Joachim Koester
The Ghost Shop
Infos
Ausstellungs-Preview & Camera Austria International Nr. 125
Präsentation und KünstlerInnen-
gespräche zur Jubiläumsausgabe
mit Seiichi Furuya, Joachim Koester u.a.
13.3.2014, 18:00
Eröffnung
14.3.2014, 20:00
Kuratorengespräch
15.5.2014, 20:00
Zeitraum: 15.3.– 25.5.2014
Joachim Koester
The Ghost Shop
Öffnungszeiten
Dienstag – Sonntag: 10:00 – 17:00
Die Ausstellung ist einen Donnerstag im Monat bis 21:00 geöffnet
20. 3. 2014
10. 4. 2014
15. 5. 2014
Intro
Der Camera Austria-Preis für zeitgenössische Fotografie der Stadt Graz wird seit dem symbolträchtigen Jahr 1989 alle zwei Jahre an eine/n KünstlerIn vergeben, die/der einen herausragenden Beitrag in der Zeitschrift Camera Austria International veröffentlicht hat. 2013 wurde dem dänischen Künstler Joachim Koester von einer internationalen Jury dieser Preis zuerkannt.
Die erste Kooperation zwischen dem Künstler und Camera Austria geht ins Jahr 2006 zurück, als dieser an dem Ausstellungsprojekt »First the artist defines meaning« teilnahm, drei Jahre später auch an der Folgeausstellung »Then the work takes place«. Beide Ausstellungen drehten sich um konzeptuelle Positionen in der zeitgenössischen Fotografie, die unter anderem dadurch gekennzeichnet sind, dass sie das Verhältnis zwischen Sichtbarem und Wissen in spezifischer Weise organisieren.
Durch dieses Verhältnis lässt sich auch die Arbeit von Joachim Koester kennzeichnen, geht es doch in verschiedenen Projekten der letzten Jahre immer wieder darum, vernachlässigte, fast vergessene Ereignisse oder historische Zusammenhänge der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts wieder aufzugreifen. So spielt in seinen Arbeiten oftmals das Obskure, Irrationale, das Unbewusste oder Verdrängte der Moderne – sozusagen ihre »dunkle« Seite – eine Rolle: Spiritualismen, Okkultismen, Drogen, gescheiterte Projekte. Doch geht es nicht allein darum, diese andere Seite sichtbar zu machen, sondern sie als in die Logik der Moderne selbst verstrickt zu verstehen und in ein Verhältnis zum Wissen und zur Sichtbarkeit der Moderne zu stellen.
Joachim Koester
The Ghost Shop
Der Camera Austria-Preis für zeitgenössische Fotografie der Stadt Graz wird seit dem symbolträchtigen Jahr 1989 alle zwei Jahre an eine/n KünstlerIn vergeben, die/der einen herausragenden Beitrag in der Zeitschrift Camera Austria International veröffentlicht hat. 2013 wurde dem dänischen Künstler Joachim Koester von einer internationalen Jury dieser Preis zuerkannt.
Die erste Kooperation zwischen dem Künstler und Camera Austria geht ins Jahr 2006 zurück, als dieser an dem Ausstellungsprojekt »First the artist defines meaning« teilnahm, drei Jahre später auch an der Folgeausstellung »Then the work takes place«. Beide Ausstellungen drehten sich um konzeptuelle Positionen in der zeitgenössischen Fotografie, die unter anderem dadurch gekennzeichnet sind, dass sie das Verhältnis zwischen Sichtbarem und Wissen in spezifischer Weise organisieren.
Durch dieses Verhältnis lässt sich auch die Arbeit von Joachim Koester kennzeichnen, geht es doch in verschiedenen Projekten der letzten Jahre immer wieder darum, vernachlässigte, fast vergessene Ereignisse oder historische Zusammenhänge der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts wieder aufzugreifen. So spielt in seinen Arbeiten oftmals das Obskure, Irrationale, das Unbewusste oder Verdrängte der Moderne – sozusagen ihre »dunkle« Seite – eine Rolle: Spiritualismen, Okkultismen, Drogen, gescheiterte Projekte. Doch geht es nicht allein darum, diese andere Seite sichtbar zu machen, sondern sie als in die Logik der Moderne selbst verstrickt zu verstehen und in ein Verhältnis zum Wissen und zur Sichtbarkeit der Moderne zu stellen.
An einer Arbeit wie »Of Spirits and Empty Spaces«, ein 16mm-Film aus dem Jahr 2012, lässt sich dies exemplarisch zeigen. John Murray Spear (1804 – 1887), ein Sozialist und Spiritist des 19. Jahrhunderts führte 1861 in New York einige Seancen durch, die darauf abzielten, mithilfe eines trance-artigen Tanzes einer kleinen Gruppe von Personen die Idee zur Erfindung bzw. Konstruktion einer neuartigen Nähmaschine zu erhalten. Die zu dieser Zeit verbreitetste stammte von Elias Howe, der eine Reihe zentraler Patente hielt, die auch die Produktion aller anderen Geräte verteuerte. Die Hoffnung bestand darin, diese Patente zu umgehen und ein völlig neuartiges Prinzip zu entdecken, mit dessen Hilfe eine kostengünstige Nähmaschine entwickelt werden konnte. Spear war überzeugt, dass der Plan für eine derartige Maschine bereits in immaterieller Form – im Bereich des Übersinnlichen – existiere und es möglich sein müsste, einen Zugang dazu zu entdecken. Diese neue – und billige – Nähmaschine sollte es den Frauen der Zeit endlich ermöglichen, einem Gelderwerb nachzugehen und sich somit aus der Dominanz des Patriarchats zu befreien.
