Camera Austria International
168 | 2024
- WENDY VOGEL
Fantasie-Fakes - LAURA SCHAWELKA
- FIONA VILMER
Atmosphärenbilder - LUDOVIC SAUVAGE
- MARK PRINCE
Gedanken sind nur in Dingen. Die Kunst & das Schreiben von Pati Hill - PATI HILL
- JON DAVIES
Der Tatort - LYLE ASHTON HARRIS
Vorwort
Die Auseinandersetzung mit Bildern und Objekten der Alltags- und Populärkultur, ihre Analyse, Aneignung und Neukontextualisierung ist Herangehensweise zahlreicher Künstler*innen. Welch einen Reiz die (amerikanische) Popkultur auch heute, in einer Zeit der Kriege und Krisen und angesichts eines US-Amerikas, das alles andere als »great again« scheint, weiterhin ausübt, hat uns in der Umsetzung der vorliegenden Ausgabe selbst überrascht. Den vorgestellten Künstler*innen gemein ist, dass sie alle an dem Alltag oder den Medien entnommene Bilder anknüpfen und diese in neue Zusammenhänge bringen. Doch geht es nicht um ein reines Reproduzieren und Bestätigen des Vorhandenen, sondern vielmehr um eine kritische Befragung dessen, was sich hinter den ubiquitären Bildern und deren Repräsentationsmechanismen verbirgt und wie es gelingen kann, diese für neue Lesarten produktiv zu machen.
Volltext →Camera Austria International 168 | 2024
Vorwort
Die Auseinandersetzung mit Bildern und Objekten der Alltags- und Populärkultur, ihre Analyse, Aneignung und Neukontextualisierung ist Herangehensweise zahlreicher Künstler*innen. Welch einen Reiz die (amerikanische) Popkultur auch heute, in einer Zeit der Kriege und Krisen und angesichts eines US-Amerikas, das alles andere als »great again« scheint, weiterhin ausübt, hat uns in der Umsetzung der vorliegenden Ausgabe selbst überrascht. Den vorgestellten Künstler*innen gemein ist, dass sie alle an dem Alltag oder den Medien entnommene Bilder anknüpfen und diese in neue Zusammenhänge bringen. Doch geht es nicht um ein reines Reproduzieren und Bestätigen des Vorhandenen, sondern vielmehr um eine kritische Befragung dessen, was sich hinter den ubiquitären Bildern und deren Repräsentationsmechanismen verbirgt und wie es gelingen kann, diese für neue Lesarten produktiv zu machen.
Laura Schawelka kommt in ihrer Arbeit immer wieder auf Gegenstände zurück, denen ein Kippmoment innewohnt. Die Grenze zwischen Realität und Fiktion, Original und Fake, Innen und Außen ist darin nie genau auszumachen. Wendy Vogel schreibt dazu in ihrem die Bildstrecke begleitenden Essay: »Schawelkas Arbeiten […] setzen auf die Konstruktion von Fantasie, und auf die eigensinnige Rolle der Dinge darin. Ihre Bilder, Videos und Installationen bilden ein Lexikon von Teilobjekten – Schaufensterpuppen, Wachsabgüsse, Wertmarken, Münzen, Requisiten, Fassaden und Fotografien selbst – welche die Art und Weise aufzeigen, in der diese Objekte ›lügen‹, uns aber dennoch verführen.«
Der verführerische Charakter medial vermittelter Bildwelten sowie das nostalgische Schwelgen in traumähnlichen Bildern von einer von Wohlstand und Saturiertheit getragenen Alltagskultur, wie sie vor allem die 1990er- und 2000er-Jahre prägte (und wie sie aus heutiger Perspektive weit entfernt scheint), zeichnen die Arbeiten von Ludovic Sauvage aus. Seine »Atmosphärenbilder«, wie Fiona Vilmer sie nennt, ziehen uns in einen angenehmen Sog, doch landen wir bisweilen schneller auf dem Boden der Realität als uns lieb ist. »Im Kern geht es darum, die Gewichtigkeit des Affekts anzuerkennen und die Möglichkeit einer Emanzipation von Bildern innerhalb ihrer eigenen Tiefe in Betracht zu ziehen.«
Mark Prince arbeitet in seinem Text heraus, wie die auf dem Kopieren von Alltagsgegenständen basierende Praxis von Pati Hill im engen Austausch mit ihrem Schreiben steht, sich zwischen beiden Medien jedoch immer wieder Risse auftun, an denen die Bild- und Textebene auseinanderzulaufen scheinen. »Sie wollte gern beides – die beiden Medien in manchen Fällen denotativ vereinen, oder sie in anderen in konnotative Zweideutigkeit trennen – und diese Dialektik die Abhängigkeit/Reibung zeigen lassen, welche die Beziehung zwischen Sprache und Bild kennzeichnet«, schreibt Prince und rückt Hills Arbeit in die Nähe der Konzeptkunst.
