Presseinformationen
Double Exposure
Infos
Pressevorbesichtigung
24.11.2023, 11:00
Eröffnung
24.11.2023, 18:00
Zeitraum
25.11.2023 – 28.1.2024
Öffnungszeiten
Di – So und an Feiertagen
10:00 – 18:00
Mit Arbeiten von
Rebekka Bauer, Oliver Husain & Kerstin Schroedinger, Sara-Lena Maierhofer, Sim Chi Yin,
und: Lisa Holzer, Flo Maak, Sophie Meuresch, Georg Petermichl, Stefanie Seufert, Niklas Taleb.
Kuratiert von
Anna Voswinckel
Pressetext
Die Ausstellung Double Exposure ist als Fortführung der Untersuchung zu Kontinuitäten und Transformationen subjektiver Bildsprachen in der künstlerischen Fotografie angelegt, die in der vorangegangenen Gruppenausstellung Exposure (16. 9. – 12. 11. 2023) ihren Anfang nahm. Durch die Verbindung von Arbeiten unterschiedlicher Generationen von Fotokünstler*innen sowie die Bezugnahme auf die Doppeldeutigkeit des englischen Begriffs exposure, der sowohl den fotografischen Belichtungsprozess als auch das Bloßstellen von Körpern oder Lebensumständen beschreiben kann, wurden künstlerische Ansätze vorgestellt, die die eigene Situiertheit und die Eingebundenheit in (menschliche und nicht-menschliche) Beziehungsgefüge sichtbar machen und Wirklichkeitsbezüge im Indexmedium der Fotografie reflektieren. In Double Exposure stehen dagegen Arbeiten im Vordergrund, die aus vorgefundenen Bildarchiven oder -konvoluten heraus entwickelt wurden, und die mit individuellen Verfahren der visuellen (Wieder-)Einschreibung von unverfügbarer oder verdrängter Erfahrung auf die mit den jeweiligen Medien verbundenen Dispositive und Ästhetiken der Aufzeichnung reagieren.
Als Doppelbelichtung wird in der analogen Fotografie ein mehrfach belichtetes Negativ bezeichnet. Die Mehrfachbelichtung entsteht dadurch, dass der Negativfilm versehentlich oder absichtlich nicht weitertransportiert wurde und dadurch bereits belichtetes Material erneut Licht ausgesetzt wird. So schreiben sich mehrere Spuren in das Negativ ein, deren Referenten zeitlich weit auseinanderliegen können. Das Bild der Doppelbelichtung dient im Kontext der Ausstellung Double Exposure als Metapher für erinnerungspolitische Prozesse, die, ausgehend von zufälligen Bildfunden oder gezielten Archivsichtungen, untersucht und transformiert werden. Was bedeutet es, sich einer Einschreibung nochmals auszusetzen?
Im Zuge des Diskurses um die Restitution von Kulturgütern und die Neuausrichtung europäischer Sammlungsinstitutionen untersucht Sara-Lena Maierhofer in ihrem Werkzyklus Kabinette (2018–2019) die Rolle der Fotografie als archivierendes Medium, das historisch eng mit dem kolonialen Blick verwoben ist. Wie lässt sich vor diesem Hintergrund die eigene, von einer weißen europäischen Perspektive geprägte Praxis dekolonisieren? Durch die Verlagerung dokumentarischer Verfahren in die fotografische Dunkelkammer, wo die Künstlerin den Blick in das Museumsdepot durch Direktbelichtungen auf unterschiedlichen Materialien reinszeniert, setzt Maierhofer einen Reflexionsprozess über Fragen der Dokumentation und der Auswertung von (kolonialen) Archiven in Gang.
Die Auseinandersetzung mit den komplexen, transnationalen politischen Verstrickungen des Kolonialismus und dessen traumatischen Auswirkungen auf (Familien-)Biografien bildet den Ausgangspunkt von Sim Chi Yins multimedialer Praxis. Ausgelöst durch Nachforschungen über ihren Großvater, der 1949 von den britischen Kolonialbehörden nach China deportiert und dort ermordet wurde, recherchierte die Künstlerin über zehn Jahre zum malaysischen Antikolonialkrieg (1948–1960). Die Geschichte der Deportation und die komplexe Diaspora-Bewegung zwischen China und Südostasien werden in dem Zwei-Kanal-Film The Mountain That Hid (2022) verwoben. The Suitcase Is A Little Bit Rotten (2023) ist eine künstlerische Intervention in ein koloniales Bildarchiv. Als Grundlage für die Arbeit dienten der Künstlerin gefundene Laterna-Magica-Glasdiapositive aus dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, mit denen im Britischen Königreich für die Kolonie Malaya geworben wurde. Indem Sim ihren Großvater und ihr Kind als kaum wahrnehmbare Details in die Glasdiapositive einfügt, subjektiviert sie den in der kolonialen Projektion angelegten objektivierenden Blick und erweitert den fotografisch vermittelten generationsübergreifenden Prozess der Erinnerungsarbeit.
