Camera Austria International
83 | 2003
- REINHARD BRAUN
Klaus Schuster: Zweideutige Bilder - KLAUS SCHUSTER
- HERWIG HÖLLER
Aleksandr Il'ic Ljasenko genannt Petljura - PANI BRONJA UND ALEKSANDR PETLJURA
- KIM CASCONE
Derek Holzer & Bas van Koolwijk: System als Sigal, Daten als Flüssigkeit, Verhalten als Struktur - DEREK HOLZER & BAS VAN KOOLWIJK
- CHRISTA BLÜMLINGER
Chris Marker, ein Archäologe des Imaginären - CHRIS MARKER
- ANNETT BUSCH
Frieda Grafe - FRIEDA GRAFE
Vorwort
Camera Austria Nr. 83 widmet sich in Form monographischer Beiträge einer Reihe sehr individueller Positionen, die, wie so oft, über den Begriff Fotografie im engeren Sinn hinausgreifen und den Bildbegriff in Richtung Medien, Film und Performance erweitern: Der österreichische Künstler Klaus Schuster setzt sich seit Mitte der neunziger Jahre gezielt mit der Künstlichkeit von Bildern auseinander. Seine digital konstruierten Fotografien und Videoarbeiten erscheinen als „zweideutige Bilder“ zwischen Hypothese und Wirklichkeit. Reinhard Braun stellt in seinem Beitrag Schusters aktuelle Serie mit dem Titel „Selbstorganisation“ vor, die wie vorangegangene Arbeiten, „den sich ständig verändernden Zusammenhang von Gegenstand, Technik und kontextuellem Wissen“ durcharbeiten und vor allem den Prozess der Bildherstellung selbst reflektieren.
Volltext →Camera Austria International 83 | 2003
Vorwort
Camera Austria Nr. 83 widmet sich in Form monographischer Beiträge einer Reihe sehr individueller Positionen, die, wie so oft, über den Begriff Fotografie im engeren Sinn hinausgreifen und den Bildbegriff in Richtung Medien, Film und Performance erweitern: Der österreichische Künstler Klaus Schuster setzt sich seit Mitte der neunziger Jahre gezielt mit der Künstlichkeit von Bildern auseinander. Seine digital konstruierten Fotografien und Videoarbeiten erscheinen als „zweideutige Bilder“ zwischen Hypothese und Wirklichkeit. Reinhard Braun stellt in seinem Beitrag Schusters aktuelle Serie mit dem Titel „Selbstorganisation“ vor, die wie vorangegangene Arbeiten, „den sich ständig verändernden Zusammenhang von Gegenstand, Technik und kontextuellem Wissen“ durcharbeiten und vor allem den Prozess der Bildherstellung selbst reflektieren.
Herwig G. Höller besuchte im Juli diesen Jahres den in Moskau lebenden Künstler Aleksandr Petljura, der seit Anfang der neunziger Jahre einen zentralen Stellenwert innerhalb der russischen Independent-Kunst einnimmt. Seit mehr als 25 Jahren sammelt er akribisch Kleidungsstücke und Flohmarktobjekte. Diese Form einer kulturgeschichtlichen Recherche, welche die Ideengeschichte Russlands von der Jahrhundertwende über die Ära der UdSSR bis in die Gegenwart nachvollziehbar macht, präsentiert der Künstler auf ironische Weise in Konzepten, die sich abseits des Mainstreams bewegen und Performances, theatralische Auftritte im Modekontext, Installationen und Fotografien gleichermaßen mit einschließen.
»Ozone« ist der Titel des Raum greifenden elektromagnetisches Environments, das Derek Holzer (USA) und Bas van Koolwijk (NL) im Herbst diesen Jahres im Medienturm Graz, zeigen. Der Beitrag des amerikanischen Musikers und Medientheoretikers Kim Cascone veranschaulicht die Hintergründe zu dieser systembasierten Form von Kunst.
Das Interesse am Film als Medium des Gedächtnisses und der Erinnerung steht im Mittelpunkt der Arbeiten des französischen Regisseurs Chris Marker. Christa Blümlinger reflektiert in ihrem theoretisch- kritischen Beitrag Markers Ansatz. Anlass sind die unlängst auf DVD erschienenen legendären Filme „Sans Soleil“ und „La Jetée“ aber vor allem Markers interaktive Installation „Immemory“, deren CD-Rom-Version (dem Medium für ein Erinnerungsarchiv schlechthin) Zugang zu und die Verknüpfung von unterschiedlichsten gespeicherten Erinnerungen bietet.
