Camera Austria International

158 | 2022

  • DUNCAN FORBES
    Immaterieller Tramp
  • MICHAEL MANDIBERG
  • MARINA VISHMIDT
    Sicherheitstheater. Über Pilvi Takalas Close Watch
  • PILVI TAKALA
  • ANTHONY CARFELLO
    Mit Kathi Hofer bei der Arbeit
  • KATHI HOFER
  • JENS ASTHOFF
    Natur des Menschen
  • LAURA BIELAU
  • OLAMIJU FAJEMISIN
    Die Kehrwertfunktion der Zeit
  • LARRY ACHIAMPONG

Vorwort

Viele der in dieser Ausgabe vorgestellten Beiträge stellen die Frage, wie sich Künstler*innen im Spannungsfeld von kreativer und Lohnarbeit positionieren, wie es gelingen kann, postindustrielle Arbeitsformen von Innen heraus zu revolutionieren, diese sozial verträglicher zu gestalten und ein Bewusstsein für im Verborgenen stattfindende Tätigkeiten zu schaffen.

Volltext

Camera Austria International 158 | 2022
Vorwort

Viele der in dieser Ausgabe vorgestellten Beiträge stellen die Frage, wie sich Künstler*innen im Spannungsfeld von kreativer und Lohnarbeit positionieren, wie es gelingen kann, postindustrielle Arbeitsformen von Innen heraus zu revolutionieren, diese sozial verträglicher zu gestalten und ein Bewusstsein für im Verborgenen stattfindende Tätigkeiten zu schaffen.

Ausgehend von Michael Mandibergs Film Postmodern Times (2017) sowie den Langzeitprojekten Quantified Self Portrait (One Year Performance) (2016–2017) und Live Study (seit 2019) arbeitet Duncan Forbes heraus, wie Mandiberg digital angebotene kreative Dienstleistungen, Möglichkeiten der Quantifizierung, aber ebenso Technologien der (Selbst-)Überwachung am Arbeitsplatz nutzt, um künstlerisches Arbeiten zu reflektieren. In seinem Beitrag legt Forbes dar, wie die Werke Mandibergs »die Komplexität von Beziehungen – menschlichen, wirtschaftlichen, materiellen, technologischen –, die oftmals in der mythischen Autonomie von Künstler*innen münden«, verhandeln.

Pilvi Takala geht es um Formen normativen sozialen Verhaltens, wenn sie sich undercover in ihren performativen Projekten in bestimmte Arbeitskontexte hineinbegibt und versucht, deren Mechanismen und Strukturen zu unterwandern. Am Beispiel des Projektes Close Watch (2022) beschreibt Marina Vishmidt, wie Takala die Institutionskritik »externalisiert«: »Sie arbeitet mehr infrastrukturell als konventionell kritisch, in der Hoffnung, zumindest einen Standort oder die Unternehmenskultur dieses einen Sicherheitsunternehmens zu verändern, indem sie sich dessen Innerstes als ›Close-up‹ anschaut, anstatt sich ihm nur von außen und mit vorgefertigten, wenn auch richtigen Schlussfolgerungen zu nähern.«

Kathi Hofer reflektiert in ihren Fotografien und Installationen ebenfalls bestehende, teils auch historische Arbeitskontexte – sei dies die Firmengeschichte der österreichischen Walkjanker-Marke Hofer, eine Gruppe von Schauspielern, die ihr Publikum an die ame­rikanische Frontier zurückversetzt, oder die obsessive Arbeit der Künstlerin und Sammlerin Tressa Prisbrey, die über zwei Jahrzehnte hinweg ein Dorf aus Alltagsmaterialien in der kalifornischen Wüste errichtete. »Hofers Praxis […] erinnert an den Ansatz des US-amerikanischen Chronisten Studs Terkel in seiner Interview-Sammlung Working (1983), in der ›Menschen darüber sprechen, was sie den ganzen Tag tun, und wie es ihnen mit dem geht, was sie tun‹«, wie Anthony Carfello schreibt.

