Presseinformationen
Camera Austria International 136 | 2016
Infos
9. – 11. 12. 2016
Release, Friends with Books, Berlin
26. – 29. 1. 2017
artgenève, Genf
24. – 26. 2. 2017
LA Art Book Fair, Los Angeles
Pressedownloads
Pressetext
Wenn Gesellschaft ihre typische Prägung an ihren Rändern erfährt, eine Idee, die wir in der letzten Ausgabe aufgegriffen haben, so gilt dies umso mehr für die fotografischen Bilder selbst. In dieser Ausgabe interessieren wir uns für die Übergänge des Fotografischen ins Performative, für die Passagen der Fotografie in die Dispositive des Kinos und des Videos, die beide selbst in einem permanenten Prozess der Umarbeitung stehen. Was erwartet uns an den Rändern der Bilder? Werden die Bildregime selbst nicht immer mehr von Paradigmen bestimmt, die selbst außerhalb des Visuellen liegen? Lassen sich an den Spuren der Überlagerungen und Kollisionen zwischen verschiedenen Bildregimen Antworten finden auf diesen Determinismus?
Amie Siegels Arbeiten verdeutlichen vielleicht am klarsten die Idee einer Durchquerung: Der Marmor, der im Dorset Mountain in Vermont abgebaut wird, landet schließlich in den Designer-Küchen der Spekulationsobjekte der amerikanischen Upper Class – die Bedeutungsverschiebung eines Materials, seine Verwandlung und Umarbeitung als Metapher für eine Strategie der Umwandlung des Visuellen selbst? Schließlich, wie Adam Kleinman schreibt, stehe das Interesse an dem, als was sich ein Objekt ausgibt, sowie an dessen meist von irgendeiner Inschrift abgeleiteten Sinn und Zweck in der Welt im Mittelpunkt von Amie Siegels Werk.
Auch die aktuelle Arbeit von Pauline Boudry und Renate Lorenz,»I WANT«, überwindet einen Abstand beziehungsweise überquert einen Raum der Differenzen: Texte der Punk-Poetin Kathy Acker werden mit Chats und öffentlichen Äußerungen der Whistle-blowerin Chelsea Manning kombiniert. Das »Ich« der Protagonistin der gefilmten Performance – die Künstlerin Sharon Hayes – scheint in einem post-identitären Raum-Zeit-Gefüge gefangen zu sein, in dem sie mit verschiedenen Identitäten jongliert, ein »temporärer Drag«, wie es E. C. Feiss bezeichnet, durchdrungen von vagabundierendem Vokabular und Ensembles ästhetischer Strategien.
»Aus verschiedenen Weltgegenden zusammengetragene Meteoriten, Zwielichte, Kasuare, Geister, Flusspferde und Primaten erinnern an alte Laboratorien und begründen eine Archäologie des Unbekannten«, wie es Gonçalo Pena zu den Arbeiten von João Maria Gusmão und Pedro Paiva bemerkt. Jedoch sind die Akkumulation der Objekte und die Überlagerungen der Bilder auf eine prinzipielle Unabgeschlossenheit hin entworfen, gegen jede Teleologie – ein Furor der Öffnung der Bilder und Objekte, westlichen logischen Strukturen der Verknüpfung und Kausalität entgegenarbeitend.
Auch in der Arbeit von Maya Schweizer sieht Andreas Prinzing das Prinzip der Überlagerung als Kern des formalen Verfahrens wie auch der Bedeutungsproduktion am Werk. Ihre filmischen Arbeiten umkreisen Fragen von Geschichte, Identität und Erinnerung, die mit Räumen und deren Wahrnehmung verbunden sind. Ihre Filmbilder wie ihre Fotografien setzen diese Räume in Bewegung, als Ausgangspunkte – oder Verdichtungen – sozialer Prozesse und kollektiver Handlungsweisen.
»Jedes Bild trägt – mal offen, mal eher verdeckt – den Schatten seiner Vergangenheit und medialen Migration mit sich«, schreibt Volker Pantenburg über die aktuelle Arbeit von Matthias Müller. Gesammelt aus Online-Streams privater Chaträume beschreibt »While You Were Out« eine Abwesenheit, einen Moment der Unterbrechung der Streams – zurück bleiben die Sitzgelegenheiten der ProtagonistInnen einer zugleich unheimlichen wie banalen Online-Präsenz. Sprechen diese Bilder nun von Präsenz oder Absenz, oder, im Hinblick auf unser Interesse in dieser Ausgabe an Überlagerungen und Kollisionen zwischen verschiedenen Bildregimen, durchqueren sie nicht einen Raum der Unbestimmtheit, markieren Ränder visueller Dispositive, von denen aus sie erneut und anders in den Blick genommen werden können?
Reinhard Braun
und das Camera-Austria-Team
September 2016
Cover: Pauline Boudry & Renate Lorenz, Still aus: Opaque, 2014. Installation, Super 16mm, HD video (colour, sound), 10’. Performance: Ginger Brooks Takahashi, Werner Hirsch. Courtesy: die Künstlerinnen, Marcelle Alix, Paris, Ellen de Bruijne Projects, Amsterdam.
Bildmaterial
Die honorarfreie Veröffentlichung ist nur in Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ausstellung und die Publikation gestattet. Wir ersuchen Sie die Fotografien vollständig und nicht in Ausschnitten wiederzugeben. Bildtitel als Download unter dem entsprechenden Link.