Camera Austria International

116 | 2011

  • BETTINA STEINBRÜGGE
    Maryam Jafri: Stumme Zeugen. Independence Day 1936–1967
  • MARYAM JAFRI
  • KATRIN MUNDT
    Sven Augustijnen: Eine Gruft, deren Schlüssel man in Gewahrsam hält
  • SVEN AUGUSTIJNEN
  • AXEL JON WIEDER
    Global Prayers: Imagination einer neuen Ordnung durch Erlösung. Bilder vom Glauben
  • GLOBAL PRAYERS
  • JOCHEN BECKER
    Global Prayers: Never Expect Power Always. Überlegungen zu Licht, Macht und Religion
  • ANNETT BUSCH
    Michael Mrakitsch: Sprache im Bild
  • MICHAEL MRAKITSCH
  • WALID SADEK
    A Time to See 4/4: Die Gegenwart des Beinahe-Blindseins

Vorwort

Die Beschäftigung mit Fragen nach Gemeinschaftlichkeit hat sowohl das diesjährige Ausstellungsprogramm von Camera Austria bestimmt als auch Spuren in der Zeitschrift hinterlassen. Nach Beiträgen von Yael Bartana, Heidrun Holzfeind, Sanja Iveković und Martin Beck publizieren wir im Zusammenhang mit dieser Debatte um Identitätspolitik und Repräsentation, mit Fragen nach der Rolle von fotografischen Bildern bei der Fixierung von »Images« hier die Arbeiten von Sven Augustijnen, Michael Mrakitsch und Maryam Jafri. »Independence Day« (seit 2009) von Maryam Jafri zeigt Unabhängigkeitszeremonien ehemaliger Kolonien von Asien bis Nordafrika.
Sie werden als Übergang für die Formulierung einer neuen Repräsentation von Nation und »eigener« Kultur präsentiert, die sich gleichermaßen Ritualen der ehemaligen Kolonialmächte bedienen, wie sie einer sich globalisierenden Zeichensprache von »Demokratie« verpflichtet bleiben. Die Frage nach der Konstitution von Gemeinschaft wird dabei sozusagen auf der Meta-Ebene des Nationalstaates gestellt.
Der Protagonist des Filmes »Spectres« (2011), Jacques Brassinne de La Buissière, reproduziert in der Wiederaufführung des bis heute unaufgeklärten politischen Mordes an Patrice Lumumba vergleichbare hegemoniale Muster des Zeigens und Bewertens von Geschichte. Unser Unbehagen am Schulterschluss mit der falschen Seite – Brassinne war zur Zeit der Hinrichtung Lumumbas für das belgische Generalkonsulat in Katanga tätig – ist dabei konstitutives Element des Films und der Fotografien von Sven Augustijnen. Er mutet uns die Zählebigkeit einer normativen Geschichtskonstruktion zu, bevor sie sich unter dem Druck der Fülle widersprüchlicher Indizien selbst demontiert.