Zu den bedeutendsten Filmkritikerinnen der letzten Jahrzehnte zählt Frieda Grafe, die leider im Vorjahr verstorben ist: Ihr wollen wir in dieser Ausgabe eine Hommage widmen. Anlass hierzu ist auch die beim Verlag Brinkmann & Bose geplante zwölfbändige Ausgabe von Grafes Nachlass an Texten (2 Bände sind bereits erschienen, der dritte folgt im Oktober). Annett Busch nähert sich in Ihrem Essay dem umfassenden Werk Frieda Grafes über deren Schreibstil. Sie spannt damit auch einen Bogen zu Überlegungen, die Grafe schon in einem Symposion zum Thema „Das Bild: Der Text“ in Camera Austria 24/1987 vorgestellt hat.
Camera Austria bezieht ab Oktober 2003 im Kunsthaus Graz seinen neuen Ausstellungsraum, ab Jahresende 2003 wird auch die Redaktion der Zeitschrift Camera Austria vom Kunsthaus aus arbeiten. Mit dem neuen Ausstellungsraum und der Studienbibliothek im Kunsthaus Graz erhält das Projekt Camera Austria nunmehr die Möglichkeit, Präsentations- und Vermittlungsideen in einer für zeitgenössische Kunstmuseen idealen Weise voranzutreiben, und in Zusammenarbeit mit den Universitäten einem breiteren Publikum zu vermitteln. Das Programm von Camera Austria im Kunsthaus Graz wird weiterhin Schwerpunkte setzen, die über medienspezifische Fragen hinausgehen: Die enge Zusammenarbeit mit KünstlerInnen schafft die ständige Herausforderung, die eigene Arbeit zu reflektieren und das Medium Fotografie nicht allein als ästhetisches „Produkt“ zu verstehen, sondern als eine spezifische Form, in der Fragen zur Gesellschaft und Kultur formuliert und bearbeitet werden. Wie bisher sehen wir also das Projekt Camera Austria in der Erarbeitung von relevanten Fragestellungen über den Bereich der Kunst hinaus, in der kritischen Beobachtung kultureller Entwicklungen und in einem beständigen Dialog mit der Kunstproduktion auf der Höhe der Zeit.
Die Eröffnung von CAMERA AUSTRIA – KUNSTHAUS GRAZ wird durch zwei Projekte markiert, die als Beitrag von Camera Austria zum Programm von Graz 2003 – Kulturhauptstadt Europas konzipiert wurden. Unter dem Thema Keep in Touch werden Fragen nach dem sozialen Gebrauch von Bildern in den Mittelpunkt gerückt, die damit das Arbeitsfeld von Camera Austria programmatisch abstecken.
Die Ausstellung aktueller „Positionen japanischer Fotografie“ mit Beiträgen u. a. von Mao Ishikawa, Tomoko Sawada, Masafumi Sanai, Risaku Suzuki und Kyoichi Tsuzuki wird am 3. Oktober 2003 eröffnet. Am 31. Oktober und 1. November 2003 werden in einem zweitägigen Symposion mit japanischen TheoretikerInnen, Kurator- Innen und KünstlerInnen diese Positionen in ihrem spezifischen kulturellen Kontext verankert und zur Diskussion gestellt.
Die Ausstellung „Pierre Bourdieu: In Algerien. Zeugnisse der Entwurzelung“ stellt ab 14. November 2003 erstmals die fotografischen Dokumentationen vor, die während des Kolonialkrieges zwischen 1958 und 1961 in Algerien im Rahmen von ethnographischen und soziologischen Feldforschungen entstanden sind und die, wie Pierre Bourdieu sagt, sein „frühestes und zugleich aktuellstes“ Werk darstellen.
Aufmerksam machen möchten wir Sie auch auf unser jüngst erschienenes Künstlerbuch: Allan Sekula: TITANIC’s wake stellt Sekulas Arbeiten „Dear Bill Gates“ (1999), »TITANIC’s wake« (1998 – 2000) und „Waiting for Tear Gas“ (1999/2000) in den Zusammenhang eines „kritischen Dokumentarismus“, dessen Hintergrund in der für Sekula typischen Verbindung von Fotografie und Essay, Konzeptkunst und kritischem Journalismus besteht. Die dafür ausgewählten Essays liegen damit zum ersten Mal in deutscher Sprache vor. In diesen bezieht sich Allan Sekula unter anderem auf seinen 1984 publizierten Essay „Der Handel mit Fotografien“ und die darin gestellte Frage, welche Rolle der Mythos von der Fotografie als „universelle Sprache“ spielt („Zwischen Netz und tiefblauer See“). Der Aufsatz „TITANIC’s wake“ illustriert die gleichnamige 23-teilige Fotoserie und stellt Themen wie Ausbeutung und wirtschaftliche Vormachtstellung in den Zusammenhang größerer sozialpolitischer Problematiken. „Waiting for Tear Gas“ kommentiert die Dia-Serie selben Titels, die, 1999 in Seattle entstanden, die Anfänge der Protestbewegung der Globalisierungsgegner dokumentiert. „TITANIC’s wake“ ist damit einmal mehr zugleich ein wichtiger Beitrag zur zeitgenössischen Kunst wie zum Verständnis der drängenden Probleme der gegenwärtigen Gesellschaft.
