Presseinformationen

once documentary

Infos

mit
Sven Augustijnen (BE)
Eric Baudelaire (FR)
Peggy Buth (DE)
Maryam Jafri (US)

Eröffnung
5.6.2014, 19:00
im Rahmen von CMRK

Ausstellungsdauer
6.6.–7.9.2014

Öffnungszeiten
Di–So 10:00–17:00

Erweiterte Öffnungszeiten bis 21:00
26.6.2014
10.7.2014
4.9.2014

Pressetext

Die Debatten um Dokumentarismen im Kunstfeld waren in den letzten Jahren ein immer wiederkehrender Anlass, um kritisch die Rolle und die Funktion auch fotografischer dokumentarischer Bilder innerhalb gegenwärtiger Bildregimes zu reflektieren. Einerseits glaube niemand mehr an eine Wahrheit der Bilder, andererseits wurde davor gewarnt, sich in einem Leerlauf der Reflexivität über ihre Konstruiertheit zu verlieren. In den (auch relativ neuen) Massenmedien wechseln dokumentarische Bilder ungehemmt zwischen den Registern von Fiktion, Authentizität und Fetisch, zwischen Beweis und Manipulation, Kritik und Affirmation und durchqueren verschiedenste und gegensätzliche Kontexte. Diese Medien produzieren auch nach wie vor Bilder, in denen sich Ereignisse und Geschichte zu verdichten scheinen, die immer und immer wieder gezeigt und mitunter zu Ikonen werden.
Doch handelt es sich bei dieser Zirkulation kaum jemals um ein Dispositiv der Bilder allein, sind sie doch nahezu immer von einem Gerücht, einer Kommunikation, von verschiedenen Informationskanälen und vor allem von Erzählungen, Kommentaren und Texten gerahmt. Das Dispositiv der – dokumentarischen – Bilder ist selbst nicht visuell. »Es gibt kein authentisches Gebilde wie die Fotografie; es gibt nur eine Vielzahl von Praktiken und historischen Situationen, in denen der fotografische Text produziert, in Umlauf gebracht und eingesetzt wird«, schreibt Stuart Hall 1984. »once documentary« interessiert sich für Praktiken und Situationen, in denen das dokumentarische Bild auftaucht und eingesetzt wird, als Vehikel, Markierung, Anmerkung, Verweis oder als Platzhalter für eine Leerstelle, die nicht besetzt werden kann.
Dieter Roelstraete hat 2009 vom »historiographic turn in art« gesprochen, von der auffälligen – wenn nicht obessiven – Beschäftigung zeitgenössischer Kunst mit Archivieren, Vergessen, Erinnerung, Rückschau, Neudeutung und Wiederaufführung, kurz: mit der Vergangenheit. An dieser Stelle interessiert diese Diagnose vor allem deshalb, weil damit auch der Umstand beschrieben ist, dass Bildproduktion immer auch ihr Verhältnis zu einer Erzählung und jenen Mechanismen mitzudenken hat, die diese Erzählung konstruieren, mit Glaubwürdigkeit ausstatten und somit autorisieren. Nun hat die Beschäftigung mit Geschichte weniger mit Nostalgie zu tun, als mit einer Neuüberprüfung der Fundamente der Gegenwart – in Zeiten einer auf Dauer gestellten Krise. Die permanente Infragestellung des dokumentarischen – fotografischen – Bildes hat somit mit einer Krise der Glaubwürdigkeit und der geltenden – politischen, sozialen, ökonomischen – Übereinkünfte zu tun. Wenn die Herstellung von Verbindlichkeit über Ereignisse der Gegenwart bestenfalls schwierig erscheint, kommt einer Art »Archäologie« der Gegenwart verstärkte Bedeutung zu. Damit geraten automatisch die Übereinkünfte über verschiedene Arten der Wissensproduktion ins Wanken. Und Dokumentarismus kann dann nicht länger als eine selbstverständliche Praxis der Wahrnehmung und des Blicks (Begriffe, die selbst kaum jenseits von Fragen nach Macht und Kontrolle gedacht werden können) verstanden werden, als eine Praxis, zum richtigen Zeitpunkt ein Bild zu »schießen«, Augenzeuge zu sein (wovon?). Dokumentarismus beschreibt unter diesen Voraussetzungen der »Unschärferelation« (Hito Steyerl) vielmehr eine Praxis, die die Bedingungen dieser Bilder ins Kalkül zieht, eine Praxis, die das dokumentarische Bild aus seiner Fixiertheit auf Fragen der Theorie der Bilder in einen Zusammenhang mit Theorien von Gesellschaft, Theorien von Geschichte und Theorien über das Politische verschiebt: Was wird erinnert? Was kann über Geschichte anhand von Bildern gewusst werden? Welche Texte werden um diese Bilder geschrieben? Die KünstlerInnen der Ausstellung beziehen sich in unterschiedlicher Weise auf diese Fragen nach der Konstruktion von Geschichte und damit eines kollektiven Wissens.
