What Was Documentary Is Now Something Else
Infos
Ausstellungsorte:
Österreichisches Kulturforum Prag Fotograf Gallery & Galerie Školská 28, Prag
Eröffnung: 1.10.2015, 18:00
Zeitraum: 1.10. – 31.10.2015
KünstlerInnen:
Philip Gaißer
Michael Höpfner
Helmut & Johanna Kandl
Stephanie Kiwitt
Markus Krottendorfer
Tatiana Lecomte
Koproduktion Fotograf Festival 2015 »Documentary Strategies« und Österreichisches Kulturforum Prag. http://fotografestival.cz
Intro
Die Krise des Dokumentarischen, die in einer Zeit formuliert wird, in der mehr Bilder als jemals zuvor produziert und in Umlauf gebracht werden, hat möglicherweise mit der mittlerweile ebenso viele Jahre andauernden Krise der geltenden politischen, sozialen und ökonomischen Übereinkünfte zu tun. Damit geraten automatisch die Übereinkünfte über verschiedene Arten der Wissensproduktion ins Wanken. Wenn somit die Herstellung von Verbindlichkeit über Ereignisse der Gegenwart bestenfalls schwierig erscheint, kommt möglicherweise einer Art »Archäologie« der Gegenwart verstärkt Bedeutung zu. Dokumentarische fotografische Praktiken können dann nicht länger als – mehr oder weniger reflexive – Praktiken von Repräsentation verstanden werden. Möglicherweise bringt diese Kollision etwas an den Bildern zum Vorschein, von dem wir heute noch nicht genau wissen, wie wir es bezeichnen sollen, something else / etwas anderes…
Volltext →What Was Documentary Is Now Something Else
Es ist schwierig geworden, sinnvoll über das Dokumentarische der Fotografie zu sprechen angesichts des Mißtrauens, das den fotografischen Bildern entgegengebracht wird, angesichts der Skepsis gegenüber dem Sichtbaren und seinen Möglichkeiten, etwas »Wirkliches« zu zeigen. Einerseits glaube niemand mehr an eine Wahrheit der Bilder, andererseits wurde davor gewarnt, sich in einem Leerlauf der Reflexivität über ihre Konstruiertheit zu verlieren. Darüberhinaus lässt sich bezweifeln, ob das Dispositiv der dokumentarischen Bilder selbst überhaupt visuell ist, sind sie doch stets von Texten umgeben, von Erzählungen, Narrativen, Kommentaren, Erklärungen, Erinnerungen, Wissen, Konventionen, Geschichte, Glauben usw. Die Bilder selbst sind dabei lediglich ein Teil von Strategien, sich auf etwas Wirkliches zu beziehen. Es reicht nicht mehr aus, sie zu erkennen oder ihre Bedeutung zu entschlüsseln, es erscheint wichtiger zu erkennen, wie sie diese Bedeutung artikulieren. Dabei sind sie immer auch mit »etwas anderem« verknüpft, das sich der Sichtbarkeit entzieht, das durch die Sichtbarkeit vielleicht sogar verdeckt wird. Diese Krise des Dokumentarischen, die in einer Zeit formuliert wird, in der mehr Bilder als jemals zuvor produziert und in Umlauf gebracht werden, hat möglicherweise mit der mittlerweile ebenso viele Jahre andauernden Krise der geltenden politischen, sozialen, ökonomischen Übereinkünfte zu tun. Wenn somit die Herstellung von Verbindlichkeit über Ereignisse der Gegenwart bestenfalls schwierig erscheint, kommt möglicherweise einer Art »Archäologie« der Gegenwart verstärkt Bedeutung zu. Damit geraten automatisch die Übereinkünfte über verschiedene Arten der Wissensproduktion ins Wanken. Dokumentarische fotografische Praktiken können dann nicht länger als – mehr oder weniger reflexive – Praktiken von Repräsentation verstanden werden. Sie sind unter diesen Voraussetzungen vielmehr in Produktionszusammenhänge involviert, die nicht nur die Bedingungen ihrer Repräsentation, sondern vor allem auch die Bedingungen und die Kontexte ihres Entstehens und Erscheinens ins Kalkül ziehen. Welchen Recherchen, Archiven, Erinnerungen, Vermutungen und Geschichten verdanken sie ihre Anordnung? Wie sind sie an die Körper und Räume ihrer ProduzentInnen gekoppelt? Wie rekonstruieren sie Sichtbarkeit? Welchen Dispositiven der Repräsentation verdanken sie ihre Herstellung? Wie konstruieren sie die Räume ihrer Wahrnehmung? In welche Geschichten involvieren sie sich, welche Erinnerungen rekonstruieren sie? Wir müssen somit unseren Blick auf Bilder überdenken, ihre Rolle und ihre Bedeutung immer wieder neu entwerfen. »Die Bilder stoßen aufeinander, damit die Worte zum Vorschein kommen können, die Worte stoßen aufeinander, damit die Bilder zum Vorschein kommen können, Bilder und Worte kollidieren, damit das Denken seinen Ort im Visuellen hat.« (Georges Didi-Huberman) Möglicherweise bringt diese Kollision etwas an den Bildern zum Vorschein, von dem wirheute noch nicht genau wissen, wie wir es bezeichnen sollen, something else/ etwas anderes… Die Ausstellung wurde auf Einladung des Fotograf Festival in Prag entwickelt, das im Jahr 2015 seinen Schwerpunkt im Bereich des Dokumentarischen der Fotografie haben wird. Die Ausstellung von Camera Austria – die neben dem Festival auch mit dem Österreichischen Kulturforum in Prag koproduziert wird – wird als zentrale Ausstellung des Festivals gezeigt und versucht, anhand aktueller künstlerischer Positionen mit einem Schwerpunkt auf österreichischen KünstlerInnen neue Formen des dokumentarischen Arbeitens im Bereich zeitgenössischer Fotografie zu vermitteln. Die dabei gezeigten Projekte artikulieren Interventionen in das Dispositiv, ohne selbst notwendiger Weise als dokumentarisch zu erscheinen.