Camera Austria International
165 | 2024
- ALEXANDRA SYMONS-SUTCLIFFE
Schwellen - NIKLAS TALEB
- GABRIELLE MOSER
Registerabweichungen. Sim Chi Yins fotografische Transpositionen - SIM CHI YIN
- NATASHA CHRISTIA
Einverleibungen – Oder: Über das Objekt und was davon bleibt - SARA-LENA MAIERHOFER
- CARA LERCHL
Malen außer sich - LISA HOLZER
Vorwort
Camera Austria International Nr. 165 nimmt ihren Ausgangspunkt in dem zweiteiligen Projekt Exposure / Double Exposure, mit der im September 2023 das Programm von Camera Austria-Kuratorin Anna Voswinckel gestartet hat. In zwei ineinander übergehenden und sich teilweise überlagernden Gruppenausstellungen wurden Arbeiten von Künstler*innen präsentiert, welche den das Fotografische prägenden Begriff »exposure« reflektieren. Während dieser zum einen für die technische Umsetzung des Bildentstehungsprozesses, das Belichten des Fotopapiers steht, ist ihm zum anderen im Sinne des Verbes »to expose« das Herausstellen einer Situation oder Person, im Adjektiv »exposed« das Moment des Ausgesetzt-Seins inhärent.
Volltext →Camera Austria International 165 | 2024
Vorwort
Die vorliegende Ausgabe nimmt ihren Ausgangspunkt in der zweiteiligen Ausstellung Exposure / Double Exposure, mit der im September 2023 das Programm von Camera Austria-Kuratorin Anna Voswinckel gestartet hat. In zwei ineinander übergehenden und sich teilweise überlagernden Gruppenausstellungen wurden Arbeiten von Künstler*innen präsentiert, welche den das Fotografische prägenden Begriff »exposure« reflektieren. Während dieser zum einen für die technische Umsetzung des Bildentstehungsprozesses, das Belichten des Fotopapiers steht, ist ihm zum anderen im Sinne des Verbes »to expose« das Herausstellen einer Situation oder Person, im Adjektiv »exposed« das Moment des Ausgesetzt-Seins inhärent.
In ihrer Lektüre der von Niklas Taleb für die Zeitschrift präzise entwickelten Bildstrecke fokussiert Alexandra Symons-Sutcliffe auf die »Schwingungen in Aufmerksamkeit und Konzentration, die den Stil des Künstlers definieren«. Sie arbeitet heraus, wie seine Bilder immer wieder zwischen Sichtbar-Machen und Im-Verborgenen-Lassen oszillieren, und gleichzeitig je nach Präsentationskontext ganz verschiedene Erscheinungsformen annehmen: »Trifft man im Zeitschriftenformat auf Talebs Fotografien, dann nehmen diese die narrative Logik der gedruckten Presse an. Dies stellt eine bewusste transformative Geste durch den Fotografen dar. Die Wiederholung von Bildern in seiner Auswahl befördert diese Interpretation und verweist gleichzeitig auf eine umgekehrte Fetischisierung von Flachheit.«
Die Fotografien und multimedialen Installationen Sim Chi Yins setzen (Auto-)Biografisches in Relation zu historischen Bildgedächtnissen und den daraus resultierenden Narrativen. Anhand von drei Arbeiten Sims, die in der erwähnten Ausstellung bei Camera Austria zu sehen waren, legt Gabrielle Moser dar, wie die Künstlerin durch Transpositionen und »Registerabweichungen« alternative Lesarten historischer Gegebenheiten initiiert. In der Serie The Suitcase Is A Little Bit Rotten (2023) geschieht dies etwa, indem Sim ihren 1949 im Zuge des malayischen Antikolonialkriegs verschleppten und ermordeten Großvater sowie ihren Sohn subtil in um 1900 entstandene, für didaktische Laterna-magica-Projektionen verwendete Glasdiapositive hineinretuschiert.
