Presseinformationen
Camera Austria International 149 | 2020
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Pressetext
Die Beiträge der Märzausgabe von Camera Austria International fokussieren auf das Potenzial, das der Auseinandersetzung mit alltäglichen Ordnungen innewohnt und wie sich Demokratie an den Schnittstellen zwischen öffentlichem und privatem Leben entfalten kann.
Christina Werners Kunst »besticht unter anderem deshalb, weil sie auf Vermittlung abzielt, ohne didaktisch zu sein«, stellt Sabrina Mandanici in ihrem Beitrag fest. In großteils langfristig angelegten Arbeiten verfolgt Werner, wie die Umstrukturierung öffentlicher Räume im Sinne deren politischer Vereinnahmung bisweilen unbemerkt vonstatten geht, oder wie Vertreter*innen rechtspopulistischer Parteien bestimmte demokratisch konnotierte Rhetoriken für ihre Zwecke nutzen. Neben der Sichtbarmachung der Brüche in unserem demokratischen System geht sie auch der Frage nach, welche individuellen Freiräume sich in diesem Gefüge besetzen lassen.
Um die Beanspruchung von Freiräumen geht es ebenfalls in Nina Strands Text zur Arbeit von Carmen Winant. Am Beispiel ihrer 2019 erschienenen Publikation Notes on Fundamental Joy und dem Interesse der Künstlerin an der Lesbian Lands-Bewegung sowie speziell dem 1975 gegründeten Oregon Women’s Land Trust nimmt Strand neben der Bedeutung eines gemeinschaftlichen feministischen Raumes die Rolle der Fotografie und des Publizierens für die Selbstermächtigung der Frauen in den Blick. »Die vielen Publikationen, die Lesbian Lands hervorbrachte – Heftchen, Pamphlete, Magazine –
zeigen, wie wesentlich die Fotografie als Werkzeug für diese Frauen war: Bilder aufzunehmen wurde zu einer Form von Reklamation und Neuerfindung.«
Radek Krolczyk und Hannah Wolf haben aus ihrer gemeinsamen Publikationspraxis den Beitrag »Himmel / Kein Himmel« entwickelt, in dem sie über die Bedeutung und die Zeitlichkeit von politischen Bildern und Symbolen im Stadtraum Istanbuls nachdenken. So untersuchen sie Bilder, die vor den Wahlen und an Nationalfeiertagen, bei Protesten und Demonstrationen oder auf den Kunststoffplanen der Großbaustellen präsent sind, aber auch die Abwesenheit zuvor dagewesener Bilder, wenn »an den Wänden ungleichmäßige graue Flecken« entstehen: »Es sind ausgelöschte Parolen und gleichzeitig Bilder, die von der Angst des Staates erzählen.«
Die Arbeiten Bouchra Khalilis werfen den Blick auf die subjektiven Bewegungslinien zwischen verschiedensten Städten, von denen ausgehend Geschichten von Migration in all ihrer Brüchigkeit erzählt werden. Arnisa Zeqo bringt die Filme der Künstlerin mit Pier Paolo Pasolinis autobiografischem Gedichtzyklus Poesia in forma di rosa in Zusammenhang und arbeitet heraus, wie Khalili ähnlich Pasolini die fragmentarischen Stimmen von Lebenden wie Verstorbenen zu Wort kommen lässt: »Khalilis Filme schaffen eine Öffentlichkeit für zu wenig gehörte Stimmen, den Raum für ein politisches und subjektives Bewusstsein zwischen Nationen, Straßenecken und Häusern, in dem Platz für Würde ist.«
Das in mehr als dreißig Jahren entstandene »Black Balloon Archive« von Liz Johnson Artur umfasst eine Vielzahl an Fotografien, in denen sie schwarze Communitys weltweit dokumentiert hat und die sie in immer neue Zusammenhänge bringt. Im Interview mit Yasufumi Nakamori spricht die Künstlerin über die Zugehörigkeit zur Black Diaspora, die Rolle der Narration für ihre Arbeit sowie ihr Interesse, diese in zunehmend kollaborative Zusammenhänge einzubringen, um sie für die Auseinandersetzung zu öffnen: »Ich bin für Kisten und Negative, doch ich will all diese Bilder auch sehen und nicht das Gefühl haben, dass ich das einfach aus einem Zwang heraus mache. Ausstellungen machen zu können, bedeutet, dass ich verschiedene Konversationen führen kann und eine zur anderen führt.«
Wir wünschen Ihnen viel Freude mit der Vielstimmigkeit, die die Beiträge unserer Märzausgabe vereint!
Christina Töpfer und das Team von Camera Austria
März 2020
Cover: Liz Johnson Artur, aus dem Black Balloon Archive.
Bildmaterial
Die honorarfreie Veröffentlichung ist nur in Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ausstellung und die Publikation gestattet. Wir ersuchen Sie die Fotografien vollständig und nicht in Ausschnitten wiederzugeben. Bildtitel als Download unter dem entsprechenden Link.