Camera Austria International
163 | 2023
- WERKER COLLECTIVE
AMATOR ARCHIVES: Über QUEERE REPRODUKTION - AKINBODE AKINBIYI
Auf der Suche nach Bedeutung - AJDA ANA KOCUTAR
Was der Künstler unter Verschluss hielt. Ein kurzer Abriss über Ulays Frühwerk - ULAY
- SUSANNE HOLSCHBACH
»Das Tor zu den Sternen haben wir geöffnet«* - LUISE SCHRÖDER
Vorwort
Die Auseinandersetzung mit eigenen oder fremden Archiven von Bildern ist Teil der Arbeit zahlreicher Künstler*innen. Sie befragen diese, überdenken zugrundeliegende Auswahl- und Präsentationsmodi, beleuchten inhärente Machtstrukturen oder tasten Lücken im Depot ab, um inhaltliche Verschiebungen aufzuzeigen und zur Diskussion zu stellen. Von diesen Gedanken ausgehend fokussiert die vorliegende Ausgabe von Camera Austria International auf künstlerische Herangehensweisen, die sich den vielfältigen Funktionen und Gebrauchsweisen von (Bild-)Archiven verschrieben haben.
Volltext →Camera Austria International 163 | 2023
Vorwort
Die Auseinandersetzung mit eigenen oder fremden Archiven von Bildern ist Teil der Arbeit zahlreicher Künstler*innen. Sie befragen diese, überdenken zugrundeliegende Auswahl- und Präsentationsmodi, beleuchten inhärente Machtstrukturen oder tasten Lücken im Depot ab, um inhaltliche Verschiebungen aufzuzeigen und zur Diskussion zu stellen. Von diesen Gedanken ausgehend fokussiert die vorliegende Ausgabe von Camera Austria International auf künstlerische Herangehensweisen, die sich den vielfältigen Funktionen und Gebrauchsweisen von (Bild-)Archiven verschrieben haben.
Ausgehend von einer künstlerisch-forschenden Praxis hat das WERKER COLLECTIVE aus seinem AMATOR ARCHIVE (seit 2009) heraus einen Beitrag zu QUEERER REPRODUKTION entwickelt, in dem es der Frage nachgeht: »Wie ließe sich das Archiv von einem Herrschaftsinstrument im Dienste des Patriarchats in eine Struktur transformieren, die intersektionale und intergenerationale Prozesse persönlicher und kollektiver Selbstbestimmung zulässt?« Selbstorganisierte, radikale Arbeitsweisen, queere Lebensweisen, Körper und Hxstories stehen im Vordergrund; das Kollektiv »positioniert sich gegen eine patriarchale Vorstellung von Reproduktion, welche den auf Privatbesitz, Erbschaft und der Weitergabe von Privilegien basierenden Status quo aufrechterhält« und fordert: »Lasst uns Bücher statt Babys machen!«
Ebenso hat Akinbode Akinbiyi einen Beitrag aus seinem seit Jahrzehnten wachsenden Archiv von Fotografien entwickelt. In diesem konzentriert er sich auf Alltagswelten im globalen Süden, entlang derer er auch (de-)koloniale Verwendungsweisen fotografischer Bilder der vergangenen zweihundert Jahre analysiert. Institutionelle archivarische Praxen einschließend, untersucht er Sichtbarkeiten und schreibt: »Ich hinterfrage ständig meine Rolle in diesem Strom [des Alltags]«, »[s]teckt darin immer noch dieser nördlich-privilegierte Blick«? Was geschieht mit jenen, »die sich in die andere Richtung bewegen«? Sie »nehmen Bilder von ihren mühseligen Reisen ins gelobte Land auf. Bis unmittelbar vor dem Ertrinken, vor dem Untergehen in den stürmischen Gewässern des ständigen Stroms. Was geschieht mit diesen Werken visueller Verzweiflung?«
Das Archiv des 2020 verstorbenen Performance- und Konzeptkünstlers Ulay steht im Zentrum des Textes von Ajda Ana Kocutar. Sie wirft einen Blick zurück auf die Anfänge von Ulays künstlerischer Karriere und arbeitet zum einen heraus, wie dessen frühe Beschäftigung mit Fotografie und insbesondere dem Polaroidformat spätere performative Arbeiten geprägt hat, zum anderen, wie verhalten sein Umgang mit dem eigenen Archiv zeit seines Lebens war. »Liest man seine Gedanken und Erinnerungen heute, scheint es offensichtlich, wie sich aus seinem schwierigen Verhältnis zu Ausstellungen eine äußerst wählerische Haltung entwickelte, wenn es darum ging, sein Archiv anderen zugänglich zu machen. Selbst während seiner produktivsten Jahre, in denen er sich von einem Projekt ins nächste stürzte, nahm er sich nur selten Zeit dazu, seine Arbeiten auszustellen oder zu publizieren.«
Susanne Holschbach entfaltet ausgehend vom Titel der multimedialen Installation She Takes a Hand Herself in History (2015) von Luise Schröder, wie dieser Titel sinnbildlich für die Vielschichtigkeit und engagierte Herangehensweise von Schröders Arbeit insgesamt gelesen werden kann. »Die Geschichte in die eigene Hand zu nehmen, so eine starke Übersetzung dieser Metapher, steht dabei nicht nur für den Anspruch auf Agency, auf Handlungsfähigkeit und Gestaltungsmöglichkeit, sondern bedeutet bei Luise Schröder auch ganz konkret, etwas in die Hand zu nehmen, um es zu begreifen.« Dabei umfasst das »Begreifen« der Geschichte für die Künstlerin nicht nur die forschende Auseinandersetzung mit dem Material, dessen Offenlegung und Sichtbarmachung, sondern bisweilen auch die Neu- und Umformulierung historischer Narrative, um alternative Geschichtsverläufe denkbar zu machen.