Rebekka Bauers Mixed-Media-Installation Die Aufstellung (seit 2020) bringt Hunderte selbstgefertigte Metallobjekte aus dem Nachlass ihres Großvaters und eine Sammlung privater Fotografien aus der Zeit des Nationalsozialismus mit Familienfotos aus unterschiedlichen Jahrzehnten zusammen. Die Aufstellung ist eine sich je nach Ausstellungskontext verändernde Versuchsanordnung, mit der die Künstlerin sich zu der historisch und psychologisch komplexen Hinterlassenschaft ihres Großvaters in Beziehung setzt. Durch Verfahren der Positionierung und Montage sucht die Installation nach Hinweisen, wie sich unverarbeitete (Gewalt-)Geschichte durch Familienbiografien zieht und wie sie auf Körper und Beziehungen einwirkt.
In einer gemeinsamen künstlerischen Recherchearbeit verbinden Oliver Husain und Kerstin Schroedinger Materialexperimente, historische Forschung und Performance miteinander zu der Mehrkanal-Installation DNCB (2021). Die Chemikalie Dinitrochlorbenzol, zur Farbentwicklung in Fotolaboren eingesetzt, wurde in den 1980er-Jahren während der AIDS-Krise von Ärzt*innen und Patient*innen in San Francisco als alternative Behandlungsmethode für das Kaposi-Sarkom entdeckt und in riskanten Selbstversuchen direkt auf die Haut aufgetragen. In ihrer Videoinstallation ziehen die Künstler*innen Parallelen zwischen Haut- und Filmoberfläche, zwischen Farbentwicklung, Ausgesetztsein, Vergiftung und Heilung, zwischen Selbstmedikation und unabhängigen Filmentwicklungslaboren. Auf diese Weise macht DNCB eine wenig bekannte Forschungs- und Bewegungsgeschichte sichtbar, die in besonderer Art mit der Geschichte der analogen Fotografie verbunden ist.
Die Gruppenausstellung Double Exposure wird in die Struktur der vorangegangenen Ausstellung Exposure integriert und mit den verbleibenden Arbeiten sowie den Leerstellen in Resonanz treten. Auf diese Weise bringen die vier Projekte des Ausstellungsteils Double Exposure eine zweite Reflexionsebene in den Raum ein; gleichzeitig werden sie durch die verbleibenden Arbeiten des ersten Teils kommentiert und ergänzt. In der Gegenüberstellung und Überlagerung entsteht ein neuer Bildraum – der auch als Reflexion über das Ausstellen fotografischer Positionen in einer postdigitalen Sphäre der Bildzirkulation verstanden werden kann, in der Fotografien aus unterschiedlichen Entstehungszusammenhängen selten losgelöst voneinander betrachtet werden können.
Das Ausstellungsprojekt Exposure / Double Exposure ist Teil des kuratorischen Projekts Fields of Focus, das fotografische Praxen in der zeitgenössischen Kunst in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Kontext untersucht. Als Ausgangspunkt dienen die Begriffe Belichtung, Reproduktion und Transfer, die neben ihrer technischen Bedeutung innerhalb der Fotografie bestimmte, gegenwärtig relevante Diskursfelder eröffnen, wie etwa Auseinandersetzungen um Sichtbarkeit und Verletzbarkeit, den (umkämpften) Bereich der Reproduktionsarbeit oder Fragen der Wissensproduktion und -übertragung in der visuellen Kultur.
Bildmaterial
Die honorarfreie Veröffentlichung ist nur in Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ausstellung und die Publikation gestattet. Wir ersuchen Sie die Fotografien vollständig und nicht in Ausschnitten wiederzugeben. Bildtitel als Download unter dem entsprechenden Link.