Camera Austria International
137 | 2017
- SUMESH SHARMA
Aurélien Froment: Künstler mit Vokabular - AURÉLIEN FROMENT
- SUSANNE HOLSCHBACH
Erin Shirreff: Passagen - ERIN SHIRREFF
- BENJAMIN HIRTE
Christian Kosmas Mayer: Bekanntschaften - CHRISTIAN KOSMAS MAYER
- AURÉLIE VERDIER
Haris Epaminonda: Zonen der Erinnerung - HARIS EPAMINONDA
Vorwort
In einer Zeit schwieriger und verwirrender gesellschaftlicher und kultureller Transformationen, in der die Frage nach der Unterscheidung zwischen dem Wahren und dem Realen immer unmöglicher gemacht zu werden scheint, muss man den Blick möglicherweise – wie wir es bereits in den beiden vorangegangenen Ausgaben getan haben – vom Zentrum weg auf Peripherien richten, müssen wir uns vom Begehren zu sehen, zu erkennen und zu verstehen verabschieden, oder aber die Anstrengungen verdoppeln, das Visuelle der Bilder in ein »system of documentation« (Douglas Huebler) zu vermitteln, um die Ausgangspunkte und die unerhörten Konsequenzen dieser Transformationen erahnen zu können.
Volltext →Camera Austria International 137 | 2017
Vorwort
In einer Zeit schwieriger und verwirrender gesellschaftlicher und kultureller Transformationen, in der die Frage nach der Unterscheidung zwischen dem Wahren und dem Realen immer unmöglicher gemacht zu werden scheint, muss man den Blick möglicherweise – wie wir es bereits in den beiden vorangegangenen Ausgaben getan haben – vom Zentrum weg auf Peripherien richten, müssen wir uns vom Begehren zu sehen, zu erkennen und zu verstehen verabschieden, oder aber die Anstrengungen verdoppeln, das Visuelle der Bilder in ein »system of documentation« (Douglas Huebler) zu vermitteln, um die Ausgangspunkte und die unerhörten Konsequenzen dieser Transformationen erahnen zu können.
In einigen aktuellen Projekten spielt das Unbehagen eine Rolle, dem Ende von Repräsentation und einer Krise der Souveränität beizuwohnen, dem Verschwinden der Intellektuellen aus der Öffentlichkeit und dem Platzgreifen einer Art intellektuellen Heimwerkertums und dessen viraler televisionärer und netzwerkender Performance – eine Krise, in die Bilder in vielfacher Hinsicht mehr als nur involviert sind. Je näher die Bilder den Geschehnissen kommen, desto weniger ist auf ihnen zu sehen, worauf schon Hito Steyerl hingewiesen hat. Demgegenüber müssen wir im Alltag ebenso zur Kenntnis nehmen, dass das »Protokoll der Ikonisierung der Bilder«, wie es Ariella Azoulay bezeichnet, nach wie vor seine Gültigkeit zu behaupten in der Lage ist: zu sehen, was zu sehen ist, die Bilder über dasjenige zu bezeichnen, das sie repräsentieren und dasjenige über die Bilder zu identifizieren, das sie zu repräsentieren scheinen – und beides als eine Art Wirklichkeitsbeschreibung (miss-)verstehen. Wohin führt also die Frage nach den Peripherien, den Rändern der Bilder, ihren Übergängen, von einem Bild zum anderen oder vom Bild in das Reich der Dinge, der Artefakte, der Erzählung, der Ereignisse, der Geschichte, gar der Politik?
Nach Aurélie Verdier setzen Haris Epaminondas Bilder eine poetische Metamorphose von Zwischenräumen in Gang und berühren ein Außen, das vom Verschwinden oder Verbergen erzählt, Räume der Erinnerung erzeugt – in einem Zustand der Wachsamkeit, immer offen, als Konstruktion von Übergängen zwischen »Kristallen historischer Unlesbarkeit«. Auch in der Arbeit Erin Shireffs steht eine Spannung zwischen Teilen und (abwesendem) Ganzen zur Disposition, wie es Susanne Holschbach beschreibt, in der die Fotografie als eine Gelenkstelle zwischen den verschiedenen Registern der Projekte fungiert, als eine Spur der Verbindung und Trennung unterschiedlicher Referenzen. Ebenso findet sich in der Arbeit von Christian Kosmas Mayer diese Spur eines Übergangs. Zunächst, so schreibt Benjamin Hirte, findet man eine Situation vor, die vordergründig lesbar erscheint. Und im Anschluss öffnet sich der Appendix, Momente des Rätselhaften, die mit Geschichten, Geschichte verbunden bleiben. Sumesh Sharma beschreibt Aurélien Froments Praxis als genreübergreifend und genreerweiternd, die Reichweite aktueller Konzeptualismen über populäre theoretische Positionen wie Post-Internet-Art hinaus ausdehnend. Vor allem die Filme entstehen in lokalen Kooperationen und bewegen sich oftmals im prekären Feld postkolonialer Repräsentationen.