Jens Asthoff verbindet in seinem Text über Laura Bielau deren Serien ARBEIT (2016–2019) und TEST (2018–2022) und arbeitet heraus, wie die Künstlerin zumeist über einen längeren Zeitraum hinweg und ähnlich einer Forscherin bestimmte Themen fotografisch umkreist, um daraus umfassende Werkgruppen zu entwickeln, in denen kein Bild für sich allein steht. »Bielau orientiert den Kompositionsprozess an lose assoziativer Lesbarkeit, die im Detail dann oft auf raffiniert lancierten Links basiert, sie lässt Narrative entstehen und lenkt den Blick über Bande, aber ausdrücklich ohne Erzählstrang und Plots. Eher verschränken sich Motive zu gesteigerter Deutbarkeit.«

Olamiju Fajemisin verortet das Schaffen Larry Achiampongs zwischen autobiografischen, von postkolonialer Kritik getragenen Erzählungen und dem, was der Künstler als »Sanko-Zeit« bezeichnet. In seinen Filmen entspinnt sich ein Netz panafrikanischer Geschichten, die über Orte und Zeiten hinweg Kritik an weißer Vorherrschaft, den Arbeitsbedingungen prekär beschäftigter und aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängter Personen und wirtschaftlicher Ausgrenzung üben. »Achiampong bringt durch geschicktes Verweben von persönlicher und kollektiver Erinnerung ein Werk hervor, dessen Schönheit in seiner Universalität liegt, auch wenn es zum Teil nur durch das kontextuelle Schlüsselloch des Weltverständnisses eines einzelnen Mannes zugänglich ist«, wie Fajemisin schreibt.

Nicht zuletzt freuen wir uns, dass wir das Forum dieser Ausgabe gemeinsam mit Sharon Ya’ari entwickeln konnten, dessen Arbeit 2015 in der Ausstellung Disputed Landscape – Enacting Landscape bei Camera Austria in Graz gezeigt wurde. Im Forum stellt er die Arbeiten von sechs seiner (ehemaligen) Studierenden an der Bezalel Academy of Arts and Design in Jerusalem vor und gibt einen Einblick in deren Praxis.

Christina Töpfer und das Camera Austria-Team
Juni 2022

Cover: Laura Bielau, o. T., aus: TEST, 2018–22. Material und Größe variabel.

Beiträge

Forum

Vorgestellt von Sharon Ya’ari:
Essa Grayeb
Natasha Levus
Hadas Satt
Ariel Hacohen
Lihi Binyamin
Michael Tzur

 

Ausstellungen

Fata Morgana Festival
Jeu de Paume, Paris, 22. 3. – 22. 5. 2022
NINA STRAND

Ricarda Roggan
Leonhardi-Museum Dresden, 9. 4. – 19. 6. 2022
Ricarda Roggan: Der dunkle Wunsch der Dinge
MdbK – Museum der bildenden Künste Leipzig, 10. 2. – 6. 6. 2022
SABINE MARIA SCHMIDT

Dayanita Singh: Dancing with My Camera
Gropius Bau, Berlin, 18. 3. – 7. 8. 2022
Museum Villa Stuck, Munich, 11. 9. 2022 – 15. 1. 2023
MUDAM Luxembourg, 20. 5. – 8. 10. 2023
Serralves Museum of Contemporary Art, Porto, February – June 2024
STEVEN HUMBLET

Deana Lawson
MoMA PS1, New York, 14. 4. – 5. 9. 2022
High Museum of Art, Atlanta, 7. 10. 2022 – 19. 2. 2023
ICA – Institute of Contemporary Art, Boston, 4. 11. 2021 – 27. 2. 2022
MARCUS CIVIN

Carrie Mae Weems: The Evidence of Things Not Seen
WKV – Württembergischer Kunstverein Stuttgart, 2. 4. – 10. 7. 2022
Fundación MAPFRE, Barcelona, 6. 10. 2022 – 15. 1. 2023
CHRISTINA TÖPFER

Alanis Obomsawin: The Children Have to Hear Another Story
HKW – Haus der Kulturen der Welt, Berlin, 12. 2. – 18. 4. 2022
JULIA GWENDOLYN SCHNEIDER

