Camera Austria International

50 | 1995

  • HUBERTUS BUTIN
    Gerhard Richter: Zwei Kerzen für Dresden
  • NAN GOLDIN
    Porträts 1991 - 1994
  • PETER SCHJELDAHL
    Das goldine Zeitalter
  • OLIVIER RICHON
    Sinnes Eindrücke
  • OLIVIER RICHON
    After D.L.
  • CHRISTINE FRISINGHELLI
    Vertreiben - Flüchten
  • SEIICHI FURUYA
    Vertreiben - Flüchten
  • DAVID L. WEINER
    >>You Have the Eyes of a Stranger<<

Vorwort

Im Frühjahr 1980, als Manfred Willmann sein Vorhaben verkündete, eine „Zeitschrift für Fotografie“ herausgeben zu wollen, haben wir anderen (Seiichi Furuya war dabei, Branko Lenart, Harald Strobl und Helmut Tezak vielleicht, und ich) seine Courage belächelt, wir haben ihm Anmaßung vorgeworfen, eher aber aus Respekt vor dem, was eine Zeitschrift, außer der durch unsere bisherige Arbeit definierten medialen und inhaltlichen Ausrichtung, brauchte: ein Redaktionsteam, Übersetzer, Mitarbeiter und Korrespondenten, Leute für Vertrieb und Werbung, und all das bedeutete auch: Geld. Wir hatten seit 1977 einzelne Kataloge zu Ausstellungen herausgegeben, dann 1979 das erste „Symposion über Fotografie“ in Zusammenarbeit mit dem „steirischen herbst“ veranstaltet. Die Beiträge zu dieser, für unsere Arbeit damals richtungsweisenden Veranstaltung haben wir als Buch veröffentlicht (das noch immer nicht vergriffen ist!). Für einzelne Buchprojekte ein Vertriebssystem zu etablieren war damals (und ist es heute) ein schwieriges Unterfangen. Eine Zeitschrift hingegen versprach Abonnenten, bedeutete regelmäßigen Vertrieb auch über den Buchhandel und so eine Grundlage für kontinuierliche Publikationsarbeit.

Auch unsere Positionierung in der Vermittlungsarbeit schien sich mit dem Konzept einer Zeitschrift zu verändern: künstlerische Arbeiten in Ausstellungen zu präsentieren, im institutionellen Rahmen der Künstlervereinigung Forum Stadtpark, war Teil künstlerischer Strategie geworden. Eine Zeitschrift jedoch, die für einen anonymen Raum gedacht ist und sich gleichberechtigt und in Konkurrenz zu allen auf den selben Markt ausgerichteten Zeitschriften bewähren sollte, verlangte ein Vermittlungskonzept, das dem Leser künstlerische Positionen ohne Kenntnis des institutionellen Kontexts verständlich machte.

Volltext

Camera Austria International 50 | 1995
Vorwort

Im Frühjahr 1980, als Manfred Willmann sein Vorhaben verkündete, eine „Zeitschrift für Fotografie“ herausgeben zu wollen, haben wir anderen (Seiichi Furuya war dabei, Branko Lenart, Harald Strobl und Helmut Tezak vielleicht, und ich) seine Courage belächelt, wir haben ihm Anmaßung vorgeworfen, eher aber aus Respekt vor dem, was eine Zeitschrift, außer der durch unsere bisherige Arbeit definierten medialen und inhaltlichen Ausrichtung, brauchte: ein Redaktionsteam, Übersetzer, Mitarbeiter und Korrespondenten, Leute für Vertrieb und Werbung, und all das bedeutete auch: Geld. Wir hatten seit 1977 einzelne Kataloge zu Ausstellungen herausgegeben, dann 1979 das erste „Symposion über Fotografie“ in Zusammenarbeit mit dem „steirischen herbst“ veranstaltet. Die Beiträge zu dieser, für unsere Arbeit damals richtungsweisenden Veranstaltung haben wir als Buch veröffentlicht (das noch immer nicht vergriffen ist!). Für einzelne Buchprojekte ein Vertriebssystem zu etablieren war damals (und ist es heute) ein schwieriges Unterfangen. Eine Zeitschrift hingegen versprach Abonnenten, bedeutete regelmäßigen Vertrieb auch über den Buchhandel und so eine Grundlage für kontinuierliche Publikationsarbeit.

