Presseinformationen

Camera Austria International 124 | 2013

Infos

Präsentation:

Kunstquartier Bethanien, Berlin: 12. 12. 2013, 19 Uhr
mit einer Wandarbeit von Jochen Lempert

 

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Pressetext

Das Buch als eigene künstlerische Arbeit hat in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Konjunktur erlebt. Denn mit ihm wird nicht nur eine etwa fotografische Arbeit dokumentiert und distribuiert, sondern werden gleichermaßen ganz eigene Logiken und Erzählweisen – eine neue Werkform eben – etabliert. Insbesondere FotokünstlerInnen nutzen das Medium Buch, mit dem sich serielles Arbeiten gleichermaßen gut abbilden und vermitteln lässt wie die konzeptuell-konzeptionellen Leitmotive eines komplexen Werkgefüges. Als in sich geschlossene Form wurde dem Medium Künstlerbuch in den vergangenen zehn Jahren wieder vermehrt Aufmerksamkeit zuteil. Ausdruck davon sind etwa die geradezu inflationären Gründungen von Künstlerbuchmessen, die (auch) als Gegenpol zu den traditionellen und zunehmend elitistischen Kunstmessen zu verstehen sind und vielen Klein- und Selbstverlagen jenseits des etablierten Kunstmarktgeschehens die Möglichkeit bieten, auf eine Gruppe von KünstlerInnen aufmerksam zu machen, für die das (allen zugängliche, demokratische) Medium Buch zentral für die eigene Arbeit ist. Das Künstlerbuch steht daher hier im Fokus.
Exzeptionell für das Arbeiten mit dem Medium Buch sind die Künstlerbücher des Niederländers Erik van der Weijde, dessen Fotografien fast ausschließlich Verwendung in diesem Medium finden. Erst jetzt, nachdem in über zehn Jahren insgesamt mehr als 40 Zines und Bücher entstanden sind, finden erste Ausstellungen statt, für die er seine Fotografien auch für Präsentationen im Raum ausarbeitet. Für jede seiner Werkserien in Buchform wählt er eigene Formen, Formate, Papiere, begleitende Typografien, Druckverfahren, Bindungen, Covervarianten und Logiken der Rhythmik und Gestaltung. Seine Bücher entstehen im eigenen Verlag 4478 Zine oder aber in Kooperation mit internationalen Independent-Verlagen. An keiner Stelle seiner klug überlegten Künstlerbücher jedoch tritt das fotografische Bild hinter die Gestaltung, im Gegenteil: Ihm ordnet sich alles unter, seine Erzähllogik gilt es zu transportieren. Über das Büchermachen hat Erik van der Weijde ein kurzes Manifest verfasst, das hilft, dem heute oftmals schwammig verwendeten Begriff des Künstlerbuches zur wieder notwendigen Schärfe und Genauigkeit zu verhelfen: Es genießt Kultstatus. Hester Keijser schreibt über das Werk von Erik van der Weijde, seine Künstlerbücher und sein Manifest. Wir freuen uns, bereits jetzt auf eine erste institutionelle Einzelausstellung von Erik van der Weijde in den Räumen von Camera Austria 2014 hinweisen zu können.
Nicht weniger Kultstatus genießen die bereits Ende der 1940er bis Anfang der 1960er Jahre entstandenen Künstlerbücher Robert Franks, die man in diesem Zusammenhang historisch nennen muss. Bemerkenswerterweise aber hat der heute fast 90-jährige Robert Frank in den vergangenen drei Jahren wieder vermehrt publiziert: schmale Heftchen, in denen er kursorisch altes fotografisches Material mit vielen neuen Bildern in kurzen Sentenzen zu überraschend stimmigen Folgen kombiniert. Mit ihnen bildet sich soziales Miteinander ab, das Besondere im Alltäglichen und umgekehrt das Alltägliche im Besonderen – so wie das Leben eines alten Menschen wohl in jeder Sekunde ist: sehr besonders wie auch sehr alltäglich. Rainer Bellenbaum blickt ausgehend von diesen neuen Büchern auf das fotografische Frühwerk Franks als entscheidendes Dispositiv für sein später entstehendes filmisches und fotografisches Werk.
Wie auch Robert Frank arbeitet der deutsche Künstler Jochen Lempert fast ausschließlich mit dem schwarzweißen fotografischen Bild. Stehen bei Robert Frank die Menschen und ihr So- und Dasein im Vordergrund, sind es bei Jochen Lempert Natur und Tiere: Alles scheint von dem Versuch einer Durchdringung des natürlichen Lebensraums, einer Durchdringung verschiedener Ökosysteme geleitet zu sein: Mikrolebewesen werden genauso einer Beobachtung unterzogen wie die Schwarmbildung von Vögeln. Alles hat eine Struktur, Form und Logik, so vordergründig chaotisch oder randständig sie auch zunächst scheinen mag: In Lemperts Büchern werden sie zu Typologien zusammengefasst. Anders als Erik van der Weijde oder Robert Frank hat Jochen Lempert immer wieder Ausstellungen zum Anlass genommen, Bücher herzustellen. Dass es ihm gelungen ist, das Buchformat Museumskatalog in Künstlerbücher zu überformen und selbst hier sehr klar an eigenen konzeptionellen Setzungen festzuhalten, zeugt von seiner Zähigkeit, mit der das Medium Buch eben nicht als Behälter, sondern als Form einer künstlerischen Arbeit aufgefasst wird. Jens Asthoff schreibt über die Fotografien Jochen Lemperts und die Logik seiner Künstlerbücher.
Kaum eine fotografische Werkserie von Susanne Kriemann hat sich nicht nur in einem installativen Zusammenhang erst voll entfaltet, kaum eine ihrer fotografischen Werkserien ist nicht auch in ein eigenes Buchprojekt übersetzt worden: Das Künstlerbuch erscheint für das Verstehen ihrer Arbeit sogar beinahe zwingend. Ihr recherchebasiertes Arbeiten, ihr archäologischer Zugang, das Arbeiten mit Archiven und gefundenen Bildern und Texten sowie das Kombinieren mit eigenem fotografischen Material erfordert eine gestaltete Systematik, die den Gegenstand ihrer Betrachtung nicht unbedingt freilegt, sondern vielmehr Struktur und Halt gibt. Gestaltende Elemente wie Nummerierungen, Titelgebungen, Kapiteleinteilungen oder auch Farben, Schriften, Grafiken geben Narrative vor, die durch die Arbeiten leiten. Immer wieder aber wird gerade mit den oder durch die gestaltenden Elemente in den Büchern Kriemanns der Repräsentationscharakter des fotografischen Bildes überdeutlich, ihre Bilder sind kontextabhängig zu lesen und zu verstehen, Bedeutungen werden ständig verschoben, weil Leseweisen sich verändern oder Bilder in neue Zusammenhänge geraten. Kriemann hat in vielen exzeptionellen Kleinverlagen mit herausragenden Buchgestaltern zusammengearbeitet. Wendy Tronrud hat sich zwischen die Bilder Susanne Kriemanns begeben und arbeitet über ihren literarischen Zugang mögliche Verstehensweisen ihrer Bilder in buchgestalterischen Zusammenhängen heraus.
Das Forum wurde mit Blick auf die Themensetzung dieser Ausgabe von Regine Ehleiter und Rebecca Wilton kuratiert.
Wir freuen uns, schon jetzt auf die kommende Camera Austria International hinzuweisen, mit deren Erscheinen im Frühjahr 2014 wir die 125. Ausgabe unserer Zeitschrift feiern.