Volltext

Camera Austria International 116 | 2011
Vorwort

Die Beschäftigung mit Fragen nach Gemeinschaftlichkeit hat sowohl das diesjährige Ausstellungsprogramm von Camera Austria bestimmt als auch Spuren in der Zeitschrift hinterlassen. Nach Beiträgen von Yael Bartana, Heidrun Holzfeind, Sanja Iveković und Martin Beck publizieren wir im Zusammenhang mit dieser Debatte um Identitätspolitik und Repräsentation, mit Fragen nach der Rolle von fotografischen Bildern bei der Fixierung von »Images« hier die Arbeiten von Sven Augustijnen, Michael Mrakitsch und Maryam Jafri. »Independence Day« (seit 2009) von Maryam Jafri zeigt Unabhängigkeitszeremonien ehemaliger Kolonien von Asien bis Nordafrika.
Sie werden als Übergang für die Formulierung einer neuen Repräsentation von Nation und »eigener« Kultur präsentiert, die sich gleichermaßen Ritualen der ehemaligen Kolonialmächte bedienen, wie sie einer sich globalisierenden Zeichensprache von »Demokratie« verpflichtet bleiben. Die Frage nach der Konstitution von Gemeinschaft wird dabei sozusagen auf der Meta-Ebene des Nationalstaates gestellt.
Der Protagonist des Filmes »Spectres« (2011), Jacques Brassinne de La Buissière, reproduziert in der Wiederaufführung des bis heute unaufgeklärten politischen Mordes an Patrice Lumumba vergleichbare hegemoniale Muster des Zeigens und Bewertens von Geschichte. Unser Unbehagen am Schulterschluss mit der falschen Seite – Brassinne war zur Zeit der Hinrichtung Lumumbas für das belgische Generalkonsulat in Katanga tätig – ist dabei konstitutives Element des Films und der Fotografien von Sven Augustijnen. Er mutet uns die Zählebigkeit einer normativen Geschichtskonstruktion zu, bevor sie sich unter dem Druck der Fülle widersprüchlicher Indizien selbst demontiert.
Einem durchaus verwandten Diskurs sind die Beiträge von Axel John Wieder und Jochen Becker verpflichtet: »the Urban Cultures of Global Prayers« wurde im November 2011 als Ausstellung mit 14 KünstlerInnen in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin, eröffnet, und wird ab Januar 2012 bei Camera Austria zu sehen sein. »Global Prayers« dreht sich um Fragen der Veränderung des Städtischen durch Religion, aber auch einer neuen Sichtbarkeit des Religiösen in städtischen Öffentlichkeiten. Das Projekt konturiert Problemfelder von Bildlichkeiten, die (scheinbares) Wissen fortschreiben, Differenzen markieren und befestigen und eine unüberbrückbare Kluft innerhalb eines »Mit-Seins« einführen, die unsere Gesellschaften durchzieht.
Michael Mrakitsch war wohl einer der wichtigsten Dokumentarfilmer der letzten 40 Jahre in Deutschland. Seine Filme, die ihn u.a. nach Djibouti und in den Libanon führten, waren geprägt von einer kritischen Reflexion über die ambivalente Komplizenschaft des Dokumentarfilmers mit der Erwartung an die eigenen Bilder. Seine Filme durchziehen dichte sprachliche Kommentare nicht des Gesehenen, sondern der Umstände, unter denen gesehen und gefilmt werden kann. »Für die Nachhut der Kolonisatoren ist die Fremde keine Unbekannte mehr. Wir haben sie längst gut im Kopf, so gut, dass wir auch kaum bemerken, wie die Scheu vor unserer kultivierten Neugier uns manchmal zum Beutebild gerät.« Diese Zitat von Mrakitsch führt auf kongeniale Weise zum anschließenden Beitrag von Walid Sadek über »Die Gegenwart des Beinahe-Blindseins«, mit dem wir unsere vierteilige Kolumne »A Time to See« abschließen.
Die unausgesetzte Befragung der Voraussetzungen von Bildproduktionen bildet einen gemeinsamen Horizont der Debatte der vorliegenden Ausgabe – eine Debatte um (fotografische) Bilder als nach wie vor umstrittenes visuelles Terrain, als »Dokumentalität«, wie es Hito Steyerl bezeichnet hat. Ein Begriff, der Bilder auch als eine Form von Politik und Technologie von Wahrheit adressiert.
Das Forum mit sechs KünstlerInnen aus Los Angeles hat Sharon Lockhart für uns kuratiert und mit ihnen eine stringente Ausstellung im Heftformat inszeniert.

Maren Lübbke-Tidow, Chefredaktion
Reinhard Braun, Herausgeber

Beiträge

Forum

Presented by Sharon Lockhart:

AMANDA ROSS-HO

LISA ANNE AUERBACH

LISA OHLWEILER

ELAD LASSRY

ALEX SLADE

CARLY STEWARD

Ausstellungen

Second Worlds
steirischer Herbst, various venues, Graz
WALTER SEIDL

Unheimlich vertraut. Bilder vom Terror
C/O Berlin
Seeing is believing
KW Institute for Contemporary Art, Berlin
SUSANNE HOLSCHBACH

Terrible Beauty: Art, Crisis, Change & The Office of Non-Compliance
Dublin Contemporary 2011
various venues, Dublin
MATT PACKER

The Eye Is a Lonely Hunter. Images of Humankind
4. Fotofestival Mannheim Ludwigshafen Heidelberg
Verschiedene Orte
MAREN LÜBBKE-TIDOW