Weiters ist für den Spätherbst diesen Jahres das Erscheinen der Publikation Golden Years. Materialien und Positionen zur queeren Subkultur und Avantgarde zwischen 1959 und 1974 geplant. Neben Aufsätzen von Theoretikern wie Diedrich Diederichsen, Matthias Haase, Juliane Rebentisch, Martin Saar und Ruth Sonderegger, die neben Christoph Gurk und Camera Austria auch als Herausgeber fungieren, dokumentiert die Publikation weiters eine Reihe von Interviews, die der amerikanische Künstler Mike Kelley für seine Installation „Unisex Love Nest“ mit namhaften ProtagonistInnen performativer Kunstgenres dieser Zeit geführt hat (u. a. mit Eleanor Antin, Jackie Apple, AA Bronson und Pamela Des Barres).
Wir freuen uns auf Ihren Besuch unseres neuen Standortes CAMERA AUSTRIA – KUNSTHAUS GRAZ. Zudem sind wir auch in diesem Herbst wieder bei einer Reihe von Kunstmessen vertreten: beim Artforum Berlin, der Kunst Wien und auf der Art Cologne – bitte nehmen Sie auch dies zum Anlass, sich über unser umfangreiches Programm zu informieren.
Und abschließend noch eine weitere, besonders erfreuliche Nachricht in eigener Sache: Reinhard Braun, der als Autor und Redakteur mit unserer Zeitschrift seit Jahren verbunden ist, wird ab diesem Herbst als Kurator und Redakteur unser Team verstärken.
Christine Frisinghelli, Manfred Willmann
Beiträge
Forum
PATRICK O´HARE
JOHN GANIS
HIROSHI ONO
ANDREA WITZMANN
ANDREONI_FORTUGNO
STEFAN KORTE
UROŠ ĐJURIĆ
DAFNA TALMOR
MIRJANA RUKAVINA
SONJA GANGL
Ausstellungen
La Biennale di Venezia. 50th International Exhibition of Art
Venedig
DENISE ROBINSON
La Mirada. Looking at Photography in Latin America Today
Daros Exhibitions, Zürich
SEBASTIAN LOPEZ
Wolfgang Tillmans, if one thing matters, everything matters
Tate Britain, London
JOHN SLYCE
Art Brewer
Earl McGrath Gallery, New York
CARLO MCCORMICK
Looking Glass Lens, Dreaming in Pictures: The Photography of Lewis Carroll. International Center of Photography, New York
RACHEL BAUM
Cruel and Tender, The Real in the Twentieth-century Photograph
Tate Modern, London; Museum Ludwig, Köln
JOHN SLYCE
Allan Sekula: Performance under Working Conditions
Generali Foundation, Wien
RUTH NOACK
Brassaï, Surrealist aus Gelegenheit, Modernist aus Passion
Albertina Wien
MARIE RÖBL
Marcel Broodthaers: Texte et Photos
Die Photographische Sammlung / SK Stiftung Kultur, Köln
CLAIRE ZIMMER
(Des)Organisation? Formen der Organisation
Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig; Kunstraum der Universität Lüneburg
RAIMAR STANGE
Nothing Escapes Me, Louise Bourgeois: Intime Abstraktionen
Akademie der Künste, Berlin
REINHILD FELDHAUS
Territories
KW-Institute for Contemporary Art, Berlin
SØNKE GAU
Bücher
Aurel Hrabušický / Vàclav Macek: Slovenská Fotografia / Slovak Photography 1925 – 2000
Slovenská Národna Galéria, Bratislava, 2001
VALDIMIR BIRGUS
Kodachrome
Twin Palms Publishers, Santa Fe; Delano Greendige Editions, New York
SALLY STEIN
Evergreens à Gogo, Henk Tas: Why me Lord
TDS Drukwerken, Rotterdam, 2001
CAROLIN FÖRSTER
Aglaia Konrad: Elasticity
NAi Publishers, Rotterdam, 2002
JAN VERWOERT
Paolo Morello: Alfredo Camisa. Carteggio 1955 – 1963
Istituto Superiore per la Storia della Fotografia, Palermo, 2003
ROLF SACHSSE
Die moralischen Erzählungen der Susan Sontag. Susan Sontag: Das Leiden anderer betrachten
Carl Hanser Verlag, München, 2003
HERTA WOLF
Impressum
Herausgeber, Verleger und für den Inhalt verantwortlich: Manfred Willmann. Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA, Labor für Fotografie und Theorie
Alle: Sparkassenplatz 2, A-8010 Graz
Redaktion: Christine Frisinghelli, Maren Lübbke, Manisha Jothady
Assistenz: Nora Theiss. Trainees: Kanako Nasu, Margareta Oliwa
Übersetzungen: Martin Brady, Wilfried Prantner, Richard Watts