Ausstellung: Kasia Klimpel. Berge

Intro

Der Tank – Fachhochschule Nordwestschweiz, 3. – 11. 3. 2018

Die Fotografin Kasia Klimpel arbeitet im digitalen Raum. In ihrer neuen Arbeit für die Ausstellung im TANK thematisiert sie diesen als einen öffentlichen Raum. Sie reist im Internet und besucht Webseiten, die mit Webkameras verbunden sind, deren Bilder abgerufen werden können. Sie nutzt diese Kameras, um entlegene Naturräume zu »fotografieren«, in denen sie sich selbst nie aufgehalten hat. Entstanden ist ein Video, montiert aus vielen Einzelbildern von Bergpanoramen, welche in unterschiedlichen Weltgegenden zu verschiedenen Tageszeiten aufgezeichnet und von der Künstlerin archiviert wurden. Klimpel arbeitet nicht mit Webcams, die zur polizeilichen Überwachung und Kontrolle des öffentlichen Raums eingesetzt werden. Mit Kameras ausgestattet werden nicht nur öffentliche Plätze, Flughäfen oder Stadien, sondern auch Wetterstationen, die Daten für Wissenschaft und Wetterdienste sammeln, oder, wie die Arbeit für den TANK zeigt, Ferienorte des Wintertourismus. Somit erinnern die verwendeten Bilder nicht an Überwachungsbilder, sondern an Landschaftsfotografie.

Für ihr Video »Berge« (2018) nutzte Klimpel Aufnahmen aus allen Erdteilen, doch da sich die meisten Kameras, die mit einer Webseite verbunden sind, im hochindustrialisierten und flächendeckend erschlossenen Westen befinden, waren Bilder aus Europa und den Vereinigten Staaten am leichtesten zu finden. Zu sehen sind meist lediglich schneebedeckte Gebirgslandschaften, zusätzliche auf den Originalbildern enthaltene Informationen zu Zeit und Ort der Aufnahmen hat Kasia Klimpel entfernt, nicht aber die bunten Lichtreflexe auf den Kameralinsen. Es sind »zeitlose« Bilder der Natur, die deren Nutzung durch den Menschen nicht thematisieren, aber durch das verwendete Aufnahmeverfahren doch von der Gegenwart handeln. Die gesammelten Bilder unterscheiden sich qualitativ erheblich, da sie von Apparaten verschiedener Generationen und unterschiedlicher Bauart stammen. Die Arbeit mit Webkameras fasziniert die Künstlerin, weil sie Aufnahmen über Raum und Zeit hinweg zusammenführen kann und die Quellen unerschöpflich sind.

Kasia Klimpel studierte zunächst in den Niederlanden Fotografie. Das weiterführende Studium am Institut Kunst in Basel schloss sie 2012 mit einem Master ab. Schon während ihres Studiums interessierte sie sich für die Frage, ob und wie sich die technologische Entwicklung im digitalen Zeitalter auf die Fotografie auswirkt. Sie arbeitete an einem Projekt, das über verschiedene Zwischenschritte 2015 zu der Ausstellung »The Grand Tour« führte, einer Zusammenarbeit zwischen dem Fotomuseum Winterthur und dem Musée de Bagnes in dem Walliser Dorf Le Châble. Klimpel verwendete damals Fotografien ihrer Collagen aus farbigen Papieren, die Landschaften evozieren. Es sind Bilder, die sich dem menschlichen Auge sofort als Montagen zu erkennen geben. Diese speiste die Künstlerin ins Internet ein. Melanie Bühler, die Kuratorin der Ausstellung, beschreibt das Vorgehen der Künstlerin im Katalog wie folgt: »Sie verlinkt sie [die Aufnahmen] mit fiktiven Geo-Daten und fingiert so eine geographische Verortung. Auf passende Farbgebung und Bildkomposition achtend, bettet sie die Bilder in bestehende Landschaften von Google Maps ein und taggt die Bilder mit den entsprechenden Koordinaten.«

Für diesen Vorgang arbeitete Klimpel mit der Web-Applikation Panoramio, welche es den Usern ermöglichte, Bilder online zu teilen. Google hat Panoramio inzwischen übernommen und durch das eigene Produkt Views – Google Maps ersetzt. Klimpel wollte untersuchen, ob die Fotografien ihrer aus einfachen Materialien gebastelten Landschaften im digitalen Raum als solche erkannt und enttarnt würden und welche ihrer gefälschten Landschaftsbilder im digitalen Raum als Fotografien tatsächlicher Landschaften identifiziert würden und folglich als Landschaftsaufnahmen im Internet von den Usern gefunden werden könnten. Sie analysierte das Repertoire der am häufigsten im Netz verbreiteten Landschaftsbilder und speiste den digitalen Raum mit Imitaten. Es sind Artefakte ohne Referenten im physischen Raum,
die meisten werden von Google als Imitate erkannt und nicht auf Google Maps am angeblichen Aufnahmeort verzeichnet. Nicht wenige dieser Bilder gelangten aber auf die digitalen Landkarten – vermutlich jene, die den Parameter von Google entsprechen.

Der TANK ist ein verglaster, von aussen gut einsehbarer Raum, den man nicht verdunkeln kann. In diesem hellen, in jeder Hinsicht für eine Videoprojektion ungeeigneten Raum zeigt Klimpel ihr neues Video »Berge« (2018). Sie montierte das über lange Zeit gesammelte Material zu einem bewegten Bild, das in seiner Struktur der Logik des Farbkreises folgt und zugleich einen Tagesverlauf nachvollzieht. Der Film evoziert einen besonderen Raum und eine besondere Zeit. Um vor Ort den räumlichen Aussenbezug zu aktivieren, wählte die Künstlerin eine spezielle Präsentationsform: Die Projektion wird in der Mitte der Ausstellungshalle auf einer gekrümmten Stellwand gezeigt. Die Wand ist ein Kreissegment, dessen Grösse an der Raumdiagonale orientiert ist und die den Blick somit über die architektonische Begrenzung des TANKS hinaus in den städtischen Raum führt. Klimpel zeigt uns mit Berge ein generisches Landschaftsbild, das der romantischen Bildtradition verpflichtet ist und dennoch eine universelle, planetarische Dimension im digitalen Raum zur Anschauung bringt.

Die Ausstellung ist die zweite Schau in einer 2017 begonnenen Reihe mit Arbeiten von Alumni des Institut Kunst der HGK FHNW in Basel. Nach der Ausstellung »8/1/D999R« von Werner von Mutzenbecher (2.–10. Dezember 2017), die dem künstlerischen Schaffen des früheren Dozenten gewidmet war, ist nun erstmals eine neue, für den TANK konzipierte Arbeit einer ehemaligen Studentin zu sehen. Kasia Klimpel studierte 2010–2012 im Master-Programm des Institut Kunst.

Roman Kurzmeyer