Camera Austria International

157 | 2022

  • JENELLE PORTER
    Projektionist
  • PIERRE LEGUILLON
  • R. H. LOSSIN
    Kapitalismus und Psychoanalyse
  • MARGE MONKO
  • MARCUS CIVIN
    Mirage
  • PACIFICO SILANO
  • SABETH BUCHMANN
    Ein Bild nach dem anderen. Überlegungen zu Michele Abeles’ fotografischem Werk
  • MICHELE ABELES
  • STANTON TAYLOR
    Petro-Surrealismus
  • LUCIE STAHL

Vorwort

Die heterogenen Formen, in denen künstlerische Abbildungen, Wer­­be- und Medienbilder, Strategien der Warenpräsentation sowie die Ephemera und räumlichen Manifestationen des (Spät-)Kapitalismus unseren Alltag prägen und die damit verbundene Frage, welche Geschichten, Begehren und Abgründe, welche Formen der Entfremdung und Verdrängung hinter diesen Bildern liegen könnten, beschäftigen die in dieser Ausgabe vorgestellten Künstler*innen.

Volltext

Camera Austria International 157 | 2022
Vorwort

Die heterogenen Formen, in denen künstlerische Abbildungen, Wer­­be- und Medienbilder, Strategien der Warenpräsentation sowie die Ephemera und räumlichen Manifestationen des (Spät-)Kapitalismus unseren Alltag prägen und die damit verbundene Frage, welche Geschichten, Begehren und Abgründe, welche Formen der Entfremdung und Verdrängung hinter diesen Bildern liegen könnten, beschäftigen die in dieser Ausgabe vorgestellten Künstler*innen.

In nur 13 Abbildungen und 1 500 Worten arbeitet Jenelle Porter die metareferenzielle Praxis des »Bildersammlers« Pierre Leguillon heraus und verortet diese in einem Netz von kunsthistorischen, medien- und zeitenübergreifenden Bezügen. Anhand ausgewählter Beispiele, die von Leguillons sorgfältig erarbeiteten Diashows durch verschiedenste Themen der Kunstgeschichte über Filmprojektionen bis hin zur kunsthistorischen und medialen Verwertung von Ikonen der Fotografie reichen, veranschaulicht die Autorin, wie es dem Künstler immer wieder gelingt, »den Paratext von Kunstwerken in den Vordergrund zu stellen, also die Gesamtheit des organisatorischen Apparats, der Kunstausstellungen begleitet und unterstützt: Einladungen, Kisten, Vermittlungsprogramm etc.«

Auch Marge Monko bewegt sich in einem Feld vielfältiger Bezüge, wobei sie insbesondere die Zusammenhänge zwischen modernistischem Fortschritt und der gesellschaftlichen Rolle der Frau ins Zentrum rückt. R. H. Lossin betrachtet die Arbeit der Künstlerin vor dem Hintergrund von Sigmund Freuds Studie Das Unbehagen in der Kultur und arbeitet heraus, wie sich die Malaise und das Unbehagen der (spät-)kapitalistischen Gesellschaft in Monkos Arbeiten widerspiegeln: »Als Ganzes betrachtet insistiert Monkos Werk vor allem auf das dialektische Leben von Bildern; und ein wesentliches Element dieser These über das gesellschaftliche Leben von Bildern – ihre Rolle in der Konstruktion von Realität und die Realität oder ›Realität‹, die sie wiederum abbilden – ist die zentrale Stellung von weiblichen Körpern in ihrem Werk.«

»Ich fühle mich von Bildern angezogen, die mich verführen, aber gleichzeitig abstoßen. Ich will an der Oberfläche verführen, zugleich soll man sich jedoch auch vor dem Bild unwohl fühlen. […] Mich interessieren komplexe Gespräche über toxische Männlichkeit und die Fetischisierung von Macht […]«, beschreibt Pacifico Silano seine umfassende Auseinandersetzung mit dem Bildmateri­al aus Schwulenmagazinen der späten 1970er- und frühen 1980er-Jahre. Marcus Civin arbeitet in seinem Beitrag heraus, inwiefern sich Unabwägbarkeiten, aber auch kritisches Potenzial unter den Oberflächen der von Silano zusammengetragenen Medienbilder, de­­­ren Funktion es ist, Begehren zu erzeugen, auftun.

