Presseinformationen
Camera Austria International 125 | 2014
Infos
Präsentationen:
13. 3. 2014, 6 p.m.
Magazine Release at Camera Austria, Graz
15. 3. 2014, 12 – 9 p.m.
it’s a book, Leipzig
10. 4. – 13. 4. 2014
Art Cologne, Hall 11.3, Art Papers
25. 4. – 27. 4. 2014
Art Brussels
25. 4. – 27. 4. 2014
Paris Photo Los Angeles
Pressedownloads
Pressetext
Seit 1988 sind drei Beiträge zu Nan Goldin in unserer Zeitschrift erschienen – ein Brief von Christine Frisinghelli an die Künstlerin (1988), das Faksimile eines handschriftlichen Nachrufs auf Cookie Mueller (1992) und erst 1995 in der Ausgabe Nr. 50 ein Text von Peter Schjeldahl über ihre Porträts. In bemerkenswerter Weise widersetzte sie sich damit der Verknüpfung von Text und Bild, wie sie für Camera Austria International charakteristisch ist. Erstmals im Zusammenhang mit der Ausstellung und dem Symposion »Zeitgenossenschaft« publiziert, in denen es auch um eine »Radikalisierung des Persönlichen in bezug auf Wirklichkeit« ging, behaupten diese Beiträge von heute aus betrachtet ihre Präsenz nach wie vor über den Widerstand gegenüber einer diskursiven Verwertungslogik. Der Künstler Tobias Zielony – Gastredakteur der Nr. 114/2011 – hat Nan Goldin im Jänner 2014 in Berlin zu einem Gespräch getroffen, das nun nach vielen Jahren wieder einen Kontext für ihre Arbeiten eröffnet. Aber auch in diesem Gespräch geht es nicht primär um Fotografie oder Kunst, es geht um Menschen, deren Geschichten und Schicksale, um Drogen, Liebe, um AIDS.
Ausgangspunkt der vorliegenden Ausgabe ist ein Teil der Geschichte der Institution Camera Austria selbst. 1989 gab es vom Kulturreferat der Stadt Graz das Angebot, aus Anlass »150 Jahre Fotografie« mit größeren Projekten den Stellenwert der zeitgenössischen Fotografie in Graz zu unterstreichen. Es entstand zunächst die Ausstellung »Stadtpark Eins«, die, begleitet von der gleichnamigen Publikation, jene KünstlerInnen präsentierte, die im Umfeld des Forum Stadtpark Graz arbeiteten, zu dem damals auch Camera Austria gehörte. Darüber hinaus hatte der Herausgeber Manfred Willmann die Idee, FotokünstlerInnen, die durch »einen als wesentlich befundenen Beitrag […] in der Zeitschrift in ihrem Erscheinungszeitraum seit 1980« (so das Statut) mit Camera Austria verbunden sind, mit einem Preis zu würdigen (deren es damals auch international kaum welche gab). Der Camera Austria-Preis für zeitgenössische Fotografie der Stadt Graz konnte schließlich 1989 erstmals überreicht werden – an Nan Goldin. Seitdem wird der Preis alle zwei Jahre von einer internationalen Jury vergeben.
Alle KünstlerInnen, die wir neben Nan Goldin in dieser Ausgabe (erneut) vorstellen, haben diesen Preis erhalten: Seiichi Furuya (1993), Allan Sekula (2001) und Joachim Koester (2013). Seiichi Furuya gehört selbst zu den Gründungsmitgliedern von Camera Austria; 1975 kam er über Wien nach Graz und beteiligte sich bald am Ausstellungsprogramm im Forum Stadtpark. Ein Porträt seiner Frau Christine ist auf dem Cover der ersten Ausgabe von Camera Austria abgebildet. Das autobiografische Archiv, das zwischen 1978, als die beiden sich kennenlernten, und Christines Selbstmord 1985 entstand, bildet den Kern der Arbeit Furuyas. Maren Lübbke-Tidow schreibt allerdings über eine andere zentrale Arbeit, die in den Jahren 1981 bis 1983 in Österreich entstanden ist. »Staatsgrenze« kann als ein Versuch gelesen werden, den Raum zu vermessen, in den ihn die Migration nach Europa geführt hat, wo er nun seit mehr als 35 Jahren lebt, aber immer auch ein Fremder geblieben ist. Zwischen diesen Bildern und der Gegenwart liegt mittlerweile nicht nur ein erheblicher zeitlicher Abstand – es handelt sich geradezu um einen anderen (nationalen) Raum, in dem die Grenze ihre vormalige Bedeutung vielleicht nicht verloren, zumindest aber eminent verändert hat. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Arbeit an Aktualität, gerade indem sie es ermöglicht, unterschiedliche Konzepte von Grenze aufeinander zu projizieren.
