Camera Austria International
80 | 2002
- CHRISTIAN HÖLLER
Heimo Zobernig: Was ist? – Nichts. Notizen zum Frühwerk Heimo Zobernigs - HEIMO ZOBERNIG
- YILMAZ DZIEWIOR
Anri Sala: Gesellschaftsräume - ANRI SALA
- MATTHIAS HERRMANN
AA Bronson: Ein Gespräch mit Matthias Herrmann - AA BRONSON
- THE ATLAS GROUP / ZEINA TRABOULSI / WALID RAAD
Sweet Talk: Fotodokumente von Beirut - THE ATLAS GROUP / ZEINA TRABOULSI / WALID RAAD
- KRYSTIAN WOZNICKI
Ästhetik der Globalisierung: Selektionsdesign
Vorwort
Die Retrospektive Heimo Zobernigs, die dieser Tage im Museum moderner Kunst in Wien eröffnet wird, war uns Anlass, einen in unserer Redaktion schon lange geplanten Beitrag über ihn endlich in Angriff zu nehmen und damit nach einer Reihe von Features, die sich eher einer jüngeren Generation in Österreich lebender Kulturschaffender widmete, einen Ausschnitt aus dem Werkkomplex dieses international renommierten, österreichischen Künstlers zu bearbeiten. Christian Höller hat sich in seinem Beitrag über Heimo Zobernig dessen früher fotografischer Arbeit und seiner Videoarbeit angenommen, die bisher der Öffentlichkeit kaum zugänglich war und somit bislang noch nicht theoretisch verortet wurde. Die hier vorgestellten Arbeiten fallen mit Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre in eine Zeit, in der Zobernig Student der Bühnenbildgestaltung an der Akademie der bildenden Künste Wien war, wo er unter anderem an verschiedenen Übergängen zwischen performativen und visuellen Medien experimentierte. Hier kommt im Werk von Zobernig erstmals jener „radikale Reduktionismus“ zum Tragen, der in weiterer Folge seine Arbeitsweise auszeichnen sollte.
Volltext →Camera Austria International 80 | 2002
Vorwort
Die Retrospektive Heimo Zobernigs, die dieser Tage im Museum moderner Kunst in Wien eröffnet wird, war uns Anlass, einen in unserer Redaktion schon lange geplanten Beitrag über ihn endlich in Angriff zu nehmen und damit nach einer Reihe von Features, die sich eher einer jüngeren Generation in Österreich lebender Kulturschaffender widmete, einen Ausschnitt aus dem Werkkomplex dieses international renommierten, österreichischen Künstlers zu bearbeiten. Christian Höller hat sich in seinem Beitrag über Heimo Zobernig dessen früher fotografischer Arbeit und seiner Videoarbeit angenommen, die bisher der Öffentlichkeit kaum zugänglich war und somit bislang noch nicht theoretisch verortet wurde. Die hier vorgestellten Arbeiten fallen mit Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre in eine Zeit, in der Zobernig Student der Bühnenbildgestaltung an der Akademie der bildenden Künste Wien war, wo er unter anderem an verschiedenen Übergängen zwischen performativen und visuellen Medien experimentierte. Hier kommt im Werk von Zobernig erstmals jener „radikale Reduktionismus“ zum Tragen, der in weiterer Folge seine Arbeitsweise auszeichnen sollte. Um die Videoarbeiten und neuerdings auch Fotografien geht es auch in dem Beitrag Yilmaz Dziewiors über den albanischen Künstler Anri Sala, der in den letzten Jahren vermehrt auf dem internationalen Parkett aufgetreten ist. Dziewior entwickelt einen Zugang, indem er Fragen nachspürt, die für das Entstehen von Salas Arbeit handlungsanleitend zu sein scheinen: „Wie artikuliert jemand, der in Tirana geboren, dort aufgewachsen und seit nun knapp fünf Jahren in Paris lebt, die in Sprache, Habitus und Einstellung anklingenden Differenzen, die gleichermaßen in der Heimat wie im Exil erfahren werden? Welche Rolle spielt dabei das kulturelle Gedächtnis, der Komplex, unter dem man die Riten, Texte und Bilder versteht, die zur Verständigung gebraucht werden, mit der eine ethnische, nationale oder politische Gruppe ihr Selbstbild stabilisiert und vermittelt?“ Von ausschlaggebender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Geschichte Albaniens, dessen gesellschaftliche, ökonomische und politische Situation in den Arbeiten als Subtext auftaucht und exemplarisch für die Charakterisierung eines Landes mit wechselvollem Schicksal steht.
