Camera Austria International

105 | 2009

  • KIRSTY BELL
    Susanne Winterling
  • SUSANNE WINTERLING
  • JOSEF STRAU
    Susanne Winterling
  • GÜNTHER HOLLER-SCHUSTER
    Bilder auf Reisen. Ernst Koslitschs Fotografie als Modell der Bildwerdung der Welt
  • ERNST KOSLITSCH
  • FRITS GIERSTBERG
    Hans van der Meer. Arbeit und Spiel
  • HANS VAN DER MEER
  • ALICE CREISCHER, ANDREAS SIEKMANN
    Das Generalgespenst. Über das Verhältnis von Bildproduktion, Hegemonie und Gewalt II

Vorwort

Wir freuen uns, Ihnen das erste Heft des Jahrganges 2009 vorzustellen, für das wir drei KünstlerInnen eingeladen haben, unseren LeserInnen Einblick in ihr Werk zu geben. Diese Künstlerbeiträge werden durch begleitende Essays ergänzt, die das jeweilige Werk inhaltlich wie methodisch verorten, gleichzeitig aber auch wesentliche Aspekte einer allgemeinen Debatte um das fotografische Bild zur Diskussion stellen.

In seinem Text über den Künstler Ernst Koslitsch weist Günther Holler-Schuster der bildenden Kunst eine Art Brückenfunktion zu. Ernst Koslitsch versucht, den schmalen Grat zwischen äußeren und inneren Bildern auszuloten, indem er vertraute Elemente der uns umgebenden Wirklichkeit in seinen Fotografien in Zustände lenkt, die rätselhaft-surreal erscheinen. Dies gelingt ihm durch bewusst lücken- oder fehlerhafte Rekonstruktionen des Gesehenen in rohen Modellen, die er in einem weiteren Prozess für eine fotografische Aufnahme in Szene setzt. Die Modellhaftigkeit und die Ungenauigkeit der sich auf dem Fotopapier abbildenden Situation legen dabei offen, wie sehr jedes Bild ein Täuschungspotenzial in sich trägt. Die imaginären Situationen, die Koslitsch uns mit seinen Bildern zu sehen gibt, thematisieren vor allem die Komplexität des Vorgangs der Bildwerdung und können im weitesten Sinne als eine Form der Repräsentationskritik am fotografischen Bild verstanden werden.

Volltext

Camera Austria International 105 | 2009
Vorwort

Wir freuen uns, Ihnen das erste Heft des Jahrganges 2009 vorzustellen, für das wir drei KünstlerInnen eingeladen haben, unseren LeserInnen Einblick in ihr Werk zu geben. Diese Künstlerbeiträge werden durch begleitende Essays ergänzt, die das jeweilige Werk inhaltlich wie methodisch verorten, gleichzeitig aber auch wesentliche Aspekte einer allgemeinen Debatte um das fotografische Bild zur Diskussion stellen.

In seinem Text über den Künstler Ernst Koslitsch weist Günther Holler-Schuster der bildenden Kunst eine Art Brückenfunktion zu. Ernst Koslitsch versucht, den schmalen Grat zwischen äußeren und inneren Bildern auszuloten, indem er vertraute Elemente der uns umgebenden Wirklichkeit in seinen Fotografien in Zustände lenkt, die rätselhaft-surreal erscheinen. Dies gelingt ihm durch bewusst lücken- oder fehlerhafte Rekonstruktionen des Gesehenen in rohen Modellen, die er in einem weiteren Prozess für eine fotografische Aufnahme in Szene setzt. Die Modellhaftigkeit und die Ungenauigkeit der sich auf dem Fotopapier abbildenden Situation legen dabei offen, wie sehr jedes Bild ein Täuschungspotenzial in sich trägt. Die imaginären Situationen, die Koslitsch uns mit seinen Bildern zu sehen gibt, thematisieren vor allem die Komplexität des Vorgangs der Bildwerdung und können im weitesten Sinne als eine Form der Repräsentationskritik am fotografischen Bild verstanden werden.

Susanne Winterling arbeitet mit ihren Bildern an anderen Rändern der Geschichte: Sie entwirft mit ihren Fotografien, Filmen, Installationen und Performances ein Referenzgewebe, in dem scheinbar surreale, bisweilen grotesk anmutende Erzählungen mäandern und sich verflüchtigen. Ein Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Arbeit, in die Kirsty Bell einführt, ist die Beschäftigung mit historischen Frauenfiguren und ihrer Marginalisierung in der (Kunst)geschichte, bzw. ihrem Verschwinden, ohne diese Bezüge jedoch direkt offen zu legen. Josef Strau beschreibt die Herangehensweise Winterlings an ihre Themen als Formen von Identitätsüberblendungen, mit denen sich Bezüge zur sozialen Gegenwart insbesondere von Künstlerinnen herstellen lassen.

