Presseinformationen
Camera Austria International 146 | 2019
Infos
Präsentationen
1. – 15. 6. 2019
Liste, Basel
1. 7. – 31. 7. 2019
Fotohaus der ParisBerlin>fotogroup, Les rencontres de la photographie, Arles
Pressetext
Das Naheverhältnis von Fotografie und Literatur steht in der Sommerausgabe von Camera Austria International im Mittelpunkt. Die hier versammelten Beiträge loten teils literarisch, teils fotografisch aus, was sich an den Schnittstellen beider Medien abspielt und welche Erzählungen daraus entstehen. Dokumentarische Aufnahmen entfalten sich dabei zu abenteuerlichen Narrativen über die deutsche Geschichte oder zu absurd anmutenden Szenen des Häuslichen, während literarische Texte wiederum die Poetik des fotografischen Bildes greifbar machen.
Écrire la vie – das Leben schreiben – ist der 2011 im Verlag Gallimard erschienene Band betitelt, der einen Großteil der bis dahin publizierten Texte der französischen Schriftstellerin Annie Ernaux versammelt. Das autobiografische Schreiben ihres Lebens geschieht in vielen dieser Bücher nicht ausschließlich auf textlicher Ebene, sondern auch über das Medium Fotografie, das teils auf den Seiten sichtbar in Erscheinung tritt, teils in seinem Inhalt sowie seiner Materialität von der Autorin beschrieben wird, um den Leser*innen einen bestimmten Moment vor Augen zu führen und dem Vergangenen Gestalt zu verleihen. »Sie vertritt literarisch denselben Realitätsanspruch wie die analoge Fotografie, indem sie das Dagewesensein des Referenten beschwört, um es einer soziobiografischen Lektüre zu unterziehen«, schreibt Katharina Sykora in ihrer Analyse fotografischer Verfahren in den Büchern Ernaux’.
Eine andere Form des Narrativs entwickeln die Arbeiten des Künstlers Jens Klein, für die er auf Aufnahmen aus öffentlichen wie privaten Archiven zurückgreift und diese aus ihrem historischen und sozialen Zusammenhang herausnimmt. Christin Müller geht in ihrem Beitrag Kleins Umgang mit Archivfotografien nach und arbeitet heraus, wie sich aus dieser Entkontextualisierung der Einzelbilder und ihrer seriellen Neuanordnung teils spekulative Geschichten über die Vergangenheit entspinnen, die den dokumentarischen Charakter der Aufnahmen bisweilen nivellieren: »Es manifestiert sich ein Vakuum, das danach drängt, von uns mit Geschichten angefüllt zu werden. Die Bilder werden so zu Reflexionsflächen für ein fiktives Geschehen, das wenig mit der Vergangenheit und viel mehr mit unserer Vorstellungskraft zu tun hat.«
Die amerikanische Lyrikerin Eileen Myles hat für Camera Austria International einen Beitrag mit dem Titel »der aufzug« (2019) entwickelt, der in einem Zusammenspiel von Bild und Text Szenen des Alltäglichen, von Myles’ Umgebung und ihrem Zuhause zusammenführt. Myles, die in Instagram »die andere Seite von Lyrik« sieht, bemüht sich in diesen Aufnahmen nicht, das Besondere des Alltags herauszuarbeiten, sondern sie zeigt ihn in seiner offensichtlichen Banalität in schnellen, technisch unvollkommenen Bildern. »Ich glaube, dass ich das, was ich in Gedichten mache, auch in Fotografien mache, nämlich das Anliegen verfolgen, dass sie ein Gefühl des Sich-durch-die-Welt-Bewegens wiedergeben – mit Dingen, die eigentümlich und eher indirekt als geradeheraus verstanden werden.«
Joanna Piotrowska fokussiert in ihrer fotografischen Praxis, der präzise choreografierte Inszenierungen zugrunde liegen, auf familiäre Strukturen, alltägliche Gesten und darauf, wie diese in politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Zusammenhänge verstrickt sind. Alexander García Düttmann begibt sich in seinem Textbeitrag in die von Piotrowska abgebildeten Räume, Gesten und Strukturen und geht der Frage nach, wie die Gegenwart in der Gegenwartskunst zu definieren sei: »Diese Künstlerin bringt das fotografische Zeigen bis an die Grenze unumstößlicher Evidenz, und zwar umso mehr, als die Bilder häufig nicht eine Anwesenheit, sondern eine Abwesenheit indizieren.«
Christina Töpfer und das Team von Camera Austria
Juni 2019
Cover: Jens Klein, k. A., aus der 19-teiligen Serie: Balloons, 2013. Pigmentdruck, 40 × 30 cm. Basiert auf einer Fotografie aus dem Archiv des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU-Archiv).
Bildmaterial
Die honorarfreie Veröffentlichung ist nur in Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ausstellung und die Publikation gestattet. Wir ersuchen Sie die Fotografien vollständig und nicht in Ausschnitten wiederzugeben. Bildtitel als Download unter dem entsprechenden Link.