Camera Austria International
99 | 2007
- DANIEL BAUMANN
Marika Asatiani - MARIKA ASATIANI
- CHRISTINE FRISINGHELLI
Peter Dressler: Die Dinge, die Zeichen, die Waren - PETER DRESSLER
- SANDRA KRIŽIĆ ROBAN
Antun Maračić: Sehen = Sein - ANTUN MARAČIĆ
- ANTONELLO FRONGIA
Franco Vaccari - FRANCO VACCARI
- RAINER BELLENBAUM
Dispositiv-Wechsel II
Vorwort
Bereits anlässlich unseres Symposions über Fotografie 1983 haben wir den italienischen Konzeptkünstler, Theoretiker und Vermittler Franco Vaccari eingeladen, über die technologischen Bedingungen des Mediums Fotografie und seiner von diesen definierten Sprache zu reflektieren. Sein Beitrag über „Fotografie und das technologische Unbewusste“ (publiziert in Camera Austria Nr. 15–16/1984) bezog dabei auch die wesentlichen Grundlagen seiner eigenen künstlerischen Arbeit mit ein. Vaccaris umfangreiches Schaffen ist kürzlich in einer Retrospektive aufgearbeitet und im Spazio Oberdan in Mailand präsentiert worden; auch mit einer aktuellen Veröffentlichung seiner gesammelten Schriften wird sein Werk derzeit erneut zur Diskussion gestellt. Aus diesem aktuellen Anlass, aber auch, weil wir seine Arbeit als wichtigen und international relevanten Beitrag zur Mediendiskussion auffassen, widmen wir ihm in dieser Ausgabe, eingeführt von Antonello Frongia, einen ausführlichen Beitrag, in dessen Zentrum sein über Jahre entwickeltes Projekt „Ausstellungen in Echtzeit“ steht, das, in jeweils ortsspezifischer Ausformung, von einem Beitrag zur Biennale in Venedig im Jahr 1972 bis zu einer Inszenierung für die Dauer einer Nacht in der Halle eines Frachtunternehmens in Campogalleano, Modena im Jahr 2004 reicht. Vaccaris Arbeit, die Frongia als dialektische Kunst kennzeichnet, ist geprägt von einer raumbasierten Praxis. In seinen Werken thematisiert er die Möglichkeiten zur Intervention und Partizipation genauso, wie er stets die Bedingungen der Produktion und Rezeption von zeitgenössischer Kunst mit reflektiert und kritisch untersucht.
Volltext →Camera Austria International 99 | 2007
Vorwort
Bereits anlässlich unseres Symposions über Fotografie 1983 haben wir den italienischen Konzeptkünstler, Theoretiker und Vermittler Franco Vaccari eingeladen, über die technologischen Bedingungen des Mediums Fotografie und seiner von diesen definierten Sprache zu reflektieren. Sein Beitrag über „Fotografie und das technologische Unbewusste“ (publiziert in Camera Austria Nr. 15–16/1984) bezog dabei auch die wesentlichen Grundlagen seiner eigenen künstlerischen Arbeit mit ein. Vaccaris umfangreiches Schaffen ist kürzlich in einer Retrospektive aufgearbeitet und im Spazio Oberdan in Mailand präsentiert worden; auch mit einer aktuellen Veröffentlichung seiner gesammelten Schriften wird sein Werk derzeit erneut zur Diskussion gestellt. Aus diesem aktuellen Anlass, aber auch, weil wir seine Arbeit als wichtigen und international relevanten Beitrag zur Mediendiskussion auffassen, widmen wir ihm in dieser Ausgabe, eingeführt von Antonello Frongia, einen ausführlichen Beitrag, in dessen Zentrum sein über Jahre entwickeltes Projekt „Ausstellungen in Echtzeit“ steht, das, in jeweils ortsspezifischer Ausformung, von einem Beitrag zur Biennale in Venedig im Jahr 1972 bis zu einer Inszenierung für die Dauer einer Nacht in der Halle eines Frachtunternehmens in Campogalleano, Modena im Jahr 2004 reicht. Vaccaris Arbeit, die Frongia als dialektische Kunst kennzeichnet, ist geprägt von einer raumbasierten Praxis. In seinen Werken thematisiert er die Möglichkeiten zur Intervention und Partizipation genauso, wie er stets die Bedingungen der Produktion und Rezeption von zeitgenössischer Kunst mit reflektiert und kritisch untersucht.