“Arbeit und Spiel” war der Titel der retrospektiven Ausstellung, die Hans van der Meer im vergangenen Jahr bei Camera Austria gezeigt hat. In diesem Jahre der Fussball-Europameisterschaft wäre es naheliegend gewesen, diese Ausstellung auf Van der Meers wohl bekanntestes Projekt zu beschränken, in dem der Fußball im Mittelpunkt steht. Diese Fotografien bilden so etwas wie das internationale Label Hans van der Meers, aber auch seine street credibility in der Welt der Unterliga-Fußballvereine, denen sein Interesse und seine Zuneigung gehört. Im Gegensatz dazu wurde versucht (wie auch sein Beitrag zu diesem Heft dokumentiert), seine Arbeit seit Mitte der 1980er Jahre im Zusammenhang zu zeigen und inhaltliche wie methodische Gemeinsamkeiten herauszustellen. Auf interessante Weise nähert sich Frits Gierstberg in seinem Essay dem Werk Van der Meers vor dem Hintergrund des Paradigmenwechsels in der zeitgenössischen Fotografie der 1980er Jahre, in dem das Primat des Augenblicks dem des Raumes wich, durch den Distanz zu einem zentralen Begriff, auch im Werk Hans van der Meers, wurde.

Alice Creischer und Andreas Siekmann setzen in dieser Ausgabe den zweiten Teil ihrer Kolumne fort, in der sie das Verhältnis von Bildproduktion, Hegemonie und Gewalt reflektieren. Die Konzeptionen des Universalmuseums in Dubai und des neuen Nationalmuseums in Peking, deren geplante Präsentationen zur europäischen Kultur auch in Kooperation mit den gewichtigen deutschen Nationalmuseen realisiert werden sollen, sind den beiden Autoren Anlass, eine – wieder erstarkende – spezifisch deutsche Argumentation für eine Kulturnation, die sich aus einem historischen 19. Jahrhundert-Hegemoniebewusstsein speist, zu untersuchen.

Mit dem vorliegenden Heft beendet Maren Lübbke-Tidow ihre Tätigkeit als Redakteurin von Camera Austria. Über mehr als zehn Jahre hat sie diese Publikation wesentlich mitgestaltet und das Profil unserer Arbeit insgesamt geschärft, wofür wir ihr an dieser Stelle herzlich danken. Die Ausstellungen, die sie für unser Haus kuratieren wird, lassen uns jedoch hoffen, dass wir unsere Arbeit – wenn auch in geringerem Ausmaß als bisher – in Zukunft weiter als gemeinsames Projekt werden gestalten können.

Beiträge

Forum

KIRILL GOLOVCHENKO

MICHAEL VAHRENWALD

MARYSA DOWLING

ANNE MORGENSTERN

REGINE PETERSEN

ELLEN BORNKESSEL

MIRKO MARTIN

ARJA HYYTIÄINEN

Ausstellungen

Universal Archive. The Condition of the Document and the Modern Photographic Utopia
ALBERTO MARTÍN

The Art of Lee Miller
KERSTIN STREMMEL

Dispersion
JULIA GWENDOLYN SCHNEIDER

Behind Walls – Eastern Europe Before 1989
MIRIAM ROSEN

Mapping a Journey: The Films & Videos of Robert Frank
RAINER BELLENBAUM

Do not refreeze. Photography behind the Berlin Wall
WOLFGANG BRÜCKLE

Paul Graham: Fotografien 1981–2006. / Runa Islam: Restless Subject
CAROLIN FÖRSTER

Re.Act.Feminism. Performancekunst der 1960er und 1970er Jahre heute
MAREN LüBBKE-TIDOW

My Space. Tirane – Berlin
REBEKKA REUTER

Walter Pfeiffer: In Love with Beauty
DANIEL BAUMANN

Tobias Zielony: Story / No Story
STEFANIE LOH

Ulrich Lamsfuß: Spielen & Wachsen
JENS ASTHOFF

Europäischer Monat der Fotografie: Ausgewählte Ausstellungen in Wiener Galerien
MANISHA JOTHADY

Sharon Lockhart: Lunch Break
TOM HOLERT

Un coup de dés. Bild gewordene Schrift. Ein ABC der nachdenklichen Sprache
ULRIKE MATZER

Klaus Schuster: Clean Hands and Dirty Hands
DANIELA BILLNER

Balthasar Burkhard & Naoya Hatakeyama: Two Mountains / Sigrid Kurz: Be on Display
SABINE SPILLES

Steirischer herbst 2008
ULRICH TRAGATSCHNIG

Bücher

Jaqueline Hassink: Domains of Influence / The Power Book
MAARTJE VAN DEN HEUVEL

Iranian Photography
SABINA RIESTER

Sigrid Adorf: Operation Video
STEFANIE LOH

Spektakel, Lustprinzip oder das Karnevaleske
REINHARD BRAUN

Jörn Glasenapp: Die Deutsche Nachkriegsfotografie
MARGARETHE SZELESS

Michael Ponstingl: Wien im Bild
MARIE RÖBL

Michael Ponstingl: Wien im Bild
MICHAEL PONSTINGL

Herbert Molderings: Die Moderne der Fotografie
PETER KUNITZKY

Moira Zoitl: Exchange Square
ALMA-ELISA KITTNER

Laurence Bonvin: On the Edges of Paradise
JOCHEN BECKER

Impressum

Herausgeber, Verleger und für den Inhalt verantwortlich: Manfred Willmann. Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA, Labor für Fotografie und Theorie.
Alle: Lendkai 1, A-8020 Graz.

Redaktion: Christine Frisinghelli, Maren Lübbke-Tidow, Sabine Spilles, Daniela Billner
Assistenz: Heidi Oswald

Lektorat: Marie Röbl
Übersetzungen: Dawn Michelle d’Atri, Don Mader, Wilfried Prantner, Josephine Watson, Richard Watts