baujahr 1988, fein säuberlich und in knapp 7.000 Einzelteile zerlegt, grafisch arrangierte Glasblöcke, der Schattenriss einer Blüte oder die Aufnahme einer japanischen Holzmaske – Hans Hansens Blick auf die Dinge ist stark reduziert, linear und gleichzeitig voller Energie. Industriell hergestellte Produkte, natürliche Dinge und handwerkliche Gebrauchsgegenstände behandelt er stets mit der gleichen Präzision und Hingabe. Technische Genauigkeit und gra scher Minimalismus verleihen den Objekten ein visuelles Leben. Kaum ein anderer Fotograf seines Metiers hat unsere Wahrnehmung der alltäglichen Dingwelt seit den 1960er- Jahren so entscheidend geprägt wie Hans Hansen.
Hansen setzte als einer der ersten Fotografen neue ästhetische Standards in freier wie angewandter Fotografie und schafft es bis heute, beide Felder gleichberechtigt miteinander zu verbinden. 1968 lichtete er einen zerlegten Käfer für die bekannte Volkswagen-Kampagne der New Yorker Agentur Doyle Dane Bernbach ab und setzte dieses Projekt Ende der 1980er-Jahre nochmals mit einem Golf im Auftrag von VW um. Mit dieser Arbeit erlangte er internationale Anerkennung und verknüpfte erstmals Werbefotogra e mit bildender Kunst und Design. Hans Hansen lichtet vorzugsweise „unbelebte“ Dinge ab. Seine Bildgegenstände sind stets radikal isoliert und perfekt ausgeleuchtet – das ist bei Hansen Programm. Unabhängig davon, ob er Produkte für Porsche, Erco oder Vitra fotogra ert, immer ordnet, strukturiert und vergleicht er minutiös die Form, die Farben und das Material der Objekte. Darüber hinaus werden seine Aufnahmen häu g fotogra sch im Positiv-Negativ-Verfahren entwickelt.
Die kontinuierliche Beschäftigung mit Materialien wie Glas und Wasser führte neben Auftragsarbeiten für Tapio Wirkkala zu der Fotosequenz Glaswasser, in der er die beiden organischen Stoffe bildnerisch in Beziehung setzt. Hansens Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Haaren, Körperfalten und Trägerschnecken ebenso wie seine Farbfotogra en von Gemüse, Früchten oder P anzenmodellen visualisieren seine Faszination für die Stof ichkeit der einzelnen Objekte. Hans Hansens typisch minimalistische Licht-Dramaturgie, aus denen er oft grafische Gebilde formt und eigenwillige Architekturen entstehen lässt, zeichnet sein künstlerisches Vorgehen aus. Während er seine Auftragsarbeiten dezidiert im Bereich der angewandten Fotogra e an- siedelt, widmet er sich seit einigen Jahren verstärkt der freien Studiofotogra e und bezeichnet diese gern als Experimentierfeld und kreativen Spielraum. Ein Spiel mit Form und Licht, in dem er die Naturobjekte und menschlichen Artefakte hervortreten lässt.
Mit der Ausstellung Hans Hansen . Still Life widmet C/O Berlin dem vielfältigen Schaffen des deutschen Fotografen eine Werkschau, die sich sowohl mit seinen freien als auch mit angewandten Arbeiten auseinandersetzt. Die Auswahl gibt Einblick in die stof iche, materielle und sinnliche Qualität seiner Objekte, aber auch in die gestalterische sowie technische Bildproduktion und führt durch die Sichtweisen der Sachfotografie von industriellen, handwerklichen wie natürlichen Gegenständen.
Die Ausstellung wurde von Felix Hoffmann und Hendrik Schwantes kuratiert. Begleitend erscheint eine Publikation bei Spector Books, Leipzig, mit Texten von Hartmut Böhme, Hannes Böhringer, Falk Haberkorn, Axel Kufus, Juhani Pallasmaa und Anna Voswinckel.
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C/O Berlin präsentiert vom 13. Juli bis 10. September 2017 die Ausstellung Optical Illusions . Contemporary Still Life mit Arbeiten von Lucas Blalock, Annette Kelm, Antje Peters und Oskar Schmidt. Die Eröffnung findet am Mittwoch, den 12. Juli 2017, um 19 Uhr im Amerika Haus in der Hardenbergstraße 22–24, 10623 Berlin, statt.
Gedeckte Tische, aufwendige Blumenarrangements, prunkvolle Kompositionen aus Büchern, Pokalen, Gläsern und Instrumenten zählen zu den bekannten Motiven des klassischen Stilllebens und gehören seit Jahrhunderten zum Kanon der europäischen Kunstgeschichte. Die einst kostbaren und symbolisch aufgeladenen Objekte sind zunehmend den Alltagsgegen- ständen gewichen. Inzwischen bilden Parfümflaschen, Murmeln, Kaubonbons, Haarsham- poo, Starbucks-Becher und Pizza-Kartons die Objekte heutiger Stillleben.
Das traditionell malerische Sujet erlebt in der zeitgenössischen Fotografie derzeit eine Renais- sance, wobei sich die Grenzen zwischen künstlerisch arrangiertem Stillleben auf der einen und kommerzieller Produktfotografie auf der anderen Seite immer weiter auflösen.
