Presseinformationen
Camera Austria International 121 | 2012
Infos
Präsentationen:
it′s a book, it′s a stage, it′s a public place, Leipzig, 16.3.2013, 12:00 – 20:00
Art Brussels 17. – 20.4.2013
Art Cologne 19. – 22.4.2013
Paris Photo Los Angeles 26. – 28.4.2013
Frieze New York 10. – 13.5.2013
Pressedownloads
Pressetext
Die »Renaissance« künstlerischer Praktiken der 1970er Jahre ist auch von einer gewissen Sehnsucht nach der Reaktivierung deren politischer Momente geleitet. Dabei erscheint besonders der Übergang von konzeptuellen zu performativen Strategien wichtig. Innerhalb dieses Zwischenbereichs lassen sich grundlegende Bedingungen künstlerischer Strategien ausmachen, deren Kern auch auf das Benennen und Verändern sozialer und politischer Ungleichheiten zielt.
Die Arbeiten von Gorgona, eine proto-konzeptuelle Künstlergruppe aus Zagreb, haben die Praktiken der 1970er Jahre wie das Buch als Kunstwerk, Kunst als Haltung, Sprache als Medium, Kunst als Idee usw. mit ihren Arbeiten bereits früh vorweggenommen. Die fotografisch dokumentierten Aktionen der heterogenen Gruppe zeugen von ihrer Intention des Absichtslosen, vom Verlachen des eigentlich Begehrenswerten, von einer Betonung des absurden Potenzials des Alltäglichen. Ihr nihilistisch-existenzialistischer Habitus, der auf eine Infragestellung gesellschaftlicher Übereinkünfte hinzielte, ist indes kaum zu vergleichen mit dem umgekehrt absurd-komischen Gestus der Gruppe Akademia Ruchu aus Warschau – wenngleich deren aus dem Straßentheater kommende Aktionen und Performances nichts an politischer Schärfe gegenüber dem System der Volksrepublik Polen und nach 1989 gegenüber den Gesetzen der Freien Marktwirtschaft, die das postkommunistische Land von da ab beherrschten, vermissen lassen. Mit ihren inzwischen über 600 Aktionen und Performances rütteln sie bis heute am Status quo, verfremden sie das Vertraute, treiben sie eine kritische Wahrnehmung voran, bewirken sie ein Verständnis für Multitude und Gemeinschaft und, nicht zuletzt, verknüpfen sie Kunst und Leben.
Das Appropriieren ist dabei sowohl für Gorgona als auch für Akademia Ruchu ein selbstverständliches Mittel, ein allgemein akzeptiertes Prinzip von Kreativität und Autorschaft. Auch Alejandro Cesarco setzt es in seinen Arbeiten ein. Seine Arbeit »Where I’m Calling From« leiht sich den Titel von einer Kurzgeschichte Raymond Carvers und weist eine Reihe affektiver Ähnlichkeiten mit ihr auf. »Wie in Carvers Story liegt die Geschichte hier in den Bezügen, ihrer geborgten Intentionalität, der Verwendung von Bildern nicht nur als Hinweis auf die Bedeutung eines bestimmten Menschen, Textes oder Erlebnisses, sondern zur Veranschaulichung des Umstands, dass das, was aufgerufen wird, der eigene Kontext ist, im Akt des Erzählens selbst besteht.« (Wendy Tronrud).
Die österreichischen KünstlerInnen Nicole Six und Paul Petritsch tragen die Idee der Aneignung sprichwörtlich in den Raum der Zeitschrift selbst hinein. In »Schuss / Gegenschuss« wurde von ihnen jeder einzelne Bogen ihres Beitrags in dieser Ausgabe mit einem Kleinkalibergewehr je zweimal durchschossen. Damit schreiben sie sich materiell in die Politik ihrer Repräsentation ein – ein performativer Akt, der den Raum der Zeitschrift mit völlig andersartigen Handlungsräumen verschränkt; und ein Akt, mit dem jeder Bogen für sich den Anspruch einer eigenen künstlerischen Arbeit reklamiert.
Jan Wenzel wird dieses Jahr über vier Ausgaben hinweg Künstlerbücher verschiedener KünstlerInnen und verschiedener Zeiten gegenlesen. Für diese Texte haben wir unserem Heft eine eigene Sektion eingerichtet: »The Revolving Bookshelf«.
T. J. Demos ist unser Kolumnist des Jahres 2013. Seine Beiträge zur »Spektro-Ästhetik« sprechen die zentralen Fragen im Umgang mit bildlicher Repräsentation von Zeit und / oder Politik genauso wie nach dem Dokumentarischen als politische Praxis an, und rufen uns als BetrachterInnen und LeserInnen auf, »den Bann unserer Amnesie und Blindheit aufzubrechen, ein anderes Leben zu leben (…), indem wir die Gegenwart wieder mit ihren historischen Vorbedingungen verknüpfen, und auf der Grundlage dieses Wissens die Zukunft neu erfinden, und zwar politisch, sozial und ökonomisch«.
Maren Lübbke-Tidow
Reinhard Braun
März 2013
Bildmaterial
Die honorarfreie Veröffentlichung ist nur in Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ausstellung und die Publikation gestattet. Wir ersuchen Sie die Fotografien vollständig und nicht in Ausschnitten wiederzugeben. Bildtitel als Download unter dem entsprechenden Link.