Elke Krystufek
Für das Glück zuständig
Infos
Zeitraum
5.10.2008 – 18.1.2009
Eröffnung
4.10.2008, 11:00
Koproduktion steirischer herbst 2008
Intro
“Sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund”. Dieses Zitat ist mir aus früheren Kirchgängen noch ein bisschen vertraut. Natürlich schäme ich mich dafür, überhaupt in der Kirche gewesen zu sein, bzw. mich sogar immer noch daran erinnern zu können. Trotzdem interessiert mich als Frau und als Künstlerin, wozu Sprache eine Frau ermächtigt. Sprache und Macht- wahrscheinlich hätten sich zu ihren Lebzeiten weder Herr noch Frau Canetti mit mir unterhalten und es ist nicht zufällig, dass sich eine Kolonie von Selbstmördern oder früh verstorbenen durch mein Werk zieht. Hiermit möchte ich die BetrachterInnen darauf hinweisen, dass jede Ausstellungsankündigung eigentlich eine Entschuldigung ist, eine Anpassung an die Verhältnisse und eine Rechtfertigung, weshalb wieder so ein halböffentliches Wesen ein Stück öffentlichen Raumes beansprucht. Falls Sie immer noch lesen, wollen Sie sicher wissen: was zeigt sie denn? Ist Ihnen Ausstellungspraxis vertraut? Woher soll ich wissen, was ich Ihnen im Herbst zeigen werde? Leben Sie nicht auch einen ganzen Sommer lang wie eine Mücke und dann ist die Frage, was im Herbst ist? Im Steirischen noch dazu. Wieso haben wir keinen Wiener Herbst und keinen Herbst in Taipeh? Ich weiß auch, dass man Kunst und Leben trennen kann wie Abfall, dann sortieren und in die richtigen Augen wegschmeißen, wo das Weggeschmissene dann wiederverwertet wird. Ich würde gerne eine Umfrage machen, wen meine Kunstpraxis bis jetzt glücklich gemacht hat bzw. warum ich nicht zur Ausstellung Anleitung zum Unglücklichsein eingeladen wurde. Ich möchte gerne mit meinen Fotos, die sich allein durch den speziellen Blick von denen eifriger DilettantInnen unterscheiden, Gefängniszellen und Krankenhäuser ausstatten, um dort Menschen glücklicher zu machen. Ich möchte einer Zwangsprostituierten eine Postkarte schreiben und über die Glücksfrage diskutieren. Eigentlich können uns nur die Menschen aus gesellschaftlichen Randsituationen erklären, wie man/frau das Unglück besser vermieden hätte, in das sie hineingekommen sind. Wir, auf der anderen Seite des Randes, sind lediglich zur Überheblichkeit fähig.
(Elke Krystufek)
Elke Krystufek geht mit sich selbst und mit ihrer Umgebung schonungslos um, ernst, stets wahrhaftig, und immer fordert sie vom Betrachter Teilnahme oder Widerspruch. Mit ihr die Frage nach „Strategien der Unglücksvermeidung“ zu stellen, diese Fragestellung als Thema eines Festivals zeitgenössischer Kunst selbst zu hinterfragen, liegt nahe: Die Komplexität ihres Werkes und die Lust und Courage der Künstlerin, die Prägungen kollektiver und individueller Denkkategorien nicht einfach gelten zu lassen sondern die so genannte Wirklichkeit gegen den Strich zu bürsten, lassen auf einfache Fragen nicht a priori einfache Wahrheiten erwarten.
Volltext →Elke Krystufek: Für das Glück zuständig
„Sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ Dieses Zitat ist mir aus früheren Kirchgängen noch ein bisschen vertraut. Ein Wort reicht allerdings nicht. Auch die Psychoanalyse reicht nicht. Wegen der Couchidee war mir dieses System immer unsympathisch. Ich meinerseits wäre höchstens auf dem alten Polstermöbel gestanden und hätte Freud in seine Pfeife gespuckt, so dass ihm diese ausgegangen wäre und er dafür keinen Krebs bekommen hätte. Ihm das Koks vor der Nase weggepustet. Meine Träume erzähle ich lieber im Bett von gleicher Liegehöhe auf gleiche Augenhöhe – es ist kaum zu glauben wie schnell Menschen ohne unnötige Hierarchien gesund werden. Trotzdem interessiert mich als Frau und als Künstlerin, wozu Sprache eine Frau ermächtigt. Sprache und Macht – wahrscheinlich hätten sich zu ihren Lebzeiten weder Herr noch Frau Canetti mit mir unterhalten und es ist nicht zufällig, dass sich eine Kolonie von Selbstmördern oder früh Verstorbenen durch mein Werk zieht. Oder von sexuell Missbrauchten. So zufällig sind die mysteriösen Selbstmorde dann doch wieder nicht und hinter den so unergründlich endogenen Depressionen meiner HeroInnen steht dann doch wieder Pyjama und Verbrechen. Die männliche Macht, die sich nach außen hin so imposant darstellt, hat viel zu verbergen : die Selbstmorde der GastarbeiterInnen in Dubai, die die neue Architektur nicht ertragen, weil schon während des Baus ihre Lebensbedingungen zerstört werden.