Der kroatische Künstler Antun Maracic trat Mitte der 1970er Jahre an die Öffentlichkeit, und auch seine Arbeit lässt Anknüpfungen an die Tendenzen der damaligen Konzeptkunst zu, wie Sandra Krizic Roban in ihrem Beitrag herausarbeitet. Auch er ist nicht nur als Künstler, sondern als Kunstkritiker und Leiter des Museums für moderne Kunst in Dubrovnik sowie als Vermittler eine der zentralen Figuren in der Kunstszene Kroatiens. Charakteristisch für seine Werke sind von den Anfängen seiner Beschäftigung mit der analytischen Malerei bis heute – wo er sich im Wesentlichen über das Medium Fotografie ausdrückt – „Prozessualität, Entmystifizierung des künstlerischen Aktes, Serialität, Abwesenheit von narrativen Inhalten und das Interesse für die Position des Individuums“ (Krizic Roban). Durch die Erfahrung des Krieges zu Beginn der 1990er Jahre aber muss dem Werk eine weitere Dimension hinzugefügt werden, mit der sich Maracic von anderen, im west-europäischen Kontext verankerten, Künstlerkollegen abgrenzt, ja abgrenzen muss: eine Dimension, die die Kategorie der Angst bzw. des existenziellen Ekels – wie sie Krizic Roban beschreibt – als eine Dimension des Nichts vorführt. Hat derzeit die Re-Definition und Erweiterung des Begriffsapparates zur historischen und zeitgenössischen Konzeptkunst etwa über den Begriff der Romantik gewissermaßen Konjunktur, so böte es sich an dieser Stelle an, die Kategorie der Angst respektive des Nichts bei Antun Maracic in die aktuelle Diskussion zu holen.
Auch die Arbeit des österreichischen Künstlers Peter Dressler lässt eine Verbindung zu Franco Vaccari zu. Dresslers fotografische Arbeit haben wir nicht nur im Rahmen einer Retrospektive unter dem Titel „Greifbare Schönheit“ im vergangenen Jahr vorgestellt, sondern er hat ebenfalls bereits in den 1980er Jahren im Rahmen unseres Symposions über Fotografie zum Thema „Das Bild : der Text“ einen Vortrag beigesteuert. Als „unspektakuläre Suche nach der Abbildhaftigkeit des Wanderns durch die Dinge“ hat er hier seine Arbeitsweise beschrieben, und es liegt auf der Hand, die Bild-Tableaux, wie sie für Dresslers Arbeitsansatz seit den frühen siebziger Jahren charakteristisch sind, als Text zu „lesen“. Auch der Vergleich seiner Vorgangsweise mit der Montagetätigkeit im Film wäre eine mögliche Annäherung an seine Arbeiten – im erwähnten Vortrag spricht er von ihnen als ein „Systemgefüge [?], das mit einem angehaltenen, fixierten Film zu vergleichen ist, mit einem in statische Szenen aufgelösten Film“.
Neben dem Arbeiten in Serien – dem auch Maracic verpflichtet ist – und der zeitlichen Nähe der Anfänge ihrer künstlerischen Arbeit, ergeben sich in diesem Heft noch weitere Verbindungen zwischen den Werken der drei hier vorgestellten Künstler: Zum einen erscheint uns die Untersuchung der spezifischen Möglichkeiten der von ihnen verwendeten Medien im konzeptuellen Ansatz ihrer Arbeiten bezeichnend. Gleichermaßen umschließen diese Arbeiten, über das je eigene Werk hinausgehend, auch eine vermittelnde Praxis, indem sie sich für die theoretische, kunstkritische und historische Debatte um das Medium Fotografie engagieren.
Schließlich möchten wir Ihnen die junge georgische Künstlerin Marika Asatiani vorstellen, deren Projekt „Achara Untitled“ wir bereits im Frühjahr im Rahmen der Gruppenausstellung „Sie befinden sich hier“ nach Graz und damit erstmals in einem westeuropäischen Kontext geholt haben. Vor dem Hintergrund der (historischen und zeitgenössischen) fotografischen Projekte zur „Stilisierung des Alltags“ führt Daniel Baumann in ihre Arbeit ein. Asatiani nutzt für ihre Fotoserien über Georgien eine globale Rhetorik, die sie einsetzt, um unseren Blick auf ortsspezifische Gegebenheiten zu lenken. „Sie nutzt sie als Mittel, um die Distanz des Fotografen zum Gegenüber einzuhalten und offen zu legen und um ihren Blick zu kennzeichnen. Sie weist die zwei Räume als unabhängig aus, das heißt, die Stilisierung setzt diese Fotografien dazu ein, um Raum zu schaffen, nicht, um sich seiner zu bemächtigen. Es ist eine Geste des Respektes, die uns nicht zuletzt erkennen lässt, wie eine globalisierte Sprache angeeignet werden kann, um sie umzudeuten und nutzbar zu machen“ (Baumann).