Der Titel »once documentary« bedeutet nicht, das Dokumentarische hinter sich lassen zu können, es bedeutet aber, Wirklichkeiten – auch historische – als etwas zu verstehen, das im Konflikt um ihre Bedeutungen konstruiert wird, ein Konflikt, dem auch das unterworfen ist, was zu sehen gegeben wurde und wird. Denn nach wie vor ist Repräsentation »ein politischer Vorgang und beinhaltet die Macht, Bedeutungen sowohl der Welt wie des eigenen Ortes in ihr zu erzeugen« (John Fiske). Die künstlerischen Beiträge der Ausstellung drehen sich alle um diese Frage der Macht, Bedeutungen zu erzeugen, Geschichte zu schreiben, festzuschreiben und damit andere mögliche Bedeutungen, andere mögliche Geschichten zu unterdrücken. Das Dokumentarische ist dann keine Formation von Bildern, sondern vor allem eine Praxis der Wissensproduktion, die von uns fordert, dass wir nicht nur sehen, sondern dass wir einen Erkenntnisprozess durchlaufen (Elizabeth Cowie): Bilder, verstrickt in eine Aussage oder einen Diskurs, durch welchen die Wirklichkeit als wissbar konstruiert wird und diese uns als – umstrittenes – Wissen zu erkennen gegeben wird. »Die Gegenwart so zu montieren, dass sie auch anders denkbar wäre, die Zeit aus ihrer Taktung zu lösen, das wäre heute die Aufgabe einer dokumentarischen Sprache der Dinge. Der Gegenstand des dokumentarischen Bildes ist daher weder sein Objekt noch die Realität als solcher, sondern die Gegenwart, die es an ihnen aufblitzen lassen kann.« (Hito Steyerl)
Sven Augustijnen
Am 17. Januar 1961 wird der erste demokratisch gewählte Minis-terpräsident der Demokratischen Republik Kongo, Patrice Lumumba, Panafrikanist und Führer der Unabhängigkeitsbewegung, exekutiert. Wenig mehr als ein halbes Jahr zuvor, am 30. Juni 1960 hatte die Republik ihre Unabhängigkeit von der ehemaligen Kolonialmacht Belgien erlangt. In die Ermordung sollen sowohl der belgische Staat, das Bergbauunternehmen Union Minière, die Vereinten Nationen und vor allem die Vereinigten Staaten involviert gewesen sein, da die – vermeintlich kommunistisch orientierte – Politik Lumumbas den Einfluss der westlichen Mächte im Kongo zu verringern drohte.
In seinem Projekt »Spectres« (2011) versucht Sven Augustijnen, die Geschichte dieser Ermordung zu rekonstruieren, die bis heute von der – barbarischen – Rolle Belgiens als ehemalige Kolonialmacht des Kongo überschattet ist. Ein Untersuchungsausschuss der belgischen Regierung, dessen Ergebnisse 2001 veröffentlicht wurden, vermochte dies auch nicht aufzuklären und rang sich lediglich dazu durch zu bekennen, »dass bestimmte Mitglieder der belgischen Regierung und andere belgische Akteure eine moralische Verantwortung für die Umstände haben, die zum Tod Lumumbas führten.«
Im Mittelpunkt von »Spectres« steht der gleichnamige, 100-minütige Dokumentarfilm, der sich wiederum um Jacques Brassinne de La Buissière dreht, einen hohen belgischen Beamten im Kongo zur Zeit der Ermordung Lumumbas. Dieser hat ein umfangreiches Buch veröffentlicht, in dem er im Wesentlichen zu dem Schluss kommt, dass es »eine Affäre unter Kongolesen« war. Der Film folgt den Erzählungen und Gesprächen Brassinnes, dokumentiert u.a. eine Reise zur Witwe Lumumbas, vor allem aber den Versuch, den genauen Ort der Exekution bis hin zu jenem Baum aufzufinden, an den Lumumba gebunden wurde und an dem er Spuren von Einschusslöchern zu finden glaubt. Sich zunächst völlig auf Brassinne als Protagonisten einlassend, enthüllt der Film nach und nach dessen Obsession, die Unschuld der damaligen belgischen Administration, der er selbst angehörte, und damit zugleich des heutigen belgischen Staates zu belegen. Eine Obsession, die dem Wunsch folgt, die koloniale Geschichte endlich hinter sich zu lassen, die – politischen, rassistischen, nationalistischen – »Gespenster« (spectres) zu begraben, die nach wie vor den fragilen Zusammenhalt zwischen der gesellschaftlichen Elite und den post-kolonialen ImmigrantInnen bedrohen. »Spectres« umfasst neben dem Film ein ebenfalls 2011 publiziertes Buch mit umfangreichem Quellenmaterial sowie weitere durch zahlreiche Recherchen zusammengetragene Bücher, Zeitschriften, Tonaufnahmen, Fotografien und Archivmaterial.
Das Projekt dreht sich ganz wesentlich um die Möglichkeit der °– verbindlichen – Rekonstruktion von Geschichte. Die immer wiederkehrende Faktizität bzw. der Wunsch, Fakten zu ermitteln und somit eine Wahrheit zu etablieren, lässt dieses Begehren nach Objektivität als ein Phantasma erscheinen, das das Begehren selbst in den Mittelpunkt rückt. Das historische Narrativ zu kontrollieren bedeutet demnach auch, die Bedeutung dieser Ereignisse für die Gegenwart zu kontrollieren bzw. zu unterdrücken. Doch, wie wir seit Langem wissen, kehrt das Unbewusste immer zurück. Die Gespenster des Kolonialismus bevölkern nach wie vor die gegenwärtige Sprache, soziale Hierarchien, und kontrollieren damit nach wie vor die Produktion von Sichtbarkeit.