Hiermit möchte ich die BetrachterInnen darauf hinweisen, dass jede Ausstellungsankündigung eigentlich eine Entschuldigung ist, eine Anpassung an die Verhältnisse und eine Rechtfertigung, weshalb wieder so ein halböffentliches Wesen ein Stück öffentlichen Raumes beansprucht. Falls Sie immer noch lesen, wollen Sie sicher wissen : Was zeigt sie denn ? Ist Ihnen Ausstellungspraxis vertraut ? Woher soll ich wissen, was ich Ihnen im Herbst zeigen werde ? Leben Sie nicht auch einen ganzen Sommer lang wie eine Mücke und dann ist die Frage, was im Herbst ist ? Im steirischen noch dazu. Wieso haben wir keinen Wiener Herbst und keinen Herbst in Taipeh ? Ich weiß auch, dass man Kunst und Leben trennen kann wie Abfall, dann sortieren und in die richtigen Augen wegschmeißen, wo das Weggeschmissene dann wiederverwertet wird.
Ich würde gerne eine Umfrage machen, wen meine Kunstpraxis bis jetzt glücklich gemacht hat bzw. warum ich nicht zur Ausstellung „Anleitung zum Unglücklichsein“ eingeladen wurde. Wo ist die Messlatte für SammlerInnenglück ? GaleristInnenglück. KunsthistorikerInnenglück ? Ist der Galerist, der die Abrechnungen verschwinden lässt, jetzt glücklicher durch seinen Betrug ? Lügt er sich glücklich durch seine Messetage oder nagt doch etwas unterhalb seiner Ehrgeizschicht ? Ist der Kunsthistoriker glücklicher in meinem Bett oder in meiner Kunstgeschichte ? Er findet unsere Namen auf Katalogseiten nebeneinander so romantisch, während ich die Romantik im Printmedium nicht so sehe, da der weibliche Intellekt dort Qualitätskriterien anlegt, wo der männliche nach Vereinigung strebt. Nur nebeneinander gedruckt sein. Gilbert und George. Haben Künstlerpaare eigentlich auch Kinder und wie werden die dann in den Produktionsprozess integriert ? Ilya und Emilia und Olga und Igor Kabakov ? Oder wie Friedl Kubelka : meine Mutter, meine Tochter – gebändigt durch die Kamera… mein Mann fehlt allerdings und die sichtbaren Fehlenden machen das Problem zum Leerzeichen vor dem Fragezeichen. Mein Vater… ? Die Patchworkfamilie – irgendjemand fehlt immer und wird dann später ersetzt. Kunst und Romantik wird durch jedes Produktionsdetail einer gegenwärtigen Kunstproduktion widerlegt. Es gibt kein romantisches Imageverschicken – nicht einmal die Maus im Klick ist romantisch anzusehen : ein schwarzes, graues oder weißes Plastikteil ohne Fell. Keine Titten und kein Schwanz.
Ich möchte gerne mit meinen Fotos, die sich allein durch den speziellen Blick von denen eifriger DilettantInnen unterscheiden, Gefängniszellen und Krankenhäuser ausstatten, um dort Menschen glücklicher zu machen. Oder ihnen einen Gursky hineinhängen, damit sie sich so richtig klein fühlen. Der Kunstdiskurs erreicht die Rand- und Feuchtgebiete nur in der Dokumentation. Wir können dann schon eher über Euch statt mit Euch arbeiten. Kein Künstler möchte all seine dokumentierten Subjekte auch überall bei seiner Karriere dabei haben – der Künstler drückt ab und lässt dann seine Bauern und Nackten und Obdachlosen weit hinter sich. Die Bootsflüchtlinge schießen ihre Bas-Jan-Ader-artigen Reisedokus auch nicht selbst. Ich möchte einer Zwangsprostituierten eine Bas-Jan-Ader-Postkarte schreiben und über die Glücksfrage diskutieren : „I am too sad to not have the equipment to tell you.“ Eigentlich können uns nur die Menschen aus gesellschaftlichen Randsituationen erklären, wie man/frau das Unglück besser vermieden hätte, in das sie hineingekommen sind. Wir, auf der anderen Seite des Randes, sind lediglich zur Überheblichkeit fähig.
Nachsätze : Sind kleinere Galerien glücklicher ? Mikrokredite für Minigalerien ? Sind Museen Glücksorte oder nur intellektuell bereichernd und worin besteht dieser Reichtum ? Im Museum gibt es für Frauen den Reichtum von weniger sexueller Belästigung : die Besucher schauen auf die Bilder, den Hintern, das Multimedispektakel, die Haare, eine Skultpur steht im Weg und schon ist der Hintern entkommen – der Besucher bleibt gelangweilt zwischen den Artefakten. Junge Frauen sind schon sehr ausgesetzt – sagen sie von sich selber, aber innerhalb der Medien gelingt Ihnen die Flucht : zwei Frauen in Perücken bearbeiten einen Mann performativ mit einer Banane, aber auch Charlotte Roche sagt in ihren Interviews : der sexuelle Alltag ist dann doch ein anderer und jeder, der einen sexuellen Alltag hat, schmunzelt insgeheim vor sich hin. Die tatsächlich gelebte Sexualität lässt sich von der Fiktion nicht beeindrucken.
Elke Krystufek reagiert mit diesem Text und mit ihrem Ausstellungsprojekt „Für das Glück zuständig“ auf das Thema des steirischen herbst 2008: „Strategien zur Unglücksvermeidung“. Als feministische Künstlerin befragt sie die Verhältnisse, insbesondere die der Geschlechter (auch im Kunstbetrieb). Dabei macht sie ihre eigene Sprache zum Material: Die Medien, die sie für diese Ausstellung gewählt hat und in denen sich ihre reflektierende Arbeit bewegt, sind vor allem Fotografie und Text, sowie ihr kürzlich entstandener Film „A Film called Wood“.