Maren Lübbke-Tidow
Reinhard Braun
Dezember 2013
Mit der vorliegenden Ausgabe von Camera Austria International beendet Maren Lübbke-Tidow ihre Tätigkeit als Chefredakteurin unserer Zeitschrift. Bereits seit 1997 hat sie das Projekt Camera Austria als Redakteurin, Autorin, Kuratorin und Vorstandsmitglied wesentlich mitdefiniert, umso mehr, als sie 2011 gemeinsam mit Reinhard Braun die Leitung der Institution übernommen hat. Durch ihre konzeptionellen Weichenstellungen hat Maren Lübbke-Tidow nicht nur wesentlich das Profil der Zeitschrift immer wieder neu geprägt, sondern auch zentrale Debatten rund um die Dispositive zeitgenössischer künstlerischer Fotografie angestoßen, bereichert, vertieft und diesen eine überzeugende Richtung gegeben. Dafür, dass sie ihren kritisch-leidenschaftlichen Blick auf zeitgenössische Fotografie, ihren Ideenreichtum, ihre Leidenschaft am Publizieren und ihre Lust am Text wie am Bild in unsere Zeitschrift, die Ausstellungen und die Bücher eingebracht hat, sind wir ihr zu großem Dank verpflichtet. Wir freuen uns jedenfalls, dass Maren Lübbke-Tidow trotz ihrem Rückzug als Chefredakteurin dem Projekt Camera Austria verbunden bleibt und das Programm auch weiterhin durch Beiträge von ihr mitgestaltet wird.

Reinhard Braun
und das Camera Austria-Team
Dezember 2013

Bildmaterial

Die honorarfreie Veröffentlichung ist nur in Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ausstellung und die Publikation gestattet. Wir ersuchen Sie die Fotografien vollständig und nicht in Ausschnitten wiederzugeben. Bildtitel als Download unter dem entsprechenden Link.

  • Camera Austria International 124/2013, Cover: Erik van der Weijde, aus der Serie / from the series: This is not my Wife, 2012.
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  • Doppelseite aus / Doublepages from Camera Austria International 124/2013. Erik van der Weijde, S. / pp. 46-47.
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  • Doppelseite aus / Doublepages from Camera Austria International 124/2013. Jochen Lempert, S. / pp. 28 – 29.
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  • Doppelseite aus / Doublepages from Camera Austria International 124/2013. Robert Frank, S. / pp. 38 – 39.
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  • Doppelseite aus / Doublepages from Camera Austria International 124/2013. Susanne Kriemann, S. / pp. 12-13.
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