Widerständige Musen: Delphine Seyrig und die feministischen Videokollektive im Frankreich der 1970er- und 1980er-Jahre
Kunsthalle Wien, Museumsquartier, 7. 4. – 4. 9. 2022
Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, Madrid, 25. 9. 2019 – 27. 7. 2020
LaM – Lille Métropole Musée d’art moderne, d’art contemporain et d’art brut, Villeneuve-d’Ascq, 5. 6. – 22. 9. 2019
ULRIKE MATZER

Sandra Lahire, Celeste Burlina: we sat rigid except for the parts of our bodies that were needed for production
Grazer Kunstverein, Graz, 9. 4. – 29. 5. 2022
MARGIT NEUHOLD

Aykan Safoğlu: Ebbe/Flut
Coalmine, Winterthur, 11. 2. – 15. 5. 2022
DANIEL BERNDT

Yalda Afsah: Every word was once an animal
Kunstverein München, Munich, 15. 1. – 10. 4. 2022
Halle für Kunst Steiermark, Graz, 25. 6. – 4. 9. 2022
MITCH SPEED

Bruno Serralongue: For Life
Frac Île-de-France, Le Plateau, Paris, 27. 1. – 24. 4. 2022
ESTELLE NABEYRAT

Eline Mugaas: New Objects and Photo­graphs
Galleri Riis, Oslo, 31. 3. – 7. 5. 2022
Wolfgang Tillmans: After Venice
Peder Lund, Oslo, 5. 3. – 28. 5. 2022
Queer Icons
Fotogalleriet, Oslo, 19. 3. – 8. 5. 2022
ASHIK and KOSHIK ZAMAN

Seiichi Furuya: Rewriting Memory
Seiichi Furuya, First Trip to Bologna 1978 / Last Trip to Venice 1985
Chose Commune, Marseille 2022
Fotografia Europea: An Invincible Summer
Reggio Emilia, 29. 4. – 12. 6. 2022
Photolux Festival: You Can Call It Love
Lucca, 21. 5. – 12. 6. 2022
MARIACARLA MOLÈ

Bücher

Long Exposure to Womanhood
Karen Marshall, Between Girls
Kehrer Verlag, Heidelberg 2021
JUNE DREVET

Eske Schlüters, Alles kann ein Bild von allem sein
Passagen Verlag, Wien 2021
FABIAN GOPPELSRÖDER

Mateusz Sadowski, Reflex Wander
Disastra Publishing, Poznań 2022
EWA BORYSIEWICZ

Talking Books
Erik van der Weijde in Conversation with . . . Anna Planas and Pierre Hourquet

Impressum

Herausgeber: Reinhard Braun

Verlag, Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA. Labor für Fotografie und Theorie.
Lendkai 1, 8020 Graz, Österreich

Redaktion: Margit Neuhold, Jakob Thaller (Redaktionsassistenz), Christina Töpfer (Chefredaktion).

Übersetzer*innen: Dawn Michelle d’Atri, Anja Büchele, Amy Klement, Nikolaus G. Schneider, Andrea Scrima, Andrea Titze-Grabec, Sabine Weier.

Englisches Lektorat: Dawn Michelle d’Atri.

Dank: Larry Achiampong, Jens Asthoff, Laura Bielau, Lihi Binyamin, Anthony Carfello, Rica Cerbarano, Olamiju Fajemisin, Duncan Forbes, Essa Grayeb, Ariel Hacohen, Kathi Hofer, Pierre Hourquet, Rosa Kuosmanen, Natasha Levus, Håkon Lille­graven, Michael Mandiberg, Mariacarla Molè, Anna Planas, Hadas Satt, Andrea Scrima, Nina Strand, Reece Straw, Batia Suter, Pilvi Takala, Michael Tzur, Marina Vishmidt, Erik van der Weijde, Sharon Ya’ari.

Copyright © 2022
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck nur mit vorheriger Genehmigung des Verlags. Für übermittelte Manuskripte und Originalvorlagen wird keine Haftung übernommen.

ISBN 978-3-902911-68-1
ISSN 1015 1915
GTIN 4 19 23106 1800 9 00158