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Markus Krottendorfer: At New Moon Tomorrow

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Markus Krottendorfer: At New Moon Tomorrow

Mit Textbeiträgen von Reinhard Braun, Anette Freudenberger, Bernhard Kellner, Thomas Wisser (ger./eng.).
Edition Camera Austria, Graz 2016.
96 Seiten, 16,5 × 22,5 cm, mit zahlreichen Farb- und SW-Abbildungen.
€ 24,– / ISBN 978-3-902911-28-5
Koproduktion: steirischer herbst

Pressetext

In seinem neuen Projekt interessiert sich der Künstler für manipulative Momente von Bildregimen, für Fragen von Täuschung, Erfindung, Fälschung und Irreführung. Dabei spielen ein erfundenes Gebirge in Afrika und ein gefälschter Schädelfund in Großbritannien zentrale Rollen. Zwei scheinbar zusammenhanglose Begebenheiten, die dennoch einer gemeinsamen Geschichte angehören: vom Zentrum einer erdachten Welt aus diese beschreiben und ordnen, ihre Herkunft belegen und ihre Zukunft entwerfen. Doch nicht das Richtige dem Falschen entgegenzusetzen scheint Krottendorfers Motivation zu sein, sondern die Macht der Etablierung der Unentscheidbarkeit dieser Frage zu rekonstruieren. Er bedient sich dabei selbst einer Art Irreführung, bleibt lückenhaft, essayistisch, assoziativ und nutzt die Verführungskraft der Ästhetik. Im Zusammenhang mit weiteren Projekten der vergangenen Jahre entsteht der Eindruck, als ginge es bei all dem um eine Art Wiederaufführung der Vergeblichkeit, einen Ort einzunehmen, von dem aus ein Ursprung oder Gewissheiten für die Zukunft in den Blick genommen werden könnten.

Auszug aus: Thomas Wisser »Reisetagebuch; Exzerpte«

28. März
Beim morgigen Neumond sind vier Monate voll, die wir hier nun schon unser Lager aufgeschlagen haben, und noch immer gibt es keine Nachricht von Paisley. Mit über hundert Männern und ebenso vielen Trägern war er aufgebrochen, dem Mbambéré flussaufwärts folgend, und sollte Meldung machen, sobald eine Furt entdeckt war, oder gar das K’Onga-Gebirge, das nicht nur er nahe dessen Quelle vermutete.

13. April
Seit ich die Aufzeichnungen des Missionars Ludwig Amadé Karpf, die unerklärlicherweise kaum bekannt sind, was mir, so Gott will, eines Tages zum Vorteil gereichen wird, zum ersten Mal in meinen darob vor Aufregung zitternden Händen hielt, gibt es für mich kein höheres Ziel, als diesen Stamm ausfindig zu machen und in Wort und Bild zu dokumentieren.
Der gute Karpf schreibt, einige Dutzend Meilen südöstlich des Gebirges lebe glaubwürdigen Berichten eines von ihm zu Gott bekehrten Stammes zufolge ein Volk, so außergewöhnlich und einzigartig, dass es die Geschichte dieses finsteren, animalischen und lebensfeindlichen Kontinents umschreiben könnte, ein Lichtstrahl in der Düsternis – sie seien von ebenso prächtigem, kraftstrotzendem und ebenmäßigem Körperbau wie ihre schwarzen Brüder, allein hellhäutig, sie trügen Kleider, ja aus Seide sogar, seien der Schrift mächtig und, einer zugegebenermaßen weniger kredibel scheinenden Quelle gemäß, hielten sie auch den Christensabbath ein.

15. April
Ich habe mehr als genug Zeit, die Lager ringsum und die Destillen und Pinten der Stadt zu durchstreifen und mich mit anderen Expeditionsleitern und Reisenden auszutauschen. Etliche von ihnen halten sich schon um vieles länger hier auf als ich, und, wie mir schien, bisweilen ohne wirklich ersichtlichen Grund; viele haben ihre Frauen und Familien hier, und die Frauen der Losgezogenen harren aus, beten und bangen.
Das Fieber ist allgegenwärtig, der Friedhof hinter der hölzernen Kirche wirft täglich neue feuchte Hügel auf, häufig nur kleine.

25. April
Ich erwarte mit jedem Tage sehnsüchtiger die Rückkehr Paisleys. Die stümperhaften Versuche meiner Vorgänger, den Gebirgszug zu queren und dabei womöglich sogar den legendenumrankten Stamm der hellhäutigen Afrikaner zu finden, konnten schon allein ihrer Unkenntnis der Gegebenheiten und ihrer durchwegs unzureichenden Ausrüstung und Bewaffnung wegen nicht von Erfolg gekrönt sein.
Dass der schießwütige Battsworth, General und Trophäensammler, und seine liederliche Truppe die ersten Weißen waren, die im Ursprungsgebiet des Mbambéré auf einen bislang unbekannten Stamm getroffen waren und zum reinen Gaudium die Frauen dieses Volkes geschändet und ihre Behausungen niedergebrannt hatten, wird das Passieren des Gebiets nicht gerade erleichtern. Bis auf zwei schwer verletzt Geflohene, die von den Geschehnissen zeugten, wurden in der darauffolgenden Nacht alle seine Männer einschließlich des Generals Battsworth selbst im Schlaf auf schrecklichste Art massakriert.