Margit Neuhold, Christina Töpfer
September 2023
Cover: Luise Schröder, Public Parcours, 2020, aus dem partizipativen Online-Projekt The Crown Letter, seit 2020. Copyright: die Künstlerin und ADAGP, Paris / Bildrecht, Wien 2023.
Beiträge
Forum
Vorgestellt von June Drevet
Marie Rief
Laura Schawelka
Valentina Triet
Vanessa Amoah Opoku
Stefanie Schwarzwimmer
Sophie Meuresch
Ausstellungen
Trevor Paglen: Hide the Real, Show the False
n. b. k. – Neuer Berliner Kunstverein, Berlin, 10. 6. – 6. 8. 2023
MIRA ANNELI NASS
Julia Scher: Hochsicherheitsgesellschaft
Museum Abteiberg, Mönchengladbach, 26. 3. – 20. 8. 2023
MORITZ SCHEPER
Somewhere Between Nature and Culture We Can Begin Again
AR Biennial—Hybrid Nature
NRW Forum, Düsseldorf, 14. 5. – 29. 10. 2023
DEMO-
Various venues in public space, Frankfurt am Main, 12. 5. 2023 – 30. 4. 2024
LARA SCHOORL
Gerald Domenig / Andrea Witzmann
Fotohof, Salzburg, 4. 8. – 30. 9. 2023
CHRISTIAN EGGER
Ruhr Ding: Schlaf
Verschiedene Orte, Ruhrgebiet, 5. 5. – 25. 6. 2023
ANDREAS PRINZING
Isa Rosenberger: Manda
Bauhausgebäude, Bauhaus Dessau, 1. 6. 2023 – 7. 1. 2024
CHRISTIN MÜLLER
Gabrielle L’Hirondelle Hill: M*****
CAG – Contemporary Art Gallery, Vancouver, 26. 5. – 3. 9. 2023
JACOB KORCZYNSKI
Gina Folly: Autofocus
Kunstmuseum Basel | Gegenwart, 6. 5. – 1. 10. 2023
EWA BORYSIEWICZ
Annette Frick: Ein Augenblick im Niemandsland
Marta Herford, 6. 5. – 13. 8. 2023
SABINE WEIER
FOTO WIEN 2023: Photography Lies – die Lügen der Fotografie
Verschiedene Orte, Wien, 1. – 30. 6. 2023
JAKOB THALLER
Isaac Julien: What Freedom Is to Me
Tate Britain, London, 26. 4. – 20. 8. 2023
K21 Kunstammlung Nordrhein-Westfalen, 23. 9. 2023 – 14. 1. 2024
Bonnefantenmuseum, Maastricht, 4. 2. – 30. 6. 2024
ORIT GAT
Jeff Weber: Image Storage Containers
CNA – Centre national de l’audiovisuel, Dudelange, 6. 5. – 1. 10. 2023
STEVEN HUMBLET
Wörthersee, Wörtersee
Kunstraum Lakeside, Klagenfurt, 5. 7. – 22. 9. 2023
SUSANNE NEUBURGER
The Lives of Documents—Photography as Project
CCA – Canadian Centre for Architecture, Montreal, 3. 5. 2023 – 3. 3. 2024
JON DAVIES
»Ein Museum ohne Wände« – Allan Porter und die Fotozeitschrift CAMERA 1966–1981
Fotobibliothek, Fotostiftung Schweiz, Winterthur, 25. 2. – 13. 8. 2023
WOLFGANG BRÜCKLE
Bücher
Newspaper
Primary Information, New York, 2023
NAOKO KALTSCHMIDT
Ari Marcopoulos, Zines
Aperture, New York, 2023
MARCUS CIVIN
Annette Kisling, Verplaatst
Eeclectic, Berlin 2023
CAROLIN FÖRSTER
Jenny Schäfer, Arbeitstage
Verlag SuKuLTuR, Hamburg 2023
JENS ASTHOFF
Bibliothek
Moyra Davey & Peter Hujar, The Shabbiness of Beauty
MACK, London 2021
TOM ENGELS
Welche anderen?
Susan Sontag, Das Leiden anderer betrachten
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2005/2013
REINHARD BRAUN
Impressum
Verein CAMERA AUSTRIA. Labor für Fotografie und Theorie.
Verlag, Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA. Labor für Fotografie und Theorie.
Lendkai 1, 8020 Graz, Österreich
Chefredaktion: Christina Töpfer.
Redaktion: Margit Neuhold.
Übersetzer*innen: Dawn Michelle d’Atri, Elena Helfrecht, Wilfried Prantner, Andrea Scrima, Sabine Weier.
Englisches Lektorat: Dawn Michelle d’Atri.
Dank: Akinbode Akinbiyi, Reinhard Braun, Pierre Ciot, Rogier Delfos, June Drevet, Christian Egger, Tom Engels, Anneliese Fikentscher, Annette Frick, Christine Frisinghelli, Susanne Holschbach, Ajda Ana Kocutar, Peter Kunitzky, Samir Laghouati-Rashwan, Petra Lehmkuhl, Stephanie Liebmann, Maren Lübbke-Tidow, Sophie Meuresch, Vanessa Amoah Opoku, Jamie MacRae, Lena Pislak, Marie Rief, Marc Roig Blesa, Yvonne van Santen, Laura Schawelka, Luise Schröder, Stefanie Schwarzwimmer, Valentina Triet, Sophie Thun, Sabine Weier, Ben Livne Weitzman, Manfred Willmann, Arnisa Zeqo.
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