Die Verschränkung von fiktionalen mit dokumentarischen Strategien, um politische – oftmals auch länderspezifische – Probleme künstlerisch zu bearbeiten, ist dabei kennzeichnend für das Werk von Anri Sala, aber auch von Walid Raad. Mit dem von Raad für die Atlas Group gestalteten 14-seitigen Insert in dieser Ausgabe knüpfen wir an den von Catherine David in Camera Austria Nr. 78/2002 bearbeiteten Themenkomplex an, der unter dem Titel „Images from the Arab World“ unterschiedliche Beiträge von KünstlerInnen aus dem arabischen Raum versammelte. In der vorliegenden Ausgabe wird Raad Raum gegeben, einen größeren Komplex aus seiner Arbeit vorzustellen. So zeigt die Atlas Group 16 Bilder von Beiruter Gebäuden: acht Schwarzweißfotos von Zeina Traboulsi aus den Jahren 1977 – 2001; und dieselben acht Fotos in der Bearbeitung der Atlas Group 2002. Jalal Toufic beschreibt in diesem Zusammenhang in seinem begleitenden Essay nicht nur die verstörende Wirkung von Gebäuden, die der Kriegszerstörung anheim gefallen sind, sondern arbeitet auch die psychologischen Gründe heraus, warum es wichtig, wenn nicht sogar notwendig ist, Zerstörung fotografisch zu dokumentieren.
Der amerikanische Künstler AA Bronson schließlich – Mitbegründer des Künstlerkollektivs General Idea – hat nach dem Tod von Felix Partz und Jorge Zontal eine gewisse Form der inneren Rehabilitation über die (auch) künstlerische Auseinandersetzung mit dem Tod seiner Partner erfahren. Auch seine Arbeit handelt „von Krieg und Trauma, sie dokumentiert, ja generiert sogar einen Moment des Schreckens“, indem Bronson nichts unternommen hat, um den Schrecken des AIDS-Todes in dieser frühen Phase der Epidemie zu verbergen: „Zwar betrachte ich meine Arbeit nicht als didaktisch, aber sie beschäftigt sich mit Themen wie AIDS, dem Altern, Auschwitz usw. (…) General Idea war eine halbfiktionale autobiographische Erzählung, und weil sie im wirklichen Leben gestorben waren, mussten Felix und Jorge auch in unserem Kunstleben sterben, genauso wie man in einer Seifenoper einen Tod erfinden muss, wenn einer der Hauptdarsteller stirbt. So gesehen ist meine Arbeit, so anders sie auch aussehen mag, eine Weiterführung der Arbeit von General Idea.“ (AA Bronson im Gespräch mit Künstlerkollege Matthias Herrmann in dieser Ausgabe).
Die Reihe monographischer und theoretischer Beiträge schließt unser Korrespondent Krystian Woznicki mit der von ihm bereits in der vergangenen Ausgabe eingeleiteten Kolumne zur „Ästhetik der Globalisierung“ ab: Ausgehend von seinen Recherchen zur „Semiotik des Krieges“ vor dem Hintergrund des 11. September 2001 (siehe dazu auch seinen Beitrag in Camera Austria Nr. 77/2002, „Die Rhetorik des Kontrollverlusts“) wird er in den kommenden Heften der medialen (visuellen) Vermittlung von Werten nachspüren, die im Neoliberalismus Gewinner auszeichnen. Stand sein Eingangstext unter dem Motto „Die Globalisierung steckt in ihrer oralen Phase“, so bearbeitet er im vorliegenden Heft unter dem Thema „Selektionsdesign“ die Luftfahrtimagologie, die ganz im Zeichen eines ekelerregenden Sozialdarwinismus zu stehen scheint. Woznicki löst mit dieser Reihe unseren langjährigen Kolumnisten Rolf Sachsse ab, der im letzten Beitrag zu seiner Serie in Camera Austria Nr. 79/2002 „Netz – Bild – Haut – in kongenialer Ergänzung zu Krystian Woznickis erstem Kolumnenbeitrag – Bilder vom Krieg im Internet analysierte. Rolf Sachsse bleibt uns selbstverständlich als Autor erhalten und wird in den kommenden Ausgaben vermehrt Bücher und Ausstellungen für uns besprechen.
Der Erscheinungstermin des vorliegenden Heftes von Camera Austria verbindet sich mit dem Abschluss zweier Buch- und Ausstellungsprojekte, die in Koproduktion mit Graz 2003 – Kulturhauptstadt Europas entstehen. Zum einen handelt es sich um das Künstlerbuch Graz von Hans-Peter Feldmann – eine Gemeinschaftsproduktion von Camera Austria mit dem 3 Möwen Verlag Hans-Peter Feldmanns –, in dem ca. 370 Aufnahmen des deutschen Konzeptkünstlers und Camera Austria-Preisträgers (1999) versammelt sind, die im Jahre 2002 auf Einladung von Camera Austria in Graz entstanden sind. Auch hier zeigt sich in den SW-Fotografien die für Feldmann typische spröde Dokumentationsästhetik, die für sein gesamtes Werk kennzeichnend ist. Mit seinem vorgeblich unprätentiösen Blick durch die Kamera ist ein Bildband abseits jedweder klischeehafter oder marktgängiger Vorstellungen zur Stadt Graz entstanden, der sich jedoch im geradezu liebevollen Aufspüren spezieller urbaner Situationen der Stadt, ihren Gebäuden und Plätzen sowie ihren BewohnerInnen widmet.