Rollenbilder – Rollenspiele
Museum der Moderne, Salzburg
DANIELA BILLNER

Ulrike Ottinger: Floating Food
Haus der Kulturen der Welt, Berlin
REINHILD FELDHAUS

Haute Culture: General Idea. A Retrospective, 1969–1994
Art Gallery of Ontario, Toronto
CHRISTOPHER RÉGIMBAL

Carlo Mollino: Maniera Moderna
Haus der Kunst, München
EVA MARIA STADLER

Gdzie Jest Sztuka? (Where Is Art?)
Gallery Weekend in Warsaw
KAROL SIENKIEWICZ

A Pause
On Untitled (12th Istanbul Biennial)
various venues, Istanbul
BASAK SENOVA

Welt-Bilder 4
Helmhaus Zürich
WOLFGANG BRÜCKLE

Gründlich erfasst
Krupp. Fotografien aus zwei Jahrhunderten
Kulturstiftung Ruhr Essen, Villa Hügel, Essen
KERSTIN STREMMEL

Šejla Kamerić & Anri Sala: 1395 Days without Red
Artangel at 10–12 Francis Street, London
MACBA Barcelon
Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam
MARTIN HERBERT

Seiichi Furuya – Mémoires
Galerie Thomas Fischer, Berlin
CAROLIN FÖRSTER

Le temps retrouvé. Cy Twombly photographe & artistes invites
Collection Lambert, Musée d’art contemporain, Avignon
Chapelle du Méjan, Arles
GISLIND NABAKOWSKI

Ansel Adams: La Natura é il mio regno
Fondazione Fotografia / Fondazione Cassa di Risparmio di Modena,
Ex Opsedale Sant‘ Agostino di Modena
GIGLIOLA FOSCHI

Bücher

Michael Wedel: Filmgeschichte als Krisengeschichte.
Schnitte und Spuren durch den deutschen Film
Transcript Verlag, Bielefeld
DREHLI ROBNIK

Daniel G. Andújar / Technologies to the People:
Postcapital Archive. 1989–2001
Hatje Cantz Verlag, Ostfildern
TOM HOLERT

Read Carefully
e-flux journal: Are Your Working Too Much?
Post-Fordism, Precarity, and the Labor of Art
Sterberg Press, Berlin 2011
No Order. Art in a Post-Fordist Society, N° 1/2010
Archive Books, Berlin 2010
JAN WENZEL

Impressum

Herausgeber: Reinhard Braun
Verlag, Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA. Labor für Fotografie und Theorie
Lendkai 1, 8020 Graz, Österreich

Chefredaktion: Maren Lübbke-Tidow (V.i.S.d.P.)
Redaktion: Tanja Gassler, Margit Neuhold

ÜbersetzerInnen: Dawn Michelle d’Atri, Aileen Derieg, Ewa Kaningowska-Gedroyc, Emilia Ligniti, Wilfried Prantner
Deutsches Korrektorat: Daniela Billner
Englisches Lektorat: Dawn Michelle d’Atri, Aileen Derieg

Dank / Acknowledgments:
Gosbert Adler, Gilles Aubry, Lisa Anne Auerbach, Sven Augustijnen, Jochen Becker, Kirsty Bell, Sabine Bitter und / and Helmut Weber, Annett Busch, Helmut Draxler, Florian Ebner, Katja Eydel, Frieda Hartz, Anne Hufschmid, Nadine Jäger, Maryam Jafri, Magdalena Kallenberger und / and Dorothea Nold, Susanna Kirschnick, Elad Lassry, Sharon Lockhart, Verónica Mastrosimone, Katrin Mundt, Cédrick Nzolo, Lisa Ohlweiler, Heidi Oswald, Sevgi Ortaç, Karin Rebbert, Katja Reichard, Amanda Ross-Ho, Esther Ruelfs, Walid Sadek, Sandra Schäfer, Surabhi Sharma, Alex Slade, Sabine Spilles, Eva Maria Stadler, Bettina Steinbrügge, Charly Steward, Jens Wenkel, Axel John Wieder, Paolo Yacoub

Copyright © 2011
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ISBN     978-3-900508-00-5
ISSN     1015 1915
GTIN     4 19 23106 1600 5 00116