Auch die Arbeiten von Michele Abeles sind von einem differenzierten Blick auf medial vermittelte Bilder geleitet. Sabeth Buchmann beschreibt die Künstlerin in ihrer »Rolle einer Gegenwartsporträtistin«, die sich sehr genau der visuellen Codes und Strategien der Selbst- wie auch der Warenpräsentation durch Fotografie bewusst ist. »Damit ist ihr Blick auf die Genres, Styles und Looks gemeint, mit welchen Menschen sich selbst und ihre Umgebung entwerfen, durch welche sie ihrerseits codiert und gedeutet werden.« In ihrem Text macht Buchmann deutlich, dass die einzelnen Bilder Abeles’ in diesem System nie für sich allein stehen, sondern sich stets im »Rahmen integrierter Mediensysteme« bewegen und damit in interreferenzieller Weise miteinander kommunizieren.

Stanton Taylor situiert die Fotografien, Skulpturen und Installationen Lucie Stahls vor dem Hintergrund des von Bertolt Brecht um 1930 beschriebenen »Petroleumkomplex«. Doch geht es Stahl nicht um die Dokumentation logistischer und ökonomischer Prozesse, die hinter der Förderung von Öl stehen, oder das Teilen einer bestimmten Narration. »Bei dem Versuch, sich einem Thema anzunähern, das fast zu komplex ist, um es in Worte zu fassen, zieht sie das Heranzoomen auf die Details einem unmöglichen Überblick vor.« Ihre bisweilen abstrakt-surrealen Arbeiten machen vielmehr deutlich, wie hinter den Expansions- und Konsumversprechen des Kapitalismus etwas Unergründliches und auch Bedrohliches steht.

Christina Töpfer und das Camera Austria-Team
März 2022

Cover: Michele Abeles, 10/14/2019, 4:36 PM, 2020. Thermo-Sublimationsdruck auf Aluminium, 78,74 × 54,61 cm.

Beiträge

Forum

Vorgestellt von Sandra Križić Roban:
Ana Hušman
Glorija Lizde
Davor Sanvincenti
Denis Butorac
Jaka Babnik
Maria Kapajeva

Ausstellungen

Ludwig Wittgenstein: Fotografie als analytische Praxis
Leopold Museum, Wien, 12. 11. 2021 – 27. 3. 2022
CHRISTINA NATLACEN

Wolfgang Tillmans: Schall ist flüssig
mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, 27. 11. 2021 – 28. 4. 2022
KATHARINA MANOJLOVIC

Annika Elisabeth von Hausswolff: Alternative Secrecy
Moderna Museet Stockholm, 23. 10. 2021 – 20. 2. 2022
Moderna Museet Malmö, 9. 4. – 11. 9. 2022
ASHIK und KOSHIK ZAMAN

R. H. Quaytman: Modern Subjects. Chapter Zero
WIELS – Centre for Contemporary Art, Brussels, 10. 9. 2021 – 30. 1. 2022
STEFAN VANTHUYNE

Bilder, Dokumente, Artefakte: 40 Jahre FOTOHOF
FOTOHOF, Salzburg, 23. 11. 2021 − 19. 3. 2022
RUTH HORAK

Stefano Graziani: Documents on Raphael
Palladio Museum, Vicenza, 23. 10. 2021 – 20. 2. 2022
FRIDA CARAZZATO

Über die Provinz, Prosa und Poesie des Lebens
Harald Hauswald: Voll das Leben! Reloaded
C/O Berlin, 11. 12. 2021 – 21. 4. 2022
Gundula Schulze Eldowy: Mangoblüte & Windrose. Polaroids, Stills und Filme 1991 – 2004
Galerie Pankow, Berlin, 17. 11. 2021 – 23. 1. 2022
PETER KUNITZKY

The Rules of the Game in Contemporary Photography
WOLFGANG BRÜCKLE und RICA CERBARANO im Gespräch mit MATTEO BITTANTI und MARCO DE MUTIIS