Das fast vierzigjährige Schaffen von Lyle Ashton Harris gibt einen umfassenden Einblick in die Konstruktion und Repräsentation (queerer) Schwarzer Identität. Für Camera Austria International Nr. 168 hat der Künstler seine 2020 entstandene Assemblage Trophy Piece aus der Serie Shadow Works in ihre Bestandteile aufgebrochen, die, jedes für sich genommen, seine präzise Auseinandersetzung mit visueller Kultur und den darin durchscheinenden sozialen und politischen Gegegebenheiten offenlegen. Wie Jon Davies herausarbeitet, »zeichnen [die Shadow Works] die Untrennbarkeit des Lebens des Künstlers von seinem Werk und die Kontinuität zwischen dem, was sich innerhalb des Rahmens befindet, und dem, was außerhalb liegt, auf hervorragende Weise nach, indem sie auf frühere Kunstwerke und auf wichtige Referenzbilder, Zeitungsausschnitte und Notizen zurückgreifen, um neue Bedeutungen für die heutige Zeit aufzurufen.«
Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre und viel Freude beim Sich-Hinein-Begeben in die Bildwelten, die sich in dieser Ausgabe unserer Zeitschrift eröffnen!
Dezember 2024
Christina Töpfer, June Drevet
Cover: Lyle Ashton Harris, Intercession #1, 2020. Assemblage (Farbstoff-Transferdruck, Ghana-Stoff), 126,4 × 103,2 cm (Detail). Courtesy: der Künstler.
Beiträge
Forum
Vorgestellt von der Redaktion
Michaela Putz
Elias Holzknecht
Ece Gökalp
Alegría Díaz
Ziad Naitaddi
Penelope Thomaidi
Ausstellungen
Locks of Power
Grow It, Show It! A Look at Hair from Diane Arbus to TikTok
Museum Folkwang, Essen, 13. 9. 2024 – 12. 1. 2025
NINA STRAND
Cindy Sherman: Anti-Fashion
FOMU – Fotomuseum Antwerpen, Antwerpen, 28. 9. 2024 – 2. 2. 2025
James Ensor: In Your Wildest Dreams
KMSKA – Royal Museum of Fine Arts Antwerp, Antwerpen, 28. 9. 2024 – 19. 1. 2025
FRANCESCA LAURA CAVALLO
Sophie Thun: Zwischen Licht und Wand
Rupertinum, Museum der Moderne Salzburg, 4. 10. 2024 – 23. 2. 2025
JOHANNA LUISA MÜLLER
7th Jaou Tunis: Contemporary Art Biennale
Verschiedene Orte, Tunis, 9. 10. – 9. 11. 2024
RICA CERBARANO
After Nature Prize 24: Laura Huertas Millán & Parker Protick
C/O Berlin, 14. 9. 2024 – 22. 1. 2025
PETER KUNITZKY
steirischerherbst’24: Horror Patriae
Verschiedene Orte, Graz, 19. 9. – 12. 10. 2024
RAIMAR STANGE
Auftreten im Bild. Positionen im kolonialen Kräftefeld
Photoinstitut Bonartes, Wien, 27. 7. 2024 – 17. 1. 2025
CHRISTINA NATLACEN
Gustav Metzger
MMK – Museum für moderne Kunst, Frankfurt am Main, 27. 7. 2024 – 5. 1. 2025
ANDREAS PRINZING
Manifesta 15 Barcelona Metropolitana
Metropolregion Barcelona, 8. 9. – 24. 11. 2024
HERWIG G. HÖLLER
Heidi Specker / Aenne Biermann: Amnesia Gera