4. Mai
Meine Erkundigungen bei den Entdeckern und Pionieren bestätigen meinen Verdacht, dass die in der geliebten Heimat so gierig aufgesogenen Reiseberichte oft nur reißerische Phantasmen sind, fiebrigen, trunkenen Köpfen entsprungen, die sich die gesandten Gelder und Provisionen der Afrikagesellschaft ebenso erschleichen wie Reputation und Ruhm daheim, wenn auch häufig posthum. Die bittere Medizin, Unmengen von Chinarinde gegen das Fieber, soll wohl die Gallonen schlecht gebrannten Alkohols rechtfertigen, die sich diese Herrschaften – und auch ich, öfter als mir lieb ist – täglich einverleiben.

16. Mai
Eine glückliche Fügung hat dem endlosen, nervenverzehrenden Warten ein Ende bereitet: Neben Andersson, Raleigh und ein, zwei anderen erhielt auch ich diesen Morgen ein Schreiben, in dem die Afrikagesellschaft ankündigt, einer Expedition flussaufwärts, die den Verbleib Paisleys und seiner Männer aufzuklären bereit wäre, erhebliche Mittel zuzuschießen. Ich antwortete noch vor der Morgentoilette, und seit Erhalt der Nachricht gönnte ich mir noch keinen Augenblick der Rast.

Markus Krottendorfer geboren 1976 in Wien (AT), lebt und arbeitet in Wien. Zu seinen Arbeitsfeldern gehört die Auseinandersetzung mit den historischen Gebrauchsweisen der Fotografie sowie den unterschiedlichen installativen und performativen Möglichkeiten ihrer Präsentation.
Einzelausstellungen (Auswahl): 2016 »At New Moon Tomorrow«, Camera Austria, Graz (AT); 2015 »Museum of Man«, Im Ersten, Wien; »Pointing Toward the Stars«, Charim Galerie, Wien; 2013 »Tucson II«, School, Wien; »Phantom of the Poles « Fotohof, Salzburg (AT); »No one belongs here more than you« Charim Galerie, Wien; »Tucson I«, 776 AO& LODGE, Wien; 2011 »The Science Fiction Show« School, Wien (mit TIN MAN); »China down and up«, FO.KU.S BTV, Innsbruck (AT); 2010 »Cosmetic Peach Loan«, Pro Choice, Wien; »Dia Show Stock Car«, Kunsthalle Wien; 2009 »The Future Is Gone«, BAWAG Contemporary, Wien.
Gruppenausstellungen (Auswahl): 2015 »What Was Documentary Is Now Something Else«; Fotograf Gallery, Prag (CZ); »Letzte Lockerung«, Neuer Kunstverein Wien; »Animal Photographers«, ACUD, Berlin, »Urban Diary – Vienna Extended«, Charim Galerie, Wien; »Mediascape«, Museum of Modern and Contemporary Art, Rijeka (HR); 2014 »One Shots and Imagines«, Downtown Photoroom, Los Angeles (US); »völlig losgelöst«, Galerie Westlicht, Wien; 2013 »Under Pressure«, Museum der Moderne, Salzburg (AT); »CROSS OVER«, Fotomuseum Winterthur (CH); »Hohe Dosis«, Fotohof Salzburg, Kunsthalle Attersee; »Group XXXV«, MAK Center, Los Angeles; 2011 »Weltraum. Die Kunst und ein Traum«, Kunsthalle Wien; 2010 »Lebt und arbeitet in Wien III – Stars in a Plastic Bag«, Kunsthalle Wien; »Triennale Linz 1.0«, Landesgalerie Linz (AT); »Bulletin Board Blvd.», Pro Choice, Wien; »Multiple City«, Filmmuseum München (DE); 2007 10th Istanbul Biennial, Istanbul (TR).
Publikationen: At New Moon Tomorrow, Graz: Edition Camera Austria 2016; Stock Car, Salzburg: Edition Fotohof 2009; Automarket Tbilisi, Salzburg: Edition Fotohof 2008.

Bildmaterial

Die honorarfreie Veröffentlichung ist nur in Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ausstellung und die Publikation gestattet. Wir ersuchen Sie die Fotografien vollständig und nicht in Ausschnitten wiederzugeben. Bildtitel als Download unter dem entsprechenden Link.

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