Camera Austria International

92 | 2005

  • ACHIM HOCHDÖRFER
    Louise Lawler: Vorbemerkung zu einer "Phänomenologie der Schnitte"
  • LOUISE LAWLER
  • SØNKE GAU
    Sofie Thorsen: Fertighausträume
  • SOFIE THORSEN
  • BASAK SENOVA
    Osman Bozkurt: Abstoßungsreaktionen und Erinnerungsfetzen
  • OSMAN BOZKURT
  • BRUNO BATINIC
    Laura Samaraweerová: Spuren des Fremdseins
  • LAURA SAMARAWEEROVÁ
  • MANISHA JOTHADY
    Michael Janiszewski: Eine Ästhetik des Eigensinns
  • MICHAEL JANISZEWSKI
  • CARLO MCCORMICK
    Okkultes fürs Auge - Sehen heißt Glauben

Vorwort

Seit 1980 widmet sich Camera Austria der Auseinandersetzung mit Fotografie im Kontext zeitgenössischer Kunst, neuer Medien, neuer Bildtechnologien und gesellschaftlicher Entwicklungen. Besonderes Augenmerk gilt dabei aktuellen Ansätzen, die sich vor dem Hintergrund gesamtkultureller Bedingungen mit dem Medium und dessen Rezeptionsmustern beschäftigen. In einer solch allgemeinen Debatte um Kunst wird auch der Horizont der Fotografie immer wieder neu thematisiert und es schien uns daher nahe liegend, das Werk einer international bereits etablierten Künstlerin neu zur Diskussion zu stellen: Louise Lawler stellt ihren privilegierten Ort als Künstlerin genauso in Frage wie sie institutionelle Grenzbereiche befragt. Das autonome Kunstwerk weist sie als eine Fiktion aus, da dieses von jeher in soziale, historische und thematische Kontexte eingebettet ist. Lawler wurde stets auf ihre modernismus- und institutionenkritische Rolle festgelegt, was – so die These Achim Hochdörfers – den Blick auf andere wichtige Aspekte in ihrem Werk bislang verstellt hat: „Welchen Status etwa besitzen die einzelnen Fotografien bei Lawler? Ästhetisiert sie am Ende das, was entlarvt und als Machtapparat dekonstruiert werden soll?“ Diesen Fragen nähert sich Hochdörfer, indem er u.a. Lawlers künstlerische Praktik des Croppings (das Ausschneiden, Beschneiden und Anschneiden ihrer Fotografien) in Bezug zu Jacques Derridas Ausführungen über das Parergon, das rahmende Beiwerk, analysiert. Im Gegensatz zu Lawler, die die systemischen Zusammenhänge der Kunst nie verlässt, erforscht Sofie Thorsen die Struktur und das Erscheinungsbild von Bereichen außerhalb des Kunstbetriebs. In wechselnden Medien untersucht sie den Wandel dörflicher Wohnformen, Lebensbedingungen und sozialer Strukturen unter dem Einfluss des Tourismus. Der Mythos des gemütlichen Dorfes – so Sønke Gau – wird dabei ebenso als Phantasma entlarvt wie der Versuch Realität zu erfassen.

Volltext

Camera Austria International 92 | 2005
Vorwort

Seit 1980 widmet sich Camera Austria der Auseinandersetzung mit Fotografie im Kontext zeitgenössischer Kunst, neuer Medien, neuer Bildtechnologien und gesellschaftlicher Entwicklungen. Besonderes Augenmerk gilt dabei aktuellen Ansätzen, die sich vor dem Hintergrund gesamtkultureller Bedingungen mit dem Medium und dessen Rezeptionsmustern beschäftigen. In einer solch allgemeinen Debatte um Kunst wird auch der Horizont der Fotografie immer wieder neu thematisiert und es schien uns daher nahe liegend, das Werk einer international bereits etablierten Künstlerin neu zur Diskussion zu stellen: Louise Lawler stellt ihren privilegierten Ort als Künstlerin genauso in Frage wie sie institutionelle Grenzbereiche befragt. Das autonome Kunstwerk weist sie als eine Fiktion aus, da dieses von jeher in soziale, historische und thematische Kontexte eingebettet ist. Lawler wurde stets auf ihre modernismus- und institutionenkritische Rolle festgelegt, was – so die These Achim Hochdörfers – den Blick auf andere wichtige Aspekte in ihrem Werk bislang verstellt hat: „Welchen Status etwa besitzen die einzelnen Fotografien bei Lawler? Ästhetisiert sie am Ende das, was entlarvt und als Machtapparat dekonstruiert werden soll?“ Diesen Fragen nähert sich Hochdörfer, indem er u.a. Lawlers künstlerische Praktik des Croppings (das Ausschneiden, Beschneiden und Anschneiden ihrer Fotografien) in Bezug zu Jacques Derridas Ausführungen über das Parergon, das rahmende Beiwerk, analysiert. Im Gegensatz zu Lawler, die die systemischen Zusammenhänge der Kunst nie verlässt, erforscht Sofie Thorsen die Struktur und das Erscheinungsbild von Bereichen außerhalb des Kunstbetriebs. In wechselnden Medien untersucht sie den Wandel dörflicher Wohnformen, Lebensbedingungen und sozialer Strukturen unter dem Einfluss des Tourismus. Der Mythos des gemütlichen Dorfes – so Sønke Gau – wird dabei ebenso als Phantasma entlarvt wie der Versuch Realität zu erfassen.

