Camera Austria International

150/151 | 2020


  • What’s at Stake / What’s Missing?

Vorwort

Als wir Mitte Februar 2020 die Einladung an die Autor*innen und Künstler*innen dieser Ausgabe formulierten, schien die Welt noch eine andere zu sein. Mit dem Blick zurück auf 149 Ausgaben der Zeitschrift Camera Austria International, die 1980 von Christine Frisinghelli, Seiichi Furuya und Manfred Willmann gegründet wurde und die mit dieser Doppelnummer ihre 150. Ausgabe feiert, schien es naheliegend, nicht nur zurückzublicken, sondern die Fotografie durch ein sich entwickelndes Netzwerk einer kritischen Bestandsaufnahme zu unterziehen und ihre Position zu verorten.

Vor dem Hintergrund von Covid-19 und dem Kampf um gesellschaftliche Gerechtigkeit, der derzeit an vielen Orten der Welt ausgetragen wird, hat die Frage, was auf dem Spiel steht, wenn wir aktuell über Fotografie nachdenken – in welch vielfältigen Weisen diese gesellschaftliche und politische Relevanz einnimmt – noch einmal an Dringlichkeit gewonnen, was auf den folgenden Seiten sichtbar wird.

Volltext

Camera Austria International 150/151 | 2020
Vorwort

Als wir Mitte Februar 2020 die Einladung an die Autor*innen und Künstler*innen dieser Ausgabe formulierten, schien die Welt noch eine andere zu sein. Mit dem Blick zurück auf 149 Ausgaben der Zeitschrift Camera Austria International, die 1980 von Christine Frisinghelli, Seiichi Furuya und Manfred Willmann gegründet wurde und die mit dieser Doppelnummer ihre 150. Ausgabe feiert, schien es naheliegend, nicht nur zurückzublicken, sondern die Fotografie durch ein sich entwickelndes Netzwerk einer kritischen Bestandsaufnahme zu unterziehen und ihre Position zu verorten.

Vor dem Hintergrund von Covid-19 und dem Kampf um gesellschaftliche Gerechtigkeit, der derzeit an vielen Orten der Welt ausgetragen wird, hat die Frage, was auf dem Spiel steht, wenn wir aktuell über Fotografie nachdenken – in welch vielfältigen Weisen diese gesellschaftliche und politische Relevanz einnimmt – noch einmal an Dringlichkeit gewonnen, was auf den folgenden Seiten sichtbar wird.

Die sich hier entfaltenden Beiträge vermitteln die komplexe Situation in kaleidoskopartigen Einblicken: Rückgriffe auf Archive bezeugen, dass fotografische Kritik sich nie gänzlich von ihren Traditionen befreien kann und ihre Konditionen und Narrative fortlaufend überarbeitet und infrage gestellt werden müssen; vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse wird die politische Dimension des Atmens untersucht. Darüber hinaus versucht ein Arbeiten gegen weiße Vorherrschaft und deren hegemoniale Systeme, eine Dekolonialisierung des Blicks in den Vordergrund zu rücken. Dabei geht es in vielen der Beiträge um eine Zurückweisung des Hegemonialen und auch darum, BIPoC- und Transgender-Positionen in den Blick zu nehmen; antirassistische Statements stehen in Verbindung mit der Aufforderung, nicht nur im eigenen institutionellen Umfeld verhaftet zu bleiben, sondern sich den Protesten auf der Straße anzuschließen. Auch werden bildimmanente Fragen in Bezug auf sich rasant wandelnde Medientechnologien aufgegriffen und die Grenzen des Fotografischen immer wieder aufs Neue ausgelotet.

Mit all diesen Facetten ist die vorliegende Ausgabe von Camera Austria International nicht zuletzt ein Dokument unserer Gegenwart, so sind die zwischen Mai und Mitte August 2020 eingegangenen Beiträge, die sich chronologisch und dabei einem Kalenderblatt ähnlich in die Seiten der Zeitschrift einschreiben, mehr noch als wir es uns im Februar 2020 hätten vorstellen können, von Aktualität und Dringlichkeit gezeichnet. Wie Stanley Wolukau-Wanambwa in seinem Beitrag für diese Ausgabe schreibt: Was auf dem Spiel steht, ist trotz aller Relevanz, die fotografischen Bildern zukommt, das »Überleben. Sei es auf der Ebene der Ökologie, also des Planeten, oder auf der Ebene unserer unterschiedlich und fortwährend unterworfenen Communities, die in ihrer gewinnbringenden Unterwerfung die vielen, einander überlagernden Bürden ökonomischer, politischer, rassischer, religiöser, sexueller und kultureller Gewalt schultern.«

Wir danken den zahlreichen Künstler*innen, Autor*innen, Kurator*innen und Theoretiker*innen, die mit ihren Expertisen zu dieser Ausgabe beigetragen haben, für ihre Offenheit und ihr Vertrauen, sich mit uns gemeinsam auf dieses Abenteuer einzulassen. Ihre Beiträge machen jeweils einzeln wie auch in ihrer Gesamtheit sichtbar, dass Fotografie nicht von Gesellschaft separiert werden kann und es auch nach 150 Ausgaben nicht weniger relevant geworden ist, sich mit ihr zu beschäftigen. Und wir danken Ihnen, unseren Abonnent*innen und Leser*innen und allen, die das Projekt Camera Austria seit vielen Jahren begleiten und mittragen, für ihr fortwährendes Interesse an unserer Zeitschrift.