Auch unsere Positionierung in der Vermittlungsarbeit schien sich mit dem Konzept einer Zeitschrift zu verändern: künstlerische Arbeiten in Ausstellungen zu präsentieren, im institutionellen Rahmen der Künstlervereinigung Forum Stadtpark, war Teil künstlerischer Strategie geworden. Eine Zeitschrift jedoch, die für einen anonymen Raum gedacht ist und sich gleichberechtigt und in Konkurrenz zu allen auf den selben Markt ausgerichteten Zeitschriften bewähren sollte, verlangte ein Vermittlungskonzept, das dem Leser künstlerische Positionen ohne Kenntnis des institutionellen Kontexts verständlich machte.

Daß CAMERA AUSTRIA schließlich eine Zeitschrift für Künstler geworden und geblieben ist, und zugleich auch ein internationales Publikum erreichen kann, verschafft uns heute, da wir die 50. Nummer herausgeben, eine gewisse Befriedigung. Wir haben in diesen vergangenen fünfzehn Jahren viele Vorbilder, viele Mitarbeiter gehabt, die mit ihrer Arbeit als Künstler, als Theoretiker, als Vermittler und Mit-Denker unsere Schule gewesen sind. Sie haben gesichert scheinende Konzepte „fotografischer Qualität“ in Frage gestellt; wir konnten mit ihrer Arbeit den formal oder handwerklich definierten Vorstellungen von einer „Fotografie als Kunst“ analytische Positionen und kritische Konzepte entgegenhalten; sie haben uns beigebracht, den Bruch zwischen Abbild und Wirklichkeit zu thematisieren, und das Bewußtsein der Entfremdung des fotografischen Bildes half uns auch, ein ganzheitliches Konzept von Kunst kritisch zu sehen; vor allem aber haben sie mit der uns vertrauten Hartnäckigkeit weitergearbeitet, und sie haben uns zum Weiterarbeiten angehalten.

CAMERA AUSTRIA 50 stellt drei fotografische Arbeiten und mit ihnen drei künstlerische Positionen in den Mittelpunkt, die in gewisser Weise für das „Programm“ dieser Zeitschrift und unserer Arbeit stehen können: Nan Goldin: Porträts 1991 – 1994; Olivier Richon, „After D. L.“, 1993; Seiichi Furuya: „Vertreiben / Flüchten“, 1993. Neben der Tatsache, daß wir ihre Arbeit erstmals im deutschsprachigen Raum ausgestellt haben (Seiichi Furuya 1978, Olivier Richon 1985, Nan Goldin 1987) und sie mit ihrer Arbeit immer wieder die Zeitschrift CAMERA AUSTRIA mitgestaltet haben (Publikationen von Seiichi Furuya in Nr. 1, in Nr. 6, in Nr. 28 und in Nr. 29; Olivier Richon in Nr. 25 und in Nr. 37; Nan Goldin in Nr. 26 und in Nr. 39.), ist ihr gemeinsamer Nenner derjenige: Sie haben jeder den alle zwei Jahre vergebenen „Camera-Austria-Preis für internationale zeitgenössische Fotografie“ erhalten. Dieser von der Stadt Graz, in Anerkennung unserer Arbeit 1989 gestiftete und von einer internationalen Jury vergebene Preis gibt uns die Gelegenheit, den Dank der Stadt Graz an die KünstlerInnen weiterzuleiten, die durch ihre Kooperation und ihr Interesse an CAMERA AUSTRIA ja unsere Vermittlungsarbeit möglich machen.

Diese drei fotografischen Positionen stehen im Kontext künstlerischer Arbeiten, die uns seit Anfang der 80er Jahre beschäftigt haben, und sie können in diesem Heft, so denken wir, unterschiedliche inhaltliche Fragestellungen, verschiedene methodische Ansätze zu deren Bewältigung sowie einen aktuellen Medienbegriff neu zur Debatte stellen. Neben zalreichen arbeitsimmanenten Aspekten, auf die in den Textbeiträgen eingegangen wird, sollen diese Arbeiten – wie auch das in diesem Heft vorgestellte Gemälde „Zwei Kerzen“ von Gerhard Richter aus 1982, das in fotografischer Reproduktion 1995 als öffentliches Kunstwerk an der Fassade des Dresdner Kunstvereins installiert wurde und der Vernichtung dieser Stadt vor fünfzig Jahren gedenkt – vor allem für das Offenhalten des Raumes stehen, in dem Kunst produziert, wahrgenommen, kritisiert, besprochen, damit erst hergestellt wird. Damit wollen wir explizit auch explizit auch die Mitarbeit der Leser und Abonnenten von CAMERA AUSTRIA hervorheben: Ihr Beitrag (Ihre Erwartungen, Ihre Kritik) sind für uns ein wesentlicher Ansporn für unsere weitere Arbeit!