Eric Baudelaire
In ähnlicher Weise bezieht sich Eric Baudelaire in seinem Projekt »Anabasis« (2011) auf eine unterdrückte Geschichte – jene der im Libanon aktiven Japanese Red Army. Fusako Shigenobu war eine Führerfigur der Studentenbewegung im Japan der Nachkriegszeit und Mitglied der – am deutschen Vorbild orientierten – Roten Armee Fraktion. Um die Revolution zu internationalisieren, nahm sie 1971 Kontakt mit der Palästinensischen Befreiungsfront auf und reiste erstmals in den Libanon. Sie gründete dort die Japanische Rote Armee und verbrachte fast 30 Jahre im Exil, bis sie im Jahr 2000 an Japan ausgeliefert wurde. May, ihre Tochter, sah in diesem Jahr zum ersten Mal Japan. Als Off-Stimme erzählt sie über die Jahre im Exil, die vielen Übersiedlungen und die Einsamkeit.
Masao Adachi wiederum begann in den 1960er Jahren, im Rahmen studentischer Filmklubs an der Formulierung eines radikalen Kinos zu arbeiten. Nach seiner umstrittenen Teilnahme am Film Festival in Cannes 1971 reiste auch er in den Libanon, um dort an »Red Army/PFLP: Declaration of World War« zu arbeiten, einem Film, dessen Aufruf zum bewaffneten Widerstand er selbst 1974 folgte, als er der von Shigenobu gegründeten Japanischen Roten Armee beitrat und das Filmemachen beendete. 2001 wurde er für 18 Monate inhaftiert und anschließend nach Japan ausgewiesen. Masao Adachi lebt heute in Japan, ohne Pass und ohne Möglichkeit, das Land zu verlassen.
»The Anabasis of May and Fusako Shigenobu, Masao Adachi and 27 Years Without Images« (2011), der Film, der im Zentrum von Baudelaires Projekt steht, dreht sich um Exil, Revolution, Landschaft und Erinnerung. Alain Badiou hat in seinem Buch Das Jahrhundert (2006) das Motiv der »Anabasis« als Bewegung des 20. Jahrhunderts beschrieben, als Heimkehr zur Herkunft, als harte Konstruktion der Neuheit, als exilierte Erfahrung des Beginns. Diese »Anabasis« geht auf einen antiken Mythos zurück, der vom Zusammenbruch jeder Ordnung handelt und von einer Gruppe von Kriegern, die einen verschlungenen Heimweg antritt, der erst im Nachhinein als geglückte Rückkehr erzählt werden kann. Baudelaire nimmt dieses Motiv zum Ausgangspunkt, um die Irrfahrt, die Ziellosigkeiten und Zügellosigkeiten des sozialistischen Projekts des 20. Jahrhunderts zu thematisieren, das durch ein quasi universalisiertes, neoliberales Gesellschaftsmodell nach 1989 nicht nur zum Verschwinden gebracht, sondern gemeinsam mit jeder Alternative als Totalitarismus stigmatisiert wurde.
Diese – politische und ja, auch gewalttätige – Geschichte ist zu einem Ende gekommen, stillgestellt, zur Unbeweglichkeit verurteilt. Baudelaire dreht für Adachi jene Bilder im Libanon, die jener imaginiert, die für ihn aber unerreichbar bleiben. Eine Utopie, die sich buchstäblich außer Reichweite befindet und zu einem Ende gekommen ist. Der Film ist jedoch keinesfalls eine Romantisierung bewaffneten Widerstandes – er erzählt die Geschichte eines Scheiterns, einer Irrfahrt, die nicht als geglückte Rückkehr bezeichnet werden kann. Gleichzeitig werden die ProtagonistInnen zu einer Metapher für das Scheitern einer Utopie des 20. Jahrhunderts, eine andere Form von Politik und Gemeinschaft nicht nur zu erdenken, sondern auch zu verwirklichen. Ist das Jahrhundert jemals heimgekehrt?

