Der Widerstand der Fotografie
Infos
Eröffnung
13.2.2004
Zeitraum
14.2.2004 – 28.3.2004
Im Rahmen der Eröffnung wird der Camera Austria-Preis für zeitgenössische Fotografie der Stadt Graz 2003 an Aglaia Konrad verliehen.
Mit
Lisa Holzer (AT), Sabina Hörtner (AT), Werner Kaligofsky (AT) Ulrike Lienbacher (AT), Barbara Probst (DE), Klaus Schuster (AT)
kuratiert von Reinhard Braun
Intro
Die Ausstellung „Der Widerstand der Fotografie“ bezieht sich – wie andere Ausstellungen von Camera Austria zuvor – auf die Bedeutung von Fotografie als Medium, das sich nicht auf verfahrenstechnische oder ästhetische Aspekte reduzieren lässt, sondern durch eine spezifische Form der Befragung zeitgenössischer Kultur bestimmt ist: Fotografie als visuelles Denken und als kulturelle Praktik, das Bild als Nahtstelle, in dem sich Wissen, Geschichte und Erinnerung überlagern. Unter dieser Perspektive leistet Fotografie einen beständigen und notwendigen Widerstand dagegen, als ästhetische Oberfläche verstanden zu werden, dagegen, auf ein vermeintliches „Fotografisches“ reduziert oder als unzeitgemäß erklärt zu werden. Die Projekte und Serien von LISA HOLZER – auf der Grundlage einer Verschränkung von Malerei, Skulptur und Fotografie entstanden – drehen sich um Aspekte von Leere, von Leerstellen, von unbestimmten Räumen und Orten, deren Zusammenhang, Funktion und Kontext nicht ersichtlich sind. Deshalb zeigen die Bilder vor allem Ideen von Orten, an denen etwas noch nicht stattgefunden hat, die mögliche Ausgangspunkte und Anfänge von Erzählungen sein können, Orte, die Sehnsüchte ermöglichen bzw. erfüllen, Orte, die für Möglichkeit ganz allgemein stehen können. Im Hintergrund steht die Frage nach dem Ort überhaupt. Was ist ein Ort, oder vielmehr: Was ist der „richtige“ Ort?
Volltext →Der Widerstand der Fotografie
Der Widerstand der Fotografie
Die Ausstellung „Der Widerstand der Fotografie“ bezieht sich – wie andere Ausstellungen von Camera Austria zuvor – auf die Bedeutung von Fotografie als Medium, das sich nicht auf verfahrenstechnische oder ästhetische Aspekte reduzieren lässt, sondern durch eine spezifische Form der Befragung zeitgenössischer Kultur bestimmt ist: Fotografie als visuelles Denken und als kulturelle Praktik, das Bild als Nahtstelle, in dem sich Wissen, Geschichte und Erinnerung überlagern. Unter dieser Perspektive leistet Fotografie einen beständigen und notwendigen Widerstand dagegen, als ästhetische Oberfläche verstanden zu werden, dagegen, auf ein vermeintliches „Fotografisches“ reduziert oder als unzeitgemäß erklärt zu werden. Die Projekte und Serien von LISA HOLZER – auf der Grundlage einer Verschränkung von Malerei, Skulptur und Fotografie entstanden – drehen sich um Aspekte von Leere, von Leerstellen, von unbestimmten Räumen und Orten, deren Zusammenhang, Funktion und Kontext nicht ersichtlich sind. Deshalb zeigen die Bilder vor allem Ideen von Orten, an denen etwas noch nicht stattgefunden hat, die mögliche Ausgangspunkte und Anfänge von Erzählungen sein können, Orte, die Sehnsüchte ermöglichen bzw. erfüllen, Orte, die für Möglichkeit ganz allgemein stehen können. Im Hintergrund steht die Frage nach dem Ort überhaupt. Was ist ein Ort, oder vielmehr: Was ist der „richtige“ Ort?