Schon Künstler der 1920er- und 30er-Jahre wie Man Ray, László Moholy-Nagy oder Florence Henri experimentierten im Studio mit der Kleinbildkamera und schufen neue Formen des Still- lebens, die sowohl als künstlerische wie auch als Werbefotografie verwendet wurden. Hans Hansen, dessen Ausstellung Still Life im Dialog zu Optical Illusions . Contemporary Still Life gezeigt wird, führte diese Herangehensweise ab den 1970er-Jahren als künstlerische Pro- duktfotografie erfolgreich weiter. Heute gehören Werbe- und Produktfotografie zum visuellen Alltag unserer digitalisierten Gesellschaft, und damit ist auch das Stillleben für junge Künstler wieder ein attraktives Genre. So werden kunstvolle Arrangements über das abgebildete Sujet hinaus zum Experimentierfeld: Neue technische Möglichkeiten werden ausgelotet, visuelle Codes ad absurdum geführt und unsere Wahrnehmungsgewohnheiten in einer Zeit unter- sucht, in der Bilder zu machen und zu veröffentlichen für fast jeden zum Alltag geworden ist.
Die von Ann-Christin Bertrand kuratierte Ausstellung Optical Illusions . Contemporary Still Life bei C/O Berlin präsentiert mit Werken von Lucas Blalock, Annette Kelm, Antje Peters und Oskar Schmidt vier künstlerische Positionen, die das Genre nicht nur medial neu denken, son- dern auch künstlerisch aktualisieren. Allen gemein ist ihre bestechende Präzision und strenge methodische Formalisierung, mit der sie bildnerische Konventionen auflösen. Indem sie sich einer Rhetorik und Ästhetik der Alltagsfotografie bedienen und gleichzeitig die Mechanismen der Herstellung von fotografischen Bildern hinterfragen, eröffnen sie neue Denk- sowie Wahrnehmungsräume und setzen sich mit den unterschiedlichen Bedingungen der digitalen Bildproduktion und den ästhetischen Normen der Fotografie neu auseinander.
Der amerikanische Fotokünstler Lucas Blalock veranschaulicht in seinen Arbeiten den Arbeitsprozess hinter fotografischen Bildern. Gleichermaßen an der Geschichte wie auch an den Möglichkeiten der Fotografie interessiert, bedient er sich zunächst der klassischen Studiofotografie mit analoger Großbildkamera, scannt anschließend die Negative ein und bearbeitet sie digital weiter. Statt diese digitalen Arbeitsprozesse zu verschleiern, belässt er sie jedoch nachvollziehbar, wodurch eigenartige Zwitterformen zwischen klassischer Objektdarstellung und deren totaler Verfremdung entstehen. Auf diese Weise reflektieren seine Arbeiten nicht nur zeitgenössi- sche Produktionsmethoden fotografischer Bilder, sondern stets auch das Sehen und die hohe Komplexität fotografischer Realität.
Auch Annette Kelm geht es um die Annäherungen an unsere optische Wahrnehmung. Wie schon Elad Lassry oder Roe Etheridge auf die bildnerischen Konventionen der Werbefotografie zurückgreifend, wirken ihre Arrangements im Allgemeinen kühl und kalkuliert. Ihre Fotografien entstehen mit Mitteln der Industrie- und Werbefotografie. Statt jedoch ihre Gegenstände vor neutralem Fond freizustellen, macht Annette Kelm den Hintergrund meistens selbst zum Bildge- genstand. Was sich aus der Realität zu speisen scheint, wird hier zu einer formal ausgearbeite- ten Hyperrealität umgebaut, die dabei ihre Lesbarkeit verliert. Aber gerade die strikte Orientie- rung an formalen Kriterien, der Verzicht auf erzählerische Elemente und die bewusste Irritation durch das Einfügen bildfremder Requisiten lässt den Betrachter ins Leere laufen. So werden ihre Fotografien zu neuen (Denk-)Räumen zwischen Präzision und Mehrdeutigkeit, Raum und Fläche sowie Gegenständlichkeit und Abstraktion.
Antje Peters’ Arbeiten folgen dem Konzept einer ganz bewussten Dekonstruktion der per- fekten Hochglanzfotografie: Teure Kosmetikprodukte werden mit Filzstiften bemalt und zu ei- nem amorphen Bündel mit Klebeband zentral ins Bild gesetzt, bunte Farbstifte mit einer Swatch-Armbanduhr zu einem Paket geschnürt. Ein verschüttetes Glas Wasser, exotische Früchte, Parfüm, Murmeln, Geldscheine und CDs werden mit Kaubonbons, Spielkarten und Haarshampoo eher chaotisch als perfekt choreografiert auf schwarzem Untergrund verteilt – immer geht es um das handwerkliche „Basteln“ hinter der perfekten, glatten und kühlen Er- scheinung digitaler Produktfotografie. Gerade durch dieses künstlerische Aufbrechen bekann- ter visueller Strategien der Werbewelt werden Antje Peters Arbeiten bei C/O Berlin als raumgreifende Stillleben umgesetzt. Auf diese Weise balanciert ihre Präsentation der gerahm- ten Werke zwischen Schaufensterdekoration und Kunstinstallation.
Die klaren und streng reduzierten Bilder von Oskar Schmidt erinnern an klassische Tafelbilder. Sie sind das Ergebnis sorgfältiger Arrangements und zeigen spiegelglatte Oberflächen, ent- rückte Objekte oder isoliert dargestellte Porträts. Schmidt bezieht sich dabei häufig auf Ikonen der Malerei- oder Fotografiegeschichte. Zugleich stehen seine Aufnahmen in direkter Referenz zur sogenannten „stock photography“ – makellose und massenhaft vorproduzierte Studioauf- nahmen, die lizenzfrei und autorenlos auf digitalen Bilddatenbanken stehen oder über Agentu- ren kostenfrei abrufbar sind. Jedoch geht es Schmidt weniger um die perfekte Wiedergabe des Originals oder die Inszenierung des Objektes und der Figuren selbst, sondern um eine fotografi- sche Übersetzung und deren künstlerische Variation. Mit seinen sachlichen und geradezu mini- malistischen Fotoarbeiten entstehen somit Fragestellungen, die über die bloße Abbildungstech- nik der Fotografie hinausgehen.