Peggy Buth
Am 22. Oktober 1904 wurde das »Städtische Völkermuseum« in Frankfurt/Main eröffnet. Museumsgründer und erster Museumsdirektor war Bernhard Hagen, der 1900 bereits die »Frankfurter Anthropologische Gesellschaft« gegründet hatte. Während seiner Tätigkeit als Tropenarzt auf Sumatra und Papua Neuguinea entstand ein umfangreiches Archiv an Fotografien, die er unter anderem 1906 in seinem Buch Kopf- und Gesichtstypen ostasiatischer und melanesischer Völker veröffentlicht hat. Peggy Buth hat zu Beginn des Jahres 2014 ein umfangreiches Projekt für das Weltkulturen Museum in Frankfurt realisiert, wie das Museum heute heißt, in dem sie sich unter anderem auf dessen Bildarchiv der Missionare bezieht.
In Fortführung dieses Projekts »Wir Alle. Trauma, Verdrängung und Gespenster im Museum« produziert die Künstlerin für »once documentary« eine neue Arbeit, die Paare von Fotografien zeigt, die aus der Sammlung des Museumsgründers Bernhard Hagen stammen. Dieser hat viele seiner PatientInnen fotografiert, zumeist frontal als Porträt und ein zweites Mal von der Seite. Peggy Buth hat diese Aufnahmen in zweifacher Weise überarbeitet: Zum einen hat sie den Hintergrund hervorgehoben, zum anderen hat sie offensichtlich die Porträts in Schattenrisse verwandelt. Jede Individualität ist aus den Bildern entfernt, lediglich der Hintergrund der Schattenrisse verweist auf konkrete Situationen, die manches Mal einen Innenraum erkennen lassen, ein anderes Mal wie ein Atelier aussehen.
Der vermessende, taxierende und klassifizierende Blick hat nichts anderes hervorgebracht als kolonialisierte Subjekte, die einer Typologie unterworfen werden, die Gegenstand einer Forschung sind, die jedoch nicht als Subjekte in Erscheinung treten. Gleichzeitig markieren diese Fotografien als Schattenrisse einen dominanten Blick, ein dominantes Blickregime, das dieses Verschwinden betreibt – die Macht eines Blickes, die zu sehen gibt, die eine Sichtbarkeit erzeugt, die diejenigen, die sie erfasst und gleichzeitig unterwirft, immer schon in etwas Abwesendes, Verfälschtes, Verschlossenes verwandelt. Peggy Buth markiert – unter anderem – die Leerstellen dieser Repräsentation: die leere Stelle derjenigen, die den Ort des Subjekts nicht einnehmen können und die Leerstelle desjenigen, der diese Stelle nicht als Ort einer Subjektivierung – und also Repräsentation – wahrnehmen kann. Bereits Abigail Solomon-Godeau hat gefragt, ob der dokumentarische Akt nicht einen doppelten Akt der Unterjochung impliziert: erstens in der sozialen Welt, die die Opfer hervorgebracht hat; und zweitens im Regime des Bildes selbst, das innerhalb desselben Systems und für dasselbe System produziert wird, welches die Bedingungen, die es (re-)produziert, schafft. Die Intervention Buths schafft einen exemplarischen Raum dafür, in dem Sehen als zirkulierende Macht wahrgenommen werden kann, welche diejenigen, die sie unterwirft, buchstäblich nicht sehen kann, in »Gespenster« verwandelt: Wiedergänger, deren Anwesenheit lediglich durch Nicht-Repräsentation ermöglicht wird. Letztendlich geht es um ein Verfahren, die Anwesenheit dieser Gespenster in ihrer Abwesenheit zu rekonstruieren, damit aber auch die ver- und abgeschlossene Geschichte ihrer Repräsentierbarkeit neu zu öffnen, eine uneingelöste Vergangenheit, die weder abgehakt werden kann noch überwunden ist.