Es gibt keine Bilder von diesen Seancen – was Joachim Koester in seinem 16mm-Film zeigt, sind belichtete Staubpartikel, die als weiße Punkte über die Leinwand tanzen, überblendet mit Textfragmenten aus einer Beschreibung von Spear. Der Film markiert zunächst einen »blinden Fleck« von Geschichte und Wissen, aber auch von Wahrnehmung und Erfahrung: Wie lässt sich an der Trance teilnehmen, ohne selbst in eine solche zu verfallen? Was als Repräsentation gedacht werden könnte, gelangt dabei an deren Grenze. Auch die flackernden Staubkörner des Films verkörpern eine Grenze der Repräsentation – sie sind die allgegenwärtigen Fremdkörper, die das analoge Medium Film ohne Absicht begleiten und die von diesem nicht ausgelöscht werden können: eine Erscheinung, eine Sichtbarkeit, die sich der Abbildungslogik des Filmes entzieht. Die Erzählung über eine Trance, die den Weg zur Produktion einer Maschine ebnen und eine sozialistische Utopie einlösen soll, wird zum Script für den Film. Auch über die Assoziation eines Begriffes wie des »Imaginären« ist der Film – als technisches Medium – mit den Vorstellungen eines – bilderlosen – geistigen Jenseits von Spear verknüpft. Doch ist paradoxerweise gerade der Film dasjenige Medium, das exemplarisch für die industrielle Produktion dieses Imaginären steht, der Film verknüpft – wie die Seancen von Spears – die rationale Produktionslogik und Ökonomie der Moderne mit ihrem – unsichtbaren doch nicht unwirksamen – Gegenpol.
2013 hat der Künstler einen weiteren 16mm-Film produziert, der mit dieser Frage der Produktionslogik verschränkt ist: »HOWE« zeigt Nahaufnahmen der ersten von Elias Howe produzierten Nähmaschine: die Übersetzung des Nähvorganges in eine Abfolge oder ein Ineinandergreifen abstrahierender Bewegungen der Maschine wird deutlich – im Gegensatz zur anthropomorph gedachten Idee für einen Entwurf von Spears. Joachim Koester produziert nun gerade keine – metaphorischen – Bilder für dieses Unsichtbare der Moderne, um es sichtbar (oder beschreibbar) zu machen. Er findet – und erfindet – Bilder, die selbst an dieser Grenze angesiedelt sind oder die die Spuren dieser Grenze, die Spuren dieser Geschichte(n) markieren.
»Nanking Restaurant. Tracing Opium in Calcutta« dreht sich um die zentrale Rolle, die die Kontrolle über den Opiumhandel durch die Briten für deren ökonomische und politische Vorherrschaft spielte, was sich nicht zuletzt in den sogenannten »Opiumkriegen« mit China in den 1830er Jahren manifestierte, jedoch in der offiziellen Geschichtsschreibung der »East Indian Company« kaum vorzufinden ist. Die – eher flottierenden – Nachforschungen in Kalkutta, das damalige Zentrum des Opiumhandels, die Joachim Koester im Jahr 2005 durchführt, führen ihn schließlich zu einem der letzten noch erhaltenen Gebäude der damaligen China Town, einem zweistöckigen Lagerhaus, das mit großer Wahrscheinlichkeit als Opiumlager diente, und das die verwitterte Bezeichnung »Nanking Restaurant« trägt. Die Opiumkriege endeten 1841 im »Nanking Abkommen«, das den Briten weiterhin die Kontrolle sicherte. Diese Koinzidenz lässt das Gebäude zu einer materialisierten Spur dieser umstrittenen Handelsgeschichte werden, die Joachim Koester in der Fotografie des Gebäudes markiert. Insofern verbinden sich auch in dieser Arbeit Aspekte der Produktionslogik der Moderne – Expansion, Kolonialismus, Ausbeutung – mit einer ihrer unterdrückten Geschichten (die sowohl das literarische Erbe der Droge wie die fatalen Konsequenzen ihres weitverbreiteten Konsums – die soziale Verelendung von Massen – beinhaltet).
Der Künstler selbst spricht von einem »verborgenen Index der Dinge«, der, kaum lesbar und nicht Teil der offenkundigen Geschichtsschreibung, diese dennoch im Kern mitbestimmt. Damit arbeitet Joachim Koester an den Grenzen des Dokumentarischen, an den Grenzen dessen, das sich als Sichtbarkeit auf ein Wissen bezieht oder durch Sichtbarmachung ein Wissen produziert. Die durchwegs mit einer – assoziativ geleiteten – Recherche verbundenen und durch präzise Bilder und Bildserien vermittelten Projekte stellen somit die wichtige Frage nach den möglichen Verknüpfungen von Bild und Narrativ: Was wird erzählt und was wird gezeigt, was wird allerdings weder erzählt noch gezeigt und: aus welchen Gründen? »I want the photograph, my documentation, to exist in a field of tension between what is depicted and the narrative content.« Damit siedelt er das fotografische Bild im komplizierten Bereich zwischen Wahrnehmung, Geschichte, Wissen, Politik und Sichtbarkeit an. In diesem Sinn stellt die Arbeit von Joachim Koester einen überaus wichtigen Beitrag zu unseren aktuellen Vorstellung über die Rolle von Fotografie in unserer Gesellschaft und Kultur dar.