Ist bei Thorsen vor allem das Modell Dorf Gegenstand akribischer Untersuchung, so sind es die Nischen des Zusammenlebens jenseits festgefügter räumlicher und gesellschaftlicher Strukturen, die Osman Bozkurt interessieren. Basak Senova entwickelt anhand der von Bozkurt aufgenommenen Situationen ihre These der (unbewussten und flüchtigen) „sozialen Abwehr“, des subtilen Widerstands gegen einen staatsmächtigen Apparat (hier: der Türkei). Das Widerständische findet sich in der Arbeit von Laura Samaraweerová in der Infragestellung von gängigen Schönheits- und Raumvorstellungen, von gängigen Kommunikations- und Umgangsformen sowie von tradierten Gebrauchsverständnissen und Handlungsabläufen. In ihren inszenierten Settings erfahren vermeintliche Alltagsbeobachtungen – so Bruno Batinic – eine Umwandlung hin zu absurd-surreal anmutenden Zusammenhängen und Situationen.

Den Anschein des Absurd-Surrealen vermitteln auch die Arbeiten von Michael Janiszewski. Nachdem wir in der Edition Camera Austria im Jahr 2000 eine erste Monografie seines Werkes herausgegeben haben, der im gleichen Jahr eine Ausstellung und eine Künstleredition folgten, stellen wir seine Arbeiten nun zum ersten Mal in größerem Umfang in unserer Zeitschrift vor: „Fotografischen Bildkonzepten des Surrealismus verwandt, wird das Foto für Janiszewski zum Träger beklemmender Erscheinungen, Metamorphosen, Fetischisierungen, Skandalisierungen und Wahnbildern, in denen Versatzstücke des Alltags regellose, paradoxe Kombinationen eingehen“, schreibt Manisha Jothady.

Danken möchten wir am Ende dieses Jahres unseren AbonnentInnen, LeserInnen und InserentInnen für das anhaltende Interesse an unserem Projekt. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre von Camera Austria Nr. 92 sowie schöne Feiertage und ein gutes Jahr 2006.

Christine Frisinghelli

Beiträge

Forum

KARINA NIMMERFALL

BELAID LE MHARCHI

ANNE KATHRIN GREINER

LAURENT FRIOB

LUCA FACCIO

CORINNE VIONNET

CECILIA JÄRDEMAR

AKIKO SATO

Ausstellungen

Hans-Peter Feldmann und Klaus Heilmann: Frauen im Gefängnis.
Barbara Wien, Berlin
MAREN LÜBBKE-TIDOW

Eine Sammlung als diskursive Formation. Occupying Space. Sammlung Generali Foundation.
Galerie Klovicevi dvori, Zagreb
REINHARD BRAUN

Der soziographische Blick 11: Michaela Moscouw.
Kunstraum Innsbruck
Ein tschechisches Universum: Jindrich Štreit.
Fotoforum West, Innsbruck
MAREN RICHTER

After the Fact: 1. Berlin. Photography Festival 2005.
CAROLIN FÖRSTER

Gregory Crewdson 1985 – 2005.
Kunstverein Hannover
HOLGER RÖMERS

Jeremy Deller.
Kunstverein München
HANS-JÜRGEN HAFNER

Welt-Bilder.
Helmhaus, Zürich
WOLFGANG BRÜCKLE

Der tote Blick. Nützlich – süss – museal. Das Fotografierte Tier.
Museum Folkwang, Essen
KERSTIN STREMMEL

I have a picture. Coolhunters. Jugendkulturen: Zwischen Medien und Markt.
ZKM, Karlsruhe; Künstlerhaus Wien
REINHARD BRAUN

Jonathan Monk: Continuous Project Altered Daily.
ICA, London
NIELS HENRIKSEN

Czech Photography of the 20. Century.
Museum of Decorative Arts, and the City Gallery Prague
ALES KUNES

IX. Baltic Triennial of International Art
CAC – Centre for Contemporary Art, Vilnius
WALTER SEIDL

Aglaia Konrad: Iconocity.
De Singel, Antwerp
ELENA FILIPOVIC

Bill Brandt.
Fondation Henri Cartier-Bresson, Paris
ANNE BERTRAND

Ron Terada / Xu Zhen: Monkey Work Coconut.
Mercer Union, Toronto
TERENCE DICK

9. International Istanbul Biennal: Instanbul.
DENISE ROBINSON

Oliver Payne & Nick Relph.
Serpentine Gallery, London
KIRSTY BELL

Bücher

Peter Dressler: Eher seltene Rezepte.
Fotohof edition, Salzburg
ANDREA DOMESLE

Wolfgang Tillmans: truth study center.
Taschen, Köln
MAREN LÜBBKE-TIDOW

Jules Spinatsch: Temporary Discomfort.
Lars Müller Publishers, Baden
KRYSTIAN WOZNICKI

Was ist es, das wir Ego nennen? Katharina Sieverding: Close Up.
P.S.1, New York, Kunst-Werke, Berlin
GISLIND NABAKOWSKI

Impressum

Herausgeber, Verleger und für den Inhalt verantwortlich: Manfred Willmann. Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA, Labor für Fotografie und Theorie
Alle: Lendkai 1, A-8020 Graz

Redaktion Graz: Reinhard Braun, Christine Frisinghelli, Tanja Gassler, Manisha Jothady
Redaktion Berlin: Maren Lübbke-Tidow

Lektorat: Marie Röbl
Übersetzungen: Wilfried Prantner, Richard Watts