Maryam Jafri
»In 1995, Mark Getty and Jonathan Klein founded Getty Images to bring the fragmented stock photography business into the digital age. And thatʼs exactly what they did. We were the first company to license imagery online—and have continued to drive the industry forward with breakthrough licensing models, digital media management tools and a comprehensive offering of creative and editorial imagery, microstock, footage and music.« Beim Recherchieren auf der Getty Images-Website stieß Maryam Jafri auf Bilder, die sie aus dem staatlichen Archiv Ghanas kennt, als sie für ihr Projekt »Independence Day 1936 – 1967« (seit 2009) recherchierte. Die Informationen, die Getty zu diesen Bildern veröffentlicht, stimmen allerdings nicht mit jenen aus Ghana überein. Dies ist umso mehr augenfällig, als es sich nicht um beliebige Bilder handelt, sondern um Aufnahmen am Unabhängigkeitstag der afrikanischen Republik. Als die Künstlerin weiterforscht, findet sie immer mehr divergierende Informationen und auch Manipulationen an den Bildern selbst. Auf dieselben Differenzen stößt sie auch im Online-Katalog der Corbis Corporation: »Corbis ist ein Anbieter kreativer Ressourcen für Kunden aus Werbung, Marketing und dem Medienbereich mit einer umfassenden Auswahl an Fotos, Illustrationen, Filmmaterial und Schriften für die weltweite Lizenzierung.« Beide Konzerne haben in den letzten Jahren zahlreiche Bildarchive weltweit aufgekauft, um sie kommerziell zu verwerten. Unter anderem hat Corbis 1999 die Pariser Agentur Sygma um 20 Millionen Dollar gekauft, Getty wiederum ein Archivkonglomerat wie Hulton Deutsch im Jahr 1996 um 17 Millionen Dollar. Durch diese Akkumulation an (auch historischen) Bildern verfügen die Konzerne in vielen Bereichen über eine monopolartige Kontrolle darüber, welche Bilder in Umlauf geraten und welche Geschichte über diese Bilder konstruiert werden kann. Allan Sekula spricht in seinem einflussreichen Essay »The Body and the Archive« vom Archiv als einem Wahrheitsapparat, der nicht allein durch das Visuelle beschrieben werden kann. Im Laufe der Zeit umgibt diesen Wahrheitsapparat ein Dispositiv der Beherrschung, des Besitzes und der Aneignung, das durch private Unternehmen dominiert wird. Das Archiv ist ein privatisierter Wahrheitsapparat geworden.
Jafri stellt in ihren »Versus«-Serien (2012) jeweils die verschiedenen Bildversionen der Archive zueinander, begleitet von einem Text, der Auskunft über die Beschriftung auf deren Rückseiten gibt und zum Teil den Weg des Bildes in die privaten Archive rekonstruiert. Während die Bilder selbst ungerahmt gezeigt werden, wird dieser Text gerahmt präsentiert. Die Bedeutung der die Bilder umgebenden Texte wird durch diese Art der Präsentation betont – erneut geht es um die Konstruktion von Wissen und Geschichte.

Bildmaterial

Die honorarfreie Veröffentlichung ist nur in Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ausstellung und die Publikation gestattet. Wir ersuchen Sie die Fotografien vollständig und nicht in Ausschnitten wiederzugeben. Bildtitel als Download unter dem entsprechenden Link.

  • Sven Augustijnen, Still aus / from: Spectres, 2011. Courtesy: Jan Mot, Brussels / Mexiko City.
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  • Sven Augustijnen, Still aus / from: Spectres, 2011. Courtesy: Jan Mot, Brussels / Mexiko City.
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  • Eric Baudelaire, Still aus / from: The Anabasis of May and Fusako Shigenobu,
    Masao Adachi and 27 Years Without Images, 2011. Super 8 mm, 66'.
    Courtesy: Galerie Greta Meert, Brussels.
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  • Eric Baudelaire, Still aus / from: The Anabasis of May and Fusako Shigenobu,
    Masao Adachi and 27 Years Without Images, 2011. Super 8 mm, 66'.
    Courtesy: Galerie Greta Meert, Brussels.
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  • Peggy Buth, Ghostly Matters, aus / from: Politics of Selection – Blanks / Shifter, 2014. Courtesy: KLEMM'S Berlin.
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  • Peggy Buth, Stars, aus / from: Politics of Selection – Blanks / Shifter, 2014.
    Courtesy: KLEMM'S Berlin.
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  • Maryam Jafri, Detail aus / from: Getty vs. Ghana, 2012.
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