Data Streams: Art, Algorithms and Artificial Intelligence
The Glucksman, University College Cork, 3. 12. 2021 – 13. 3. 2022
FIONA HALLINAN

Vlatka Horvat: By Hand, on Foot
Peer, London, 4. 2. – 2. 4. 2022
ORIT GAT

James Gregory Atkinson: 6 Friedberg-Chicago
Dortmunder Kunstverein, 11. 12. 2021 – 13. 3. 2022
ANNA BROHM

True Pictures?
Zeitgenössische Fotografie aus Kanada und den USA
Sprengel Museum, Hannover, 6. 11. 2021 – 13. 2. 2022
Museum der Moderne Salzburg, 12. 3. – 26. 6. 2022
LaToya Ruby Frazier
Kunstmuseum Wolfsburg, 30. 10. 2021 – 10. 4. 2022
Vom Dokument zum Konzept
Museum für Photographie Braunschweig, 11. 9. – 5. 12. 2021
ANDREAS PRINZING

Ruins of Exploitation and Extraction
Sugar: Industrial Heritage and Colonialism
< rotor > – Centre for Contemporary Art, Graz, 9. 10. 2021 – 29. 1. 2022
MARGIT NEUHOLD

Bücher

Emma Lewis, Photography: A Feminist History. Gender Rights and Gender Roles on Both Sides of the Camera
Ilex by Octopus Publishing Group; TATE, London 2021
SABINE WEIER

Invalidenstraßen
Ulrich Wüst, Stadtbilder 1979 – 1985
Hartmann Books, Stuttgart 2021
JOCHEN BECKER

Caroline Heider, Ruth Horak, Lisa Rastl, Claudia Rohrauer, Photography as Motif
Mark Pezinger Books, Vienna 2021
TACO HIDDE BAKKER

Talking Books
Erik van der Weijde in Conversation with . . . Himself
Erik van der Weijde: This Is Not My Book
Spector Books, Leipzig 2017
Erik van der Weijde (ed.): Subway Magazine #8
4478zine, Amsterdam 2016 (eng.)
Erik van der Weijde: Bollenveld
Roma Publications, Amsterdam 2019
Erik van der Weijde: Lithium
Roma Publications, Amsterdam 2020
Erik van der Weijde: BRUTALISM, BEACH, LAMBORGHINI, BIRDS, SCARLETT JOHANSSON, TALI­BAN
Self-published, Amsterdam 2021

Impressum

Herausgeber: Reinhard Braun

Verlag, Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA. Labor für Fotografie und Theorie.
Lendkai 1, 8020 Graz, Österreich

Chefredaktion: Christina Töpfer.
Redaktion: Margit Neuhold.

Übersetzer*innen: Dawn Michelle d’Atri, Ben Bazalgette, Anja Büchele, Andrea Rožić, Philipp Rühr, Andrea Scrima, Andrea Titze-Grabec, Rebecca Wilton.

Englisches Lektorat: Dawn Michelle d’Atri.

Dank: Michele Abeles, Jaka Babnik, Sabeth Buchmann, Denis Butorac, Marco Cadioli, Marcus Civin, Christopher Clarke, Regine Ehleiter, Silvia Franceschini, Otto Hoch­reiter, Ana Hušman, Maria Kapajeva, Kat Köppers, Sandra Križić Roban, Jasmine Lee, Pierre Leguillon, Paul Albert Leitner, Glorija Lizde, R. H. Lossin, Marge Monko, Katharina Murschetz, Ilona Németh, Max Pinckers, Klaus Pokorny, Jenelle Porter,
Davor Sanvincenti, Gundula Schulze Eldowy, Pacifico Silano, Lucie Stahl, Kate Strain, Mike Tan, Akihiko Taniguchi, Stanton Taylor, Stefan Vanthuyne, Alison Wright, Ayelet Yanai, Ashik & Koshik Zaman.

Copyright © 2022
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck nur mit vorheriger Genehmigung des Verlags. Für übermittelte Manuskripte und Originalvorlagen wird keine Haftung übernommen.

ISBN 978-3-902911-67-4
ISSN 1015 1915
GTIN 4 19 23106 1800 9 00157