Stadtpark Zwei

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Graz, 1997
deutsch
95 Seiten
27 cm x 21 cm
57 SW-Abbildungen, Duoton, 31 Farbseiten
106 Farbabbildungen

Edition Camera Austria

ISBN: 3-900508-18-6

Mit einem Text von Reinhard Braun.
Fotoarbeiten von: Max Aufischer, Petar Dabac, Seiichi Furuya, Klaus Hartl, Erich Kees, Elisabeth Kraus, Horáková & Maurer, Erich Lázár, Branko Lenart, Inge Morath, Eva Maria Ocherbauer, Michael Schuster, Christian Wachter, Manfred Willmann.

Beschreibung

Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf ein Ausstellungsprojekt von CAMERA AUSTRIA aus dem Jahr 1989 – „Stadtpark eins“ nahm die Adresse des Forum Stadtpark zum Ausgangspunkt einer Präsentation künstlerischer Arbeiten mit Fotografie, die in engem Zusammenhang und Austausch mit diesem Ort entstanden waren: 1975 eröffnete Manfred Willmann nach einjähriger Ausstellungstätigkeit im Grazer Café „Schillerhof“ die „Fotogalerie im Forum Stadtpark“, ab 1980 bestätigt die Herausgabe der Zeitschrift CAMERA AUSTRIA INTERNATIONAL (gemeinsam mit Christine Frisinghelli) bereits die Kontinuität einer Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Fotografie, die von Beginn an die internationale Fotografie – nicht zuletzt durch das „Symposion über Fotografie“ seit 1979 – in die Definition der eigenen Positionen und Perspektiven miteinbezog, eine Auseinandersetzung, die seitdem die Fotografie nach möglichen Funktionen nicht nur innerhalb der Kunst, sondern als wichtiges Medium zeitgenössischer Kultur insgesamt befragt. Vor diesem Hintergrund blieb eine Perspektive auf Fotografie wesentlich, die nicht auf eine definitorische Verengung des Begriffs „künstlerischer Fotografie“ abzielt, sondern, im Gegenteil, auf eine breite Reflexion von Fotografie als visuelles Medium der Repräsentation, Interpretation und Infragestellung der Gegenwart. Diese Reflexion bezieht sich sowohl auf medienimmanente und kulturkritische Aspekte wie auf die sich ständig verändernde Position des (künstlerischen) Subjekts, seiner sozialen wie diskursiven „Rahmungen“.

Wenn sich also die Ausstellung „Stadtpark zwei“ als neuerliche Momentaufnahme solcher Funktionen und Positionen in und durch Arbeiten von Mitgliedern des Referats Fotografie des Forum Stadtpark präsentiert, lassen sich diese Positionen dennoch nicht auf gemeinsame Themen oder Konzepte reduzieren, sie veranschaulichen aber die Kontinuität eines zumindest „parallelen Denkens“ über Fotografie: das Offenhalten eines Raumes möglicher Standpunkte und Konzepte als Resultate unterschiedlicher Zugänge, Schwerpunkte und Thematisierungen. Die Ausstellung umfaßt dementsprechend verschiedene, durchaus divergierende ästhetische Konzepte und methodische Ansätze, die auf JE VERSCHIEDENE BEGRIFFE DES FOTOGRAFISCHEN BILDES zielen: dokumentarische Serien, quasi „konzeptuelle Dokumentationen“, die nicht nur an einer Verbildlichung von Wahrnehmungsräumen, der je eigenen Lebenswelt oder aber von konkreten Umständen der Lebensgeschichte oder der Gesellschaft arbeiten, sondern auch an einer Positionierung des wahrnehmenden und damit visuell selektierenden Subjekts selbst, d. h. an der Konkretion eines Standpunktes der Wahrnehmung der Welt, der in und durch die Bilder lesbar und damit erst eigentlich bezeichenbar wird; daneben finden sich dezidierte Inszenierungen dieses Autorensubjekts als Teil der Bildwelten, als Projektion in diese Bildwelten; es finden sich installative Arbeiten, die eine Transformation der Bilder in Objekte vollziehen, wodurch die Bilder eine Ordnung der Dinge simulieren bzw. diese wie eine Haut überziehen; darüberhinaus zeigt die Ausstellung Arbeiten, die an der Schnittstelle zwischen ästhetischer Konstruktion und ihrer gleichzeitigen inhaltlichen Aufladung angesiedelt sind, die das Bild als Transformation des Blicks in eine immer auch ästhetische Ordnung präsentieren; schließlich bilden Thematisierungen fotografischer Methoden selbst einen wichtigen Teil dieser Ausstellung: diese beziehen sich aber nicht nur auf technische Aspekte, sondern auch auf methodische Positionen von Bedeutungserzeugung und historische Kontexte dieser Bedeutungen – eine Befragung der Bilder als Teil ihrer „Oberflächen“.