Dass Allan Sekula für unsere Arbeit eine wichtige Rolle spielt, zeigt sich auch daran, dass zwischen 1988 und 2002 vier Beiträge von ihm in unserer Zeitschrift erschienen sind. 1996 stand sein zentrales Projekt »Fish Story« (1995) im Mittelpunkt des gemeinsam mit ihm konzipierten Symposion über Fotografie XVI. Die Verknüpfung von Fotografie und Ökonomie in vielen seiner Projekte – von »Aerospace Folk Tales« (1973) bis hin zu »TITANIC’s wake« (2000) – hat Fotografie selbst immer auch als eine Form der Produktion mitgedacht. In seinem bedeutendsten Essay, »Der Handel mit Fotografien« (1981, dt. 2002), formuliert Sekula diese grundsätzliche Frage: »Kann die traditionelle fotografische Darstellung, ob symbolisch oder realistisch, die alles beherrschende Logik der Warenform, der Abstraktion des Tausches, die die Kultur des Kapitalismus durchzieht, überschreiten?« Seine Kritik an Fotografie implizierte somit eine Kritik kapitalistischer und post-kapitalistischer Gesellschaft. Vielleicht ist das der Grund, weshalb seine Arbeit in den USA bisher kaum auf Resonanz gestoßen ist, wie aktuell auch Benjamin Buchloh beklagte: »The very criteria of this exclusion give us an astonishing insight, underscoring the fact that total depolitization appears to be the precondition of cultural recognition […].« (Artforum International, Jänner 2014). Da seine politisierende Art und Weise, das fotografische Bild zu denken, in unserer Zeitschrift bereits mehrfach nachzulesen ist, haben wir Kaucyila Brooke, langjährige Freundin und Kollegin Sekulas am California Institute of the Arts, gebeten, einen sehr persönlichen Text über die Arbeit von Allan Sekula zu schreiben.
Auch die künstlerischen Arbeiten von Joachim Koester, aktueller Preisträger des Jahres 2013, haben uns als Referenz in den letzten Jahren gedient. 2006 und 2009 haben wir die Serien »Histories« (2003 – 2005) und »Morning of the Magicians« (2005) in einem zweiteiligen Ausstellungsprojekt zum Konzeptuellen in der Fotografie gezeigt. Dabei standen Fragen über das Verhältnis von Bild und Wissen, Bild und Geschichte im Vordergrund. Durch diese Verhältnisse lässt sich auch die Arbeit Joachim Koesters kennzeichnen, geht es doch in verschiedenen Projekten der letzten Jahre immer wieder darum, vernachlässigte, fast vergessene Ereignisse oder historische Zusammenhänge der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts wieder aufzugreifen. So spielt in seinen Arbeiten oftmals das Obskure, Irrationale, das Unbewusste oder Verdrängte der Entwicklung der Moderne eine Rolle: Spiritualismen, Okkultismen, Drogen, gescheiterte Projekte. Doch geht es ihm nicht allein darum, diese »andere« Seite der Moderne (erneut) sichtbar zu machen, sondern ihre Bedeutung für das, was wir Moderne nennen, hervorzukehren. Dies gilt auch für die Serie »Some Boarded Up Houses« (2009 – 2014): »Koesters Projekt […] macht […] die Überschneidung von räuberischen Kreditvergabepraktiken, spekulativem Kapitalismus und einem US-spezifischen Umgang mit dem Kauf, Verkauf und der Akzeptanz von Schulden an konkreten Orten fest«, wie Dan Byers in seinem Text über diese Arbeit schreibt.
Mit dieser Ausgabe beginnt Alanna Lockward ihre Serie von Essays, die über das ganze Jahr hinweg die Kolumne bilden werden. Ihr Projekt einer »Dekolonialen Ästhetik/Aisthesis« und damit verbunden einer Dekolonisierung des Blicks scheint uns bereits in dieser Ausgabe einen wichtigen erweiterten Rahmen für die Diskussion der Moderne und ihrer Produktion von Sichtbarkeiten zu bilden.
Mit der Herausgabe der 125. Ausgabe unserer Zeitschrift ist es wieder einmal höchst an der Zeit, unseren AbonnentInnen und LeserInnen sowie unseren Anzeigenkunden zu danken, dass sie nach wie vor unser Interesse an den spezifischen Fragestellungen teilen, die sich so nur in der Verbindung zwischen Fotografie und Kunst gewinnen lassen, wie wir glauben – und die nach wie vor in den Raum der Zeitschrift übersetzt werden können, obwohl dieses Medium in die Jahre gekommen und von zahllosen Online-Publikations- und -Distributionsformen umzingelt zu sein scheint. Wir schätzen an dieser Arbeit nach wie vor die Verbindlichkeit gegenüber künstlerischen Positionen sowie die Möglichkeit, ein Feld des Visuellen und des Wissens in dieser Form zu organisieren.
Reinhard Braun
und das Camera-Austria-Team
März 2014
Bildmaterial
Die honorarfreie Veröffentlichung ist nur in Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ausstellung und die Publikation gestattet. Wir ersuchen Sie die Fotografien vollständig und nicht in Ausschnitten wiederzugeben. Bildtitel als Download unter dem entsprechenden Link.