Der Inhalt des kommenden Heftes – der Doppelnummer 51/52 wird durch die Beiträge zum „Symposion über Fotografie“ 1994 bestimmt: „Das Archiv“ wird von Künstlern und Theoretikern – darunter Monique Behr über Peter Roehr, Henry Bond & Liam Gillick, David Goldblatt, Hans-Peter Feldmann, Inez van Lamsweerde, Roberta McGrath, Christopher Williams, Herta Wolf – auf vielfältige Weise zur Diskussion gestellt.

Zuletzt – um wieder auf die schon beschriebenen notwendigen materiellen Grundlagen einer Publikationsreihe zurückzukommen – müssen wir Sie darauf hinweisen, daß wir gezwungen sind, die Bezugspreise für CAMERA AUSTRIA zu erhöhen: Wir haben sie 1992 das letztemal an die stark gestiegenen Preise angeglichen (allein der Papierpreis ist in den vergangenen eineinhalb Jahren um 60% angehoben worden)! und hoffen auf Ihr Verständnis für diese Entscheidung. Wir möchten Sie jedoch auch auf die für Abonnenten stark ermäßigten Preise aller noch lieferbaren Hefte von CAMERA AUSTRIA erinnern und hoffen, daß Sie dieses Angebot, Ihre Bibliothek zu vervollständigen, für sich nützen können.

Auch unsere Leser und Kollegen im Ausland werden die Erfahrung gemacht haben, daß ohne die Unterstützung privater und öffentlicher Institutionen ein Ausstellungs- und Publikationsprogramm wie wir es uns vorgenommen haben, nicht zu verwirklichen ist! Es ist (auch) ein Ergebnis unserer Arbeit während der vergangenen zwanzig Jahre, daß in Österreich öffentliche Kunstförderung das Medium Fotografie einschließt: Wir danken dem Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, der Kulturabteilung des Landes Steiermark und dem Kulturamt der Stadt Graz für die Kontinuität dieser Unterstützung und für die sich daraus ableitende relative Sicherheit, mit der wir unsere Arbeit forsetzen können.

Christine Frisinghelli
Manfred Willmann

Beiträge

Forum

THOMAS WREDE

ANGELIKA BEULER

JöRG FAHLENKAMP

HEINZ MAGR

BRIGITTE BAUER

ACHIM DETERDING

MICHAEL DINI

MIKAEL OLSSON

P. LOMASCOLO

SERGIO GIOBERTO

TATJANA VOSS

GEORGE WEBBER

Ausstellungen

(Alter) Ego Documents
MICHAEL GIBBS

Morgen ist ein anderes Land
Die erste Biennale zeitgenössischer Kunst in Johannesburg
SABINE B. VOGEL

Nicht Fisch & Nicht Fleisch. Fotografie aus Österreich nach 1945
Kunst.Halle.Krems
REINHARD BRAUN

Die Amerikaner
„American Studies“, Aktionsforum Praterinsel „Zollgewölbe“, München
GERHARD FRIEDL

Am Rande des Netzwerks
Aktuelle Projekte aus Österreich: 1
REINHARD BRAUN

Bücher

BILDER DES KRIEGES

Henry Bond: 100 Photographs
James Hockney Gallery, Farnham 1991
THOMAS SEELIG

Gerta Taro
Jonas Verlag, Marburg 1994
MAGDALENA FELICE

Wohlgroth
Scalo Verlag, Zürich 1994
MAGDALENA FELICE

Kann Werbung witzig sein?
Hörnemann Verlag, Bielefeld 1994

FOTOGRAFIE ALS ZELLE

FACE TO FACE

EUROPEAN PHOTOGRAPHY AWARD

MADE IN USA

DER SCHEIN TRÜGT UNERBITTLICH

Impressum

Herausgeber, Verleger und für den Inhalt verantwortlich: Manfred Willmann. Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA, Labor für Fotografie und Theorie.
Alle: Sparkassenplatz 2, A-8010 Graz.

Redaktion: Christine Frisinghelli, Reinhard Braun
Redaktionelle Mitarbeit: Magdalena Verena Felice, Katja Krusche, Ruth Kümmel

Übersetzungen: Klaus Feichtenberger, Wilfried Prantner