Neue Galerie für Zeitgenössische Kunst in der Häselburg, Gera, 25. 10. 2024 – 5. 1. 2025
MARLENE MILITZ
Philipp Goldbach: Training Images
H2 – Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast, Augsburg, 19. 7. 2024 – 12. 1. 2025
SABINE MARIA SCHMIDT
Pınar Öğrenci / Nuri Musluoğlu: Fotografie neu ordnen. Protestbilder
MK&G – Museum für Kunst & Gewerbe, Hamburg, 25. 10. 2024 – 27. 4. 2025
MARINUS REUTER
Stanley Wolukau-Wanambwa: Scene at Eastman
George Eastman Museum, Rochester, NY, 25. 10. 2024 – 20. 4. 2025
MARCUS CIVIN
Science/Fiction: A Non-History of Plants
MEP – Maison Européenne de la Photographie, Paris, 16. 10. 2024 – 19. 1. 2025
KYVELI MAVROKORDOPOULOU
Curated by 2024: Untold Narratives
Verschiedene Orte, Wien, 17. 9. – 19. 10. 2024
HANA HALILAJ
Bücher
Tino Zimmermann, Developments
Eigenverlag, Templin 2024
ANJA SCHÜRMANN
Haltung zeigen
Florian Ebner, Andreas Langfeld, Postures / Haltungen. Menschen des Centre Pompidou – nach August Sander
Spector Books, Leipzig 2024
CAROLIN FÖRSTER
Dörte Eißfeldt, Stehen Liegen Hängen
DISTANZ Verlag, Berlin 2024
CHRISTINA IRRGANG
Fiona Banner (The Vanity Press): THE NAM
Frith Street Books, London, 1997
ROBIN WAART
Ausdruckslose Ähnlichkeiten? – Fotografie, Gesellschaft, Moderne. Siegfried Kracauer und Gisèle Freund
MARC RIES, REINHARD BRAUN
Impressum
Verein CAMERA AUSTRIA. Labor für Fotografie und Theorie.
Verlag, Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA. Labor für Fotografie und Theorie.
Lendkai 1, 8020 Graz, Österreich
Chefredaktion: Christina Töpfer.
Redaktion: June Drevet.
Übersetzer*innen: Dawn Michelle d’Atri, Elena Helfrecht, Clemens Ruthner, Alexandra Titze-Grabec.
Englisches Lektorat: Dawn Michelle d’Atri.
Dank: Alice James Books, Florence Bonnefous, Jon Davies, Alegría Díaz, Justine Do Espirito Santo, Regine Ehleiter, Ece Gökalp, Lyle Ashton Harris, Elias Holzknecht, Benjamin Hsu, Jelena & Dejan Kaludjerović, Andreas Langfeld, Kathrin Luz, Ziad Naitaddi, Michaela Putz, Sebastián Quevedo Ramírez, Ryan Rusiecki, Ludovic Sauvage, Laura Schawelka, Marijana Schneider, Heidi Specker, Phil Taylor, Penelope Thomaidi, Claudia Tittel, Fiona Vilmer, Wendy Vogel, Robin Waart, Stanley Wolukau-Wanambwa.
Copyright © 2024
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck nur mit vorheriger Genehmigung des Verlags. Für übermittelte Manuskripte und Originalvorlagen wird keine Haftung übernommen. Trotz intensiver Bemühungen war es leider nicht möglich, die Rechteinhaber*innen aller verwendeten Abbildungen ausfindig zu machen. Sollten Ihre Rechte berührt sein, bitten wir Sie, sich mit der Redaktion in Verbindung zu setzen.