Eine solche summarische Darstellung von Strategien am und mit dem fotografischen Bild, wie sie in dieser Ausstellung präsentiert werden, zeigt einmal mehr, daß es bei der künstlerischen wie theoretischen Reflexion über Fotografie als Bildmedium gerade darum geht, die Differenzen, die Verschiebungen und Abweichungen herauszuarbeiten, die nicht nur das Repräsentationsmedium Fotografie gegenüber dem Realen kennzeichnen, sondern auch die (ständig erweiterte und sich verändernde) Geschichte der Fotografie selbst betreffen – Verschiebungen und Differenzen, die eine laufende Überarbeitung der eigenen Position notwendig machen, wie auch die Fotografie selbst im Rahmen der fast vollständig visualisierten Gegenwartskultur einer permanenten Umarbeitung und Verschiebung ihrer funktionalen wie ästhetischen Stellung unterworfen ist. Gerade auch im Zusammenhang mit dokumentarischen Ansätzen, wenn sozusagen ein „Realismus“ im Spiel ist, ein Realismus, der längst durch Fotografie selbst mitdefiniert wird, sind solche Umdeutungen und Verschiebungen mitzubedenken: die Bedeutung von ästhetischen Formen und Rhetoriken bleibt nicht konstant, sondern ist in jeweils neuen Kontexten auch anders zu bewerten.

Somit ist sowohl die Arbeit an den technisch-medialen wie methodischen Voraussetzungen der Fotografie als auch das Beharren auf Repräsentationsstrategien, das Entwickeln von (seriellen) Bildfolgen als Konstruktion einer Erzählung, die nicht nur durch die Bilder selbst sondern auch durch die Leer- und Fehlstellen definiert wird, gegenwärtig nur mehr innerhalb einer Rückkoppelung zwischen Realem, Bild und Bildern zu analysieren und herzustellen: Der Definitionszusammenhang medienreflexiver, inszenatorischer wie repräsentativer („realistischer“) Konzepte ist nicht mehr nur ein angenommenes Reales oder aber das theoretische Aufzeichnungssystem Fotografie selbst ? jede Entscheidung für eine Darstellung bewegt sich immer schon „entlang“ von historischen wie aktuellen Bildkonzepten und Methoden, die, wie es Vilém Flusser ausgedrückt hat, begonnen haben, unsere Vorstellungen von der Welt umzucodieren. Der fotografische Diskurs, wie er sich seit über 150 Jahren vollzieht, hat die Wahrnehmung der Welt in eine Wahrnehmung verwandelt, die bereits in Funktion der technischen Bilder stattfindet. Jede Befragung von möglichen Funktionen der Fotografie heißt heute demnach immer auch, nach den zu konstruierenden „Orten“ zu fragen, von denen aus (technische, fotografische) Bilder Bedeutungen erzeugen, ein „Unwahrscheinliches“ zur Erscheinung bringen können, ein Unwahrscheinliches nicht in bezug auf Wirklichkeit allein, sondern vor allem in bezug auf die fotografische Interpretation dieser Wirklichkeit. Dabei erscheint wesentlich, daß selbst durch dieses „Unwahrscheinliche“ keine vollständige Beschreibung möglich ist, sondern immer ein „Rest“ zurückbleibt, der im und durch das Bild selbst nicht aufgelöst werden kann. Fotografische Bilder zu lesen bedeutet somit, einem Modell, einer Beschreibung zu folgen, die nicht nur durch die Bilder selbst bestimmt wird, sondern auch durch die Leerstellen, die Fehlstellen und Ausblendungen einer solchen „Erzählung“.