In den Strategien der KünstlerInnen dieser Ausgabe finden sich somit Anhaltspunkte, innerhalb der Krise der Repräsentation dennoch Orte für diese Bilder zu konstruieren. An diesen Orten nehmen sie jedoch Funktionen ein, durch die sie nicht nur zeigen oder vielleicht sogar am wenigsten zeigen, sondern Übergänge besetzen, markieren, Übergänge, zwischen verstreuten und unterdrückten Kristallen von Unlesbarkeit, zwischen Erfindungen, Milieus, Erinnerungen, gefunden wie hergestellt. Die Bilder – bewegte wie unbewegte – durchqueren damit auch offene Räume von Form und Bedeutung, die nur in diesen Übergangsräumen sichtbar werden können. Peripherie und Rand liegen in diesen Räumen im Inneren der Produktion von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit selbst, in denen es Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit braucht, um zu erkennen, welches von beiden nicht nur dem Realen dient, sondern, nach wie vor, eine Möglichkeit des Wahren erahnen lässt.
Reinhard Braun
und das Camera-Austria-Team
März 2017
Cover: Haris Epaminonda, Untitled #12 b/h, 2015. Papiercollage, 26,7 × 19,5 cm. Courtesy: die Künstlerin und Casey Kaplan, New York.
Beiträge
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Vorgestellt von der Redaktion:
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Witte de With, Rotterdam
JENS MAIER-ROTHE
Joachim Koester: In the Face of Overwhelming Forces
Camden Art Centre, London
FRANCESCA LAURA CAVALLO
Learning Laboratories: Architecture, Instructional Technology, and the Social Production of Pedagogical Space Around 1970
BAK, Utrecht
MAARTEN VAN DEN DRIESSCHE
Necessità dei volti – A Dialogical Procedure and Selections from a Provisional Archive
nGbK, Berlin
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Mathieu Kleyebe Abonnenc: Mefloquine Dreams
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Dokument:Fiktion
Museum der Moderne Salzburg, Rupertinum
Räume schaffen. Aus den Sammlungen
Museum der Moderne Salzburg, Mönchsberg
WALTER SEIDL
My sweet little lamb (Everything we see could also be otherwise)
Various venues, Zagreb
The Showroom, London
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Candida Höfer: Nach Berlin
n. b. k., Berlin
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Cory Arcangel and Olia Lialina: Asymmetrical Response
Western Front, Vancouver
The Kitchen, New York
ORIT GAT
Anna-Sophie Berger: Places to fight and to make up
mumok, Wien
CHRISTIAN HÖLLER
Julian Röder: Recht und Raum
Haus am Waldsee, Berlin
MITCH SPEED
Bücher
Allan Sekula: Photography Against the Grain. Essays and Photo Works 1973–1983
MACK, London 2016
EIKO GRIMBERG
Ted Serios: Serien
Textem Verlag, Hamburg 2016
DIRCK MÖLLMANN
Francesca Catastini: The Modern Spirit Is Vivisective
AnzenbergerEdition, Vienna 2016
by TACO HIDDE BAKKER
Leere Seiten
Ed Ruscha: Nine Swimming Pools (and a broken glass)
Eigenverlag 1968
Christopher Williams: Printed in Germany
Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2014
Paul Graham: Paris 11-15th November, 2015
MACK, London 2016
JAN WENZEL
Impressum
Herausgeber: Reinhard Braun
Verlag, Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA. Labor für Fotografie und Theorie.
Lendkai 1, 8020 Graz, Österreich
Redaktion: Margit Neuhold, Sabine Weier.
ÜbersetzerInnen: Dawn Michelle d’Atri, Nicholas Huckle, Wilfried Prantner, Andrea Scrima.
Englisches Lektorat: Dawn Michelle d’Atri, Andrea Scrima.
Dank: Yasmine Eid-Sabbagh, Jackie Beckwith, Haris Epaminonda, Bart Feberwee, Aurélien Froment, Maj Hasager, Aleksandra Kubos, Christian Kosmas Mayer, Maren Lübbke-Tidow, Kelly McCosh, Marina Paulenka, Eva Maria Ocherbauer, Mafalda Rakoš, Jenny Schäfer, Dubravka Sekulić, Walter Seidl, Erin Shirreff, Mateusz Skóra, Jenna Westra, Lisa Zalud.
Copyright © 2017
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck nur mit vorheriger Genehmigung des Verlags. Für übermittelte Manuskripte und Originalvorlagen wird keine Haftung übernommen.
ISBN 978-3-902911-32-2
ISSN 1015 1915
GTIN 4 19 23106 1600 5 00137