Die Interventionen von SABINA HÖRTNER lassen Räume und Orte als Schnittstellen vieler Räume und Orte erscheinen, die untereinander verbunden aber dennoch unterschieden sind; sie bilden zusammen ein System von Praktiken, in die sich ihre Arbeit einklinkt. Voraussetzung für diese Arbeitsweise ist eine Analyse des jeweiligen Raumzusammenhangs – ein „Bild“ der jeweiligen Situation entsteht. Die Interventionen selbst verursachen Verschiebungen in dieser visuellen, ästhetischen, vor allem aber auch politischen und sozialen Konstellation von Raum und Ort.
In den Arbeiten von WERNER KALIGOFSKY, in denen oftmals eine Übersetzung von einem Medium in ein anderes eine Rolle spielt, geht es immer um das Bild als umstrittenes und umkämpftes „Terrain“ der Bedeutungserzeugung und damit zusammenhängend um eine Hegemonie über die Beschreibung von Wirklichkeit. Aus diesem Grund handelt es sich auch um zutiefst politische Arbeiten, die Repräsentation als Mittel, aus der Welt in einer Weise Sinn zu machen, die den je eigenen Interessen dient, kennzeichnen.
In den fotografischen Arbeiten von ULRIKE LIENBACHER – die immer auch in engem Zusammenhang mit ihren Zeichnungen und Skulpturen/Installationen entstehen – wird ein deutliches Interesse am Verhältnis von Körper und Identität sichtbar, vor allem ein Interesse am weiblichen Körper. In der Arbeit Ulrike Lienbachers geht es also auch um das fotografische Bild als Teil einer machtvollen Repräsentationspolitik, einer Ökonomie des Bildes als Ökonomie der Macht – eine Ökonomie, die das Bild ständig in neue Zusammenhänge der Bedeutungsproduktion zwingt.
In der Serie „exposures“ von BARBARA PROBST wird ein flüchtiger Moment für mehrere Kameras ausgestellt: Belichtung, Freilegung, Aufdeckung und Enthüllung als Synonyme für die fotografische Praxis werden inszeniert und zugleich relativiert. Die Künstlerin bezieht sie auf ein Paradigma der Fotografie, die Faktizität des Augenblicks, doch fächert sie diesen Augenblick in unterschiedliche Perspektiven auf, die jede für sich zugleich wahr und ungenügend ist. Die Faktizität ist also ein Konstrukt, Auslassungen und Widersprüche Teil der fotografischen Praxis selbst.
Die Arbeiten von KLAUS SCHUSTER erscheinen wie fremdartige Standbilder, der massenmedialen Bildmaschine oder der Erinnerung entnommen, die wiederum auf Bildern beruht. Es entsteht ein zweideutiges Universum technischer Bilder, die den „Wirklichkeitsanschein“ der Fotografie zugleich unterstreichen wie ad absurdum führen. Die Bilder scheinen in die Dinge eingedrungen zu sein, haben sie ersetzt oder sich diesen vorgeblendet. Bilder einer Welt, die diese Welt bestätigen und doch dieser Welt nicht mehr bedürfen.
Die in der Ausstellung gezeigten neuen Arbeiten einer jungen Generation von KünstlerInnen zeigen somit unterschiedlichste Zugänge zu und Verwendungsweisen von fotografischen Dispositiven. Die Vielfalt dieser Positionen entspricht der Vielfalt von möglichen Lesearten, der Vielfalt von Fotografie als möglichem kulturellen Handlungsraum, als aktivem kulturellen Prozess, der sich vielfältigen – sozio-ökonomischen, politischen, ästhetischen, medienhistorischen etc. – Diskursen einschreibt: im Aufgreifen filmischer Strukturen, der beständigen Neudefinition des Dokumentarischen, durch digitale Verfahren der Simulation von Fotografie, durch das Überarbeiten und Aneignen von Bildmedien oder Genren, oder durch installative Interventionen. Diese Strategien positionieren Fotografie beständig neu im Spannungsfeld von Dokument und Konstruktion. Es geht letztlich um einen Begriff von Fotografie, der diese nicht festschreibt, sondern der beschreibt, wie Fotografie durch vielfältige Diskurse sozusagen wildert, an unvermuteten Stellen auftaucht und mit überraschenden Konsequenzen aufwartet ? ein spannungsgeladener Raum des Denkens über zeitgenössische visuelle Kulturen insgesamt.