Rainer Bellenbaum veröffentlicht hier den zweiten Teil seiner vierteiligen Kolumne, in der er sich mit den variablen Dispositiven von Kino- und Ausstellungsraum, sowie mit den daran gekoppelten bildnerischen, dramatischen und erzählerischen Praktiken auseinandersetzt. Beispielgebend führt er hier in die Präsentationsweisen der KünstlerInnen Andreas Fogarasi und Yael Bartana in den unterschiedlichen Großausstellungen wie der diesjährigen Biennale in Venedig (bei der Andreas Fogarasi den ungarischen Pavillon bespielt) und der documenta 12 (Yael Bartana) ein, verbunden mit einem kritischen Seitenblick auf die jeweiligen Ausstellungspolitiken und die daran gekoppelten Abgrenzungsversuche der genannten KünstlerInnen. Zu letztgenannten Großausstellungen finden Sie auch in unserer Sektion der Ausstellungsbesprechungen ausführliche Kritiken von Kirsty Bell und Denise Robinson.
Schon jetzt möchten wir Sie auf unsere kommende Ausgabe hinweisen. Nach 27 Jahren kontinuierlicher redaktioneller und kuratorischer Arbeit erwarten wir (eigentlich mit Erstaunen) dankbar und mit Vorfreude das Erscheinen der 100. Ausgabe unserer Zeitschrift Camera Austria International. Nicht mit einer Jubiläumsausgabe im herkömmlichen Sinn wollen wir diesen Anlass feiern, sondern mit einem thematischen Schwerpunkt-Heft: In Zusammenarbeit mit dem Market Photo Workshop – der Ende der 1980er Jahre von David Goldblatt gegründeten Fotoschule in Johannesburg – wollen wir diese Ausgabe und eine Ausstellung realisieren, um Ihnen die fotografische Arbeit junger Studierender und AbsolventInnen dieser einzigartigen Institution vorzustellen. Dieses ehrgeizige gesellschaftspolitische Projekt hat nicht nur hervorragende künstlerische und journalistische Arbeiten hervorgebracht, sondern bietet jungen Leuten mit dem Besuch des Market Photo Workshop überhaupt erst die Chance einer Ausbildung in einem Land, das sich in einem radikalen Transformationsprozess befindet. Wir freuen uns ganz besonders, dass wir Ihnen mit der Nummer 100 ein Projekt vorstellen dürfen, das in die Zukunft blickt und der Fortsetzung und Fokussierung unserer kontinuierlichen Befragung nach den sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie gewidmet ist.
Christine Frisinghelli
Beiträge
Forum
VESNA PAVLOVIC
RENATA POLJAK
MARíA KJARTANSDOTTIR
MATHIAS LINDEN
NIKOLAUS WEITZER
LUCIA NIMCOVá
MAR COSTA HUGUET
MARLA SWEENEY
Ausstellungen
Shooting Back
MANISHA JOTHADY
Bit International – [Nove] Tendencije: Computer and Visual Research. Zagreb 1961 – 1973
SANDRA KRIZIC ROBAN
WACK! Art and the Feminist Revolution
SANDRA WAGNER
Dateline: Israel. New Photography and Video Art
De L’Europe. A Composite Portrait of a Continent
YOANN VAN PARYS
CINDY SHERMAN
CAROLIN FöRSTER
Documenta 12
DENISE ROBINSON
Blicke, Passanten. 1930 bis heute – Aus der Fotosammlung der Albertina
WALTER SEIDL
What does the Jellyfish Want?
STEFANIE LOH
52. Biennale di Venezia: Think with the Senses – Feel with the Mind. Art in the Present Tense
KIRSTY BELL
Conceptual Photography 1964 – 1989
RACHEL BAUM
Bücher
Seiichi Furuya: Mémoires 1983
MARIE RöBL
Shawn Mortensen: Out of Mind
CARLO MCCORMICK
Joan Colom: Raval
JORGE RIBALTA
Andreas Reiter Raabe: Pure Paint
JOHN ZINSSER
Christian Wachter: Impressions D’Afrique
MICHAEL PONSTINGL
Paul Kranzler: Tom
RüDIGER WISCHENBART
Impressum
Herausgeber, Verleger und für den Inhalt verantwortlich: Manfred Willmann. Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA, Labor für Fotografie und Theorie
Alle: Lendkai 1, A-8020 Graz
Redaktion Graz: Christine Frisinghelli, Tanja Gassler, Simone Kocsar
Redaktion Berlin: Maren Lübbke-Tidow
Lektorat: Marie Röbl