Die Reaktualisierung und Befragung der Präsentation kolonialer Objekte ist ein Thema, das sich durch die Arbeit von Sara-Lena Maierhofer und insbesondere durch deren fortlaufendes Projekt Kabinette (seit 2018) zieht. Wie Natasha Christia in ihrem Text schreibt, verweist die Künstlerin in ihrer Praxis »auf eine Reihe von kritischen Mehrfachbelichtungen. […] Sie entlarven auch die Komplizenschaft der Kamera mit den voyeuristischen Imperativen imperialer Museumsdisplays und beschwören gleichzeitig ihr Potenzial, diese Imperative und ihre Narrative zu unterlaufen, zu redigieren und in einen postkolonialen Rahmen einzuschreiben, indem sie die Lücken und Gespenster der kolonialen Vergangenheit ans Licht bringen.«
Cara Lerchl liest verschiedene Serien Lisa Holzers vor dem Hintergrund von David Joselits Aufsatz »Painting Beside Itself«. Darin schreibt dieser unter anderem über die Bedeutung des »breiteren Netzwerks«, innerhalb dessen eine künstlerische Arbeit situiert ist. In diesem Sinne sieht Lerchl auch die Arbeiten Holzers in einem kontinuierlichen Austausch mit dem Umfeld der Künstlerin sowie der Kontexte und Orte, an denen ihre Arbeiten präsentiert werden: »[Sie] bewegt sich zwischen Figuration und Abstraktion sowie medienübergreifend zwischen Fotografie, Text und damit auch in Verbindung stehenden performativen Gesten und schreibt sich in den von Joselit erläuterten Begriff des Netzwerks als Faden von Assoziationen und Arbeitsweisen ein.«
Mit dieser Ausgabe findet ein Wechsel in der Redaktion von Camera Austria International statt. Nachdem Margit Neuhold mit Engagement und wachem Blick die Inhalte der Zeitschrift 13 Jahre lang wesentlich mitgeprägt hat, zieht sie sich mit dieser Ausgabe aus dem Redaktionsalltag zurück. Wir freuen uns jedoch sehr, dass sie Camera Austria als Autorin sowie als Mitglied des Vereinsvorstands weiterhin verbunden bleibt. Gleichzeitig ist es uns eine Freude, dass wir mit June Drevet eine erfahrene Lektorin und Autorin gewinnen konnten, deren Texte und Interessen sich seit 2019 immer wieder in die Seiten dieser Zeitschrift eingeschrieben haben und die diese nun als Redakteurin weiterhin mitgestalten wird.
Christina Töpfer und das Team von Camera Austria
März 2024
Cover: Lisa Holzer, Family (10), 2024. Pigment-Print auf Baumwollpapier, 110.3 × 77 cm. Courtesy: die Künstlerin und Layr, Wien. Copyright: Bildrecht, Wien 2024.
Beiträge
Forum
Vorgestellt von der Redaktion
Rebekka Bauer
Laura Sperl
Karla Hiraldo Voleau
Hiroshi Takizawa
Felipe Romero Beltrán
Aindreas Scholz
Ausstellungen
Coco Fusco: Tomorrow, I Will Become an Island
Kunst-Werke Berlin, 14. 9. 2023 – 7. 1. 2024
RAIMAR STANGE
Rituelle Dekonstruktionen
Katalin Ladik: Ooooooooo-pus
Ludwig Forum Aachen, 7. 10. 2023 − 10. 3. 2024
Moderna Museet, Stockholm, 9. 11. 2024 – 20. 4. 2025
Haus der Kunst, München, 3. 3. – 10. 9. 2023
CHRISTINA IRRGANG
Velvet Terrorism: Pussy Riot’s Russia
MAC—Musée d’art contemporain de Montréal, 25. 10. 2023 – 10. 3. 2024
JON DAVIES
History Tales. Fakt und Fiktion im Historienbild
Gemäldegalerie, Akademie der bildenden Künste Wien, 27. 9. 2023 – 26. 5. 2024