Reinhard Braun, Margit Neuhold, Christina Töpfer
September 2020

Cover: Seiichi Furuya, Böblingen, 1978. Silbergelatine-Print, 40 × 30 cm (auf dem Cover von Camera Austria Nr. 1/1980).

Beiträge

Ausstellungen

Gerry Schum: Fernsehgalerie
SFB/WDR, 1969–70
Shutdown-Programm 
Württembergischer Kunstverein Stuttgart, seit April 2020
Sophie Thun: Stolberggasse
Secession, Wien, 30. 4. – 21. 6. 2020
#SMH Bildwanderung / Picture Walk
Sprengel Museum Hannover, seit April 2020
REBECCA WILTON

Pati Hill: Something other than either
Kunstverein München, 7. 3. – 16. 8. 2020
KATJA KOBOLT

I’M NOT A NICE GIRL! Eleanor Antin, Lee Lozano, Adrian Piper, Mierle Laderman Ukeles
Kunstsammlung NRW, Düsseldorf, 18. 1. – 28. 6. 2020
MORITZ SCHEPER

Subjekt und Objekt: Foto Rhein Ruhr
Kunsthalle Düsseldorf, 20. 3. – 16. 8. 2020
CAROLIN FÖRSTER

Katharina Sieverding: UNWIDERSTEHLICHE HISTORISCHE STRÖMUNG
ART FOYER DZ BANK Kunstsammlung, Frankfurt am Main, 14. 2. – 6. 6. 2020
GISLIND NABAKOWSKI

Image Wars: The Power of Images
KM – Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien, Graz, 4. 7. – 8. 10. 2020
MAX L. FELDMAN

Naeem Mohaiemen: What we found after you left
The Power Plant, Toronto, 21. 9. 2019 – 30. 8. 2020
JACOB KORCZYNSKI

. . . of bread, wine, cars, security and peace
kunstHalle wien, Wien, 8. 3. – 4. 10. 2020
WALTER SEIDL

Tony Cokes: To Live as Equals
BAK, basis voor actuele kunst, Utrecht,
28. 2. 2020, Wiedereröffnung 16. 10. 2020 – 10. 1. 2021
SARAH VAN BINSBERGEN

Nicole Gravier, Nora Turato: Words Are Way Too Easy To Play With
Ordet, Milan, 2. 7. – 29. 8. 2020
MARIACARLA MOLÈ

Performance/Documentation/Presentation
Lunds konsthall, Lund, 13. 6. – 23. 8. 2020
FRIDA SANDSTRÖM

Le supermarché des images
Jeu de Paume, Paris, 11. 2. – 7. 6. 2020
STEVEN HUMBLET

21.lettres.a.la.photographie@gmx.de
Museum Folkwang, Essen, 19. 6. – 8. 11. 2020
MIRA ANNELI NASS

Masculinities: Liberation through Photography
Barbican Art Gallery, London, 13. 7. – 23. 8. 2020 Gropius Bau, Berlin, 16. 10. 2020 – 10. 1. 2021
ORIT GAT

Chantal Akerman: Passages
Eye Filmmuseum, Amsterdam, 1. 6. – 30. 8. 2020
BENEDIKT REICHENBACH

Gelebt – Ingeborg Strobl
mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, 6. 3. 2020 – 10. 1. 2021
CHRISTIAN EGGER

Erica Baum: A Method of a Cloak
Klemm’s, Berlin, 6. 3. – 13. 6. 2020
Moyra Davey, Peter Hujar
Galerie Buchholz, Berlin, 13. 2. – 11. 4. 2020
Irmel Kamp: Zink
Soy Capitán hosting Galerie Thomas Fischer, 7. 3. – 30. 5. 2020
MAREN LÜBBKE-TIDOW

The Penumbral Age: Art in the Time of Planetary Change
MSN – Museum of Modern Art in Warsaw, 5. 6. – 13. 9. 2020
JAKUB MAJMUREK

Mihkel Ilus and Paul Kuimet: Endless Story
Tallinn Art Hall, 7. 3. – 31. 5. 2020
AGNIESZKA GRATZA

“Soft” Shooting?
Gallery Spot – Office for Photography, Zagreb, 15. 6. – 4. 9. 2020
TANJA VERLAK in coversation with SANDRA KRIŽIĆ ROBAN

Friedl Kubelka vom Gröller: Das Ich im Spiegel des Anderen. Fotografien und Filme 1968 – 2018
Generali Foundation, Museum der Moderne Salzburg, Mönchsberg, 20. 6. – 1. 11. 2020
CHRISTINA NATLACEN