Zum anderen haben wir die Sichtung des von Pierre Bourdieu an Camera Austria übergebenen Bildarchivs abgeschlossen und die Ergebnisse in Zusammenarbeit mit Franz Schultheis in eine im Pariser Verlag Actes Sud erscheinende Publikation einfließen lassen, welche die von Camera Austria kuratierte Ausstellung „Pierre Bourdieu: In Algerien. Zeugnisse der Entwurzelung“ begleitet. Die Ausstellung wird im Jänner – am ersten Todestag von Pierre Bourdieu – parallel zum Erscheinungstermin des Buches im Pariser Institut du Monde Arabe zu seinen Ehren eröffnet. Bis zum Eröffnungstermin dieser Ausstellung in Graz im November 2003 wird uns die erweiterte deutsche Version des Kataloges – die wir im Verlag Camera Austria zu publizieren beabsichtigen – vorliegen wie auch hoffentlich eine englischsprachige Ausgabe, die beide mit der Ausstellung mitwandern werden. Eine Tournee der Ausstellung in Japan, mit einer bei Fujiwara-shoten erscheinenden japanischen Fassung des Buches, ist ebenfalls im Gespräch.
Wir bedanken uns an dieser Stelle ganz herzlich bei Hans-Peter Feldmann für die Zusammenarbeit an der gemeinsamen Publikation für Graz 2003 sowie bei Pierre Bourdieu, Jerôme Bourdieu und Franz Schultheis für das Vertrauen in unsere Arbeit, die das Zustandekommen des umfangreichen Buches – mit dem erstmals die fotografischen Dokumente aus der Zeit in Algerien dieses wichtigen französischen Soziologen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden – und der begleitenden Ausstellung erst möglich gemacht hat.
Christine Frisinghelli, Maren Lübbke
Dezember 2002
Beiträge
Forum
BETH YARNELLE EDWARDS
ADIDAL ABOU-CHAMAT
MARCOS LOPEZ
THOMAS WREDE
DMITRIJ SHUBIN
CLAUDIA RORARIUS
FODOR
ULRIKE THIELE
JENS LIEBCHEN
KOICHI KURODA
Ausstellungen
Victor Burgin: Relocating
Arnolfini, Bristol; Matt’s Gallery, London
DENISE ROBINSON
Justine Kurland: In Community, Skyblue
Gorney Bravin & Lee, New York
CARLO MCCORMICK
Angela Bulloch
Institute of Visual Culture, Cambridge
MICHAEL ARCHER
Bernd & Hilla Becher: Industrial Structures
Stedelijk Museum, Amsterdam
Bernd & Hilla Becher: Gevelmuren Gefotogrefeerd NA 1970
huis Marseilles, Amsterdam
SVEN LÜTTICKEN
Salla Tykkä: Pain Pleasure Guilt
Kunsthalle Bern; BAWAG Foundation, Wien
SØNKE GAU
Kunst zwischen cultural studies und Politik: Routes – Imaging Travel and Migration
Grazer Kunstverein, steirischer herbst 2002
REINHARD BRAUN
Inés Lombardi
Galerie Georg Kargl, Wien
FRIEDRICH TIETJEN
Talk of the Town: Ruth Kaaserer; Moira Zoitl
Kunstraum München e. V.
HEIKE ENDTER
Kontext-Kollision. Sowjetische Fotografie der zwanziger und dreißiger Jahre
Historisches Museum der Stadt Wien
MARIE RÖBL
In Search of Balkania / Auf der Suche nach Balkanien
Neue Galerie, Graz
Balkan Konsulat Proudly Presents: Belgrad
< rotor >, Graz
JUSTIN HOFFMANN
Erinnerung / Gedächtnis des Körpers. Unterwäsche der sowjetischen Epoche
St. Petersburg, Niznij Novgorod, Moskau, Krasnojarsk, Wien
HERWIG HÖLLER
Nicole Wermers: French Junkies
Produzentengalerie, Hamburg
MAREN LÜBBKE
Bücher
Image: / Images. Positionen zur zeitgenössischen Fotografie
Passagen Verlag, Wien 2001
REINHARD BRAUN
Inge Morath: New York
Edition Fotohof im Otto Müller Verlag, Salzburg / Wien 2002
MAGDALENA VERENA FELICE
Politik und Sinnlichkeit. Boxing, Runway und Social Graces von Larry Fink
Powerhouse Books, New York 1997, 2000 und 2001
MARIE RÖBL
Reinhold Misselbeck: Prestel-Lexikon der Fotografien
Prestel, München 2002
Michael Koeztle: Das Lexikon der Fotografen
Knaur, München 2002
TIMM STARL
Claude Cahun: Ècrits
Éditions Jean Michel Place, Paris 2002
FABIAN STECH
Über die gewandelte Ästhetik US-Amerikanischer Kriegsführung
Ridley Scott, „Black Hawk Down“, 2001
HIAS WRBA
Impressum
Herausgeber, Verleger und für den Inhalt verantwortlich: Manfred Willmann. Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA, Labor für Fotografie und Theorie
Alle: Sparkassenplatz 2, A-8010 Graz
Redaktion: Christine Frisinghelli, Maren Lübbke
Assistenz: Manisha Jothady, Heidi Oswald, Anja Rösch, Nora Theiss
Übersetzungen: Allison Plath-Moseley, Wilfried Prantner, Richard Watts