MARGIT NEUHOLD
Joel Sternfeld: American Prospects
Albertina, Vienna, 27. 9. 2023 – 28. 4. 2024
MAX L. FELDMAN
Parastoo Anoushahpour, Faraz Anoushahpour, Ryan Ferko: Lovers’ Wind
Mercer Union, Toronto, 20. 1. – 23. 3. 2024
JACOB KORCZYNSKI
Sabine Bitter & Helmut Weber: Dunkelkammer Bildungsmoderne. Über Form & Gebrauch
station urbaner kulturen / nGbK Hellersdorf, Berlin, 15. 9. 2023 – 3. 2. 2024
ANNA-LENA WENZEL
Floodlit Room—Women’s Photographic Practice in Croatia
Technical Museum Nikola Tesla, Zagreb, 24. 10. – 3. 12. 2023
The Ethnographic Museum, Zagreb, 26. 10. – 25. 11. 2023
TANJA VERLAK
Corps à corps: Histoire(s) de la photographie
Centre Pompidou, Paris, 6. 9. 2023 – 25. 3. 2024
MARIACARLA MOLÈ
Ulrike Rosenbach: heute ist morgen. Werke seit 1969
ZKM – Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, 24. 6. 2023 – 4. 2. 2024
THERESA ROESSLER
Épreuves de la matière: La photographie contemporaine et ses métamorphoses
BnF – Bibliothèque nationale de France, Paris, 10. 10. 2023 – 4. 2. 2024
STEVEN HUMBLET
Glitch. Die Kunst der Störung
Pinakothek der Moderne, München, 1. 12. 2023 – 17. 3. 2024
CHRISTIAN EGGER
Ukrainian Dreamers: Kharkiv School of Photography
Kunstmuseum Wolfsburg, 13. 10. 2023 – 7. 1. 2024
Kommunale Galerie, Berlin, 6. 3. – 2. 6. 2024
CHRISTIN MÜLLER
. . . that creeps from the earth
Tavros, Athens, 2. 2. – 13. 4. 2024
DESPINA ZEFKILI
Was bleibt, wenn die Evidenz scheitert?
Images of the Present. 30 Jahre Dokumentarfotografie Förderpreise der Wüstenrot Stiftung
Staatsgalerie Stuttgart, 11. 10. 2023 – 18. 2. 2024
PAUL MELLENTHIN
Bücher
Jacob Birken, Vom Pixelrealismus. Takeshi Muratas Stillleben Cyborg
Schlaufen Verlag, Berlin 2023
PETER KUNITZKY
Are we there yet?
Nicole Gravier, Romans-Photos, Mythes & Clichés 1976–1980
L’éditeur du dimanche, Paris 2023
NINA STRAND
Anna Orłowska, Warm Mother Cold Mother
Bored Wolves, Kraków 2023
EWA BORYSIEWICZ
Generalüberholung der Moderne
Joachim Brohm, Lessmore. Buildings, sites and scenes in reference to Ludwig Mies van der Rohe
BR-ED, Leipzig 2023
JOCHEN BECKER
Re-Readings
Paralleles Denken 2: Walter Benjamin
REINHARD BRAUN und MARC RIES
Impressum
Verein CAMERA AUSTRIA. Labor für Fotografie und Theorie.
Verlag, Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA. Labor für Fotografie und Theorie.
Lendkai 1, 8020 Graz, Österreich
Chefredaktion: Christina Töpfer.
Redaktion: June Drevet, Margit Neuhold.
Übersetzer*innen: Dawn Michelle d’Atri, Catherine Henry, Clemens Ruthner, Andrea Titze-Grabec.
Englisches Lektorat: Dawn Michelle d’Atri.
Dank: Felipe Romero Beltrán, Rebekka Bauer, Lewis Chaplin, Natasha Christia, Karla Hiraldo Voleau, Lisa Holzer, Nicolai Howalt, Steven Humblet, Sandra Križić Roban, Cara Lerchl, Alexandra Leykauf, Maria Lund, Sara-Lena Maierhofer, Kyveli Mavrokordopoulou, Gabrielle Moser, Aindreas Scholz, Andrea Scrima, Sim Chi Yin, Laura Sperl, Alexandra Symons-Sutcliffe, Hiroshi Takizawa, Niklas Taleb, Sandra Vitaljić, Anna Voswinckel, Despina Zefkili, Daniela Zehetner.
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