Olivier Richon: After D.L.

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Graz, 1995
deutsch/englisch
40 Seiten
21 cm x 27 cm
7 Farbabbildungen
Brochure

Edition Camera Austria

ISBN: 3-900508-16-X

Herausgeber: Camera Austria in Zusammenarbeit mit f.Stop, Bath.

Mit einem Text von Olivier Richon und einem Gespräch zwischen Olivier Richon und Parveen Adams in Deutsch und Englisch.

Beschreibung

Die Kyniker kennen wir vor allem aus der Lektüre von Diogenes Laertius‘ Leben und Meinungen berühmter Philosophen. Da sie nur als Fragmente und Anekdoten überliefert sind, haben die Taten der Kyniker emblematischen Wert. Man kann sie als Aphorismen und Allegorien im Dienst einer theoretischen Demonstration lesen. Diogenes, der den Ruf eines Hundes hatte, konnte behaupten, er verfüge über nichts als den Gebrauch von Repräsentationen, und als Repräsentationen gewinnen diese Aphorismen heute eine kritische und zeitgemäße Bedeutung. Im Gegensatz zum vulgären Zynismus, der das Denken im Namen von Pragmatismus und Realismus unterdrückt, sind die Darbietungen des Kynikers eine Repräsentation des denkenden Körpers wie ein Emblem eines in Körperfunktionen wurzelnden Denkens und insistieren damit auf die prägenden Aspekte der niederen Sinne.

Darum die folgenden sieben Tableaus: After D.L. sind Stilleben, das niedrigste in der Hierarchie der Genres. Fische und Gemüse, allesamt von einem Markt und von unterhalb der Meeres- bzw. Erdoberfläche, werden auf einem Kaminsims erhöht. Aber auf dem drapierten Samt erscheinen sie wie etwas Schmutziges, ebenso wie die Inschrift der Kynikernamen eine Befleckung des geometrischen und irgendwie platonischen Bildraums darstellt. (…)

Wenn es heißt, daß die Kamera Gegenstände konsumiert, sie verschlingt und einverleibt, um sie in Zeichen umzuwandeln, so verweist das nicht bloß auf Oralität, sondern auch auf einen den Repräsentationsmitteln der Fotografie eigentümlichen Aspekt. Man könnte so erneut behaupten, Fotos seien analoge Zeichen, nicht im Sinne einer Unmittelbarkeit, sondern insofern, als Analogie eine Form der Einverleibung und Assimilation ist: Ein Ding wird einem anderen ähnlich. Analogie wie Kant sie definiert: eine perfekte Entsprechung zweier Verhältnisse zwischen völlig ungleichartigen Dingen. Ist das also eine Art Gastro-Semiotik, bei der die Linse Gegenstände verzehrt und die Produktion des Bildes auf der Konsumtion seines Referenten beruht? Die Fotografie hat zu den Dingen ein ganz bestimmtes Verhältnis; es ist ein beschwerliches, da man die Dinge haben muß, um ein Bild von ihnen zu machen. Das kommt der Situation nahe, die Swift für die Sprache ausmalte; die Idee verhöhnend, Wörter ersetzten Dinge, meint er, wir würden dann alles, worüber wir sprechen wollen, mit uns führen; je mehr einer zu sagen hat, umso mehr Dinge muß er auf seinem Rücken tragen, mit dem Risiko, von ihrem Gewicht erdrückt zu werden.

Olivier Richon