Susanne Kriemann: Fotografie neu ordnen. Gestrüpp
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, 7. 8. 2020 – 31. 1. 2021
JENS ASTHOFF

Bücher

Bernadette Mayer: Memory
Siglio Press, Catskill 2020
MATTHEW RANA

Collier Schorr: Paul’s Book
MACK, London 2020
JUNE DREVET

Imagining Everyday Life: Engagements with Vernacular Photography
The Walther Collection, New York / Neu-Ulm; Steidl, Göttingen 2020
PAUL MELLENTHIN

Jonas Mekas: I Seem to Live. The New York Diaries, Vol. I, 1950 – 1969
Spector Books, Leipzig 2019
RADEK KROLCZYK

Lucas Cejpek: Umkreisung
Sonderzahl Verlag, Wien 2020
WILFRIED PRANTNER

Anja Manfredi & Nicole Haitzinger: Glimpses into the Stars Became Space
Fotohof edition, Salzburg 2019
MARGIT NEUHOLD

Anke Dyes: A Substantive Theory of Harm
Eigenverlag, Leipzig 2019
ANNA VOSWINCKEL

Nicholas Muellner: Lacuna Park. Essays and Other Adventures in Photography
SPBH Editions, London 2019
TACO HIDDE BAKKER

Lele Saveri: Hong Kong Barricades
Humboldt Books, Mailand 2019
JOCHEN BECKER

Tilman Walther: Der Mittelstand – Bilder und Tabellen
Textem Verlag, Hamburg 2020
RAPHAEL DILLHOF

Talking Books
Erik van der Weijde in Conversation with . . . Michael Mack
Gerry Johansson: Deutschland
MACK, London 2012
Roe Ethridge: Neighbors MACK, London 2016
Damian Heinisch: 45
MACK, London 2020

Impressum

Herausgeber: Reinhard Braun

Verlag, Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA. Labor für Fotografie und Theorie.
Lendkai 1, 8020 Graz, Österreich

Chefredaktion: Christina Töpfer.
Redaktion: Margit Neuhold.

Übersetzer*innen: Anja Büchele, Dawn Michelle d’Atri, John Doherty, Kathi Hofer, Amy Klement, Ulrike Matzer, Lina Morawetz, Katrin Mundt, Wilfried Prantner, Clemens Ruthner, Zapata.

Englisches Lektorat: Dawn Michelle d’Atri.

Dank: Basel Abbas & Ruanne Abou-Rahme, Nana Adusei-Poku, Ibrahim Ahmed, AfricaGSD, African American Student Union (AASU), Aren Aizura, Akinbode Akinbiyi, Rheim Alkadhi, Basma al-Sharif, Max Aufderhorst, Ariella Aïsha Azoulay, Nairy Baghramian, Bakri Bakhit, Marina Ballo Charmet, Abdul Sharif Baruwa, Daniel Bauer, Daniela Baumann, Dannielle Bowman, Rashayla Marie Brown, Jennofer Burris, Andy Campbell, Norma Elia Cantú, Clément Chéroux, Jean-François Chevrier, Sara Deraedt, Florian Ebner, Adama Delphine Fawundu, Thomas Fischer, Christine Frisinghelli, Seiichi Furuya, Veronika Gahmel, Rami George, Claudia Gerhäusser, Johannes Gierlinger, Ariel Goldberg, Julia Grosse, Fatima Guariota, Yasmina Haddad, Fields Harrington, Klaus Honnef, David Johnson, Liz Johnson Artur, Ron Jude, NIC Kay, Sydney King, Joachim Koester, Aglaia Konrad, Elke Krajewska, Paul Kuimet, Deana Lawson, Ulrich Loock, Andrea Lumplecker, KeliSafia Maksud, Susanne Miggitsch, N. N., Gregor Neuerer, Nadine Nour el Din, Christian Nyampeta, Nayare Soledad Otorongx, Élia Pijollet, Iki Yos Piña Narváez Funes, Barbara Proschak, Michal Raz-Russo, Jorge Ribalta, Martin Riegler, Marion Christina Rohrleitner, Isa Rosenberger, Rijin Sahakian, Niama Safia Sandy, Adania Shibli, Ahlam Shibli, Anna Shteynshleyger, Sherry Singleton, Nadir Souirgi, Corinne Spencer, Vivian Suter, Adam Szymczyk, Jürgen Tabor, Sophie Thun, Franziska Weinberger, James Welling, Susan Welsh, Jeffrey Whetstone, Stanley Wolukau-Wanambwa, Daniela Zehetner.

Copyright © 2020
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck nur mit vorheriger Genehmigung des Verlags. Für übermittelte Manuskripte und Originalvorlagen wird keine Haftung übernommen.

ISBN 978-3-902911-58-2.
ISSN 1015 1915
GTIN 4 19 23106 26004 00151