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Hans Hansen: Atelier

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Hans Hansen: Atelier
Ed. by Annette Kelm, Hendrik Schwantes.

Wth a preface by Annette Kelm and Hendrik Schwantes and contributions by Reinhard Braun and Anna Voswinckel (ger.).
Edition Camera Austria, Graz 2017.
72 pages, 15,4 × 21 cm, numerous b/w and colour illustrations.
ISBN 978-3-902911-35-3

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Hans Hansen gilt als einer der wichtigsten Autoren der Produkt- und Sachfotografie in Deutschland. Das für seine Fotografien charakteristische Spiel mit Form und Verfremdung basiert zumeist auf Experimenten mit Lichttechnik. Viele seiner Motive fotografierte Hansen auf einem Lichttisch, der ihm als Arbeitsgerät aus der Lithografenlehre vertraut ist. Durch das Arrangieren von Objekten auf einer gleichzeitig von unten und oben beleuchteten Fläche sind vielschichtige und beinahe abstrakte Bilder entstanden, die weit über ihren Status sachlicher Abbildungen hinausreichen.
Wie sieht es nun vor dem Hintergrund dieser Atelierpraxis mit der scheinbaren Selbstverständlichkeit aus, mit der die angewandte Fotografie, die Werbefotografie, ihre Motive fotografisch in Szene setzt? Wie sieht es aus mit der Idee der Identität zwischen Bild und Ding?
Der prekäre Status des Fotografischen, sich beständig an der Grenze zwischen Repräsentation und der Auflösung des Gegenständlichen zu bewegen, zieht sich von Beginn an durch die theoretischen Überlegungen zum Medium und taucht wenig überraschend auch in der Produkt- und Sachfotografie auf. Im Studio unter kontrollierten Bedingungen für die Kamera arrangiert, sind die Bilder Hans Hansens so konkret wie fotografische Bilder nur sein können, kommen sich das Gegenständliche und das Fotografische so nahe wie möglich. Doch was daraus entsteht, sind teilweise nahezu abstrakte, uneindeutige Formen, die wir kaum identifizieren können.
Die Produktfotografie, wie sie Hans Hansen in seiner Arbeit seit den 1970er Jahren definiert hat, stellt sich als komplexe Praxis heraus, die einen Diskurs um das Fotografische entspinnt, den sich die HerausgeberInnen des Buches auch als eine (nicht-öffentliche) Performance vorstellen, als einen Handlungsraum, der sich zwischen Objekt und Bild auftut und in dem sich immer auch die Spannungen zwischen diesen verfangen.

Annette Kelm, Hendrik Schwantes, »Vorwort«
Hans Hansens Bilder sind selten in Kunstinstitutionen ausgestellt, für ihn gehören sie in Zeitschriften und Magazine. Hansen wird beauftragt, mit seinen Bildern Produkte zu bewerben oder Texte zu illustrieren, und je nach AuftraggeberIn und Kontext sind die Briefings an ihn mehr oder weniger eng gesteckt. Seine Bilder sind Gebrauchsmaterial, von vielen sind nicht einmal mehr die Originaldias vorhanden. Sie wurden an die Kunden geschickt, gedruckt und dann wohl meist früher oder später entsorgt. Erst nach und nach begann Hansen, die Besten der Bilder aufzuheben und hin und wieder auch auszustellen.
Hansen arbeitet hauptsächlich im Fotostudio, seine Gestaltungsmittel sind Arrangement und Licht. Seine Arbeit ist gleichermaßen beeinflusst von Kunst, Illustration, Kunsthandwerk und Design. Der Aufwand, mit dem die Bilder realisiert werden, ist teilweise enorm. Formale und technische Experimente gehören zu Hansens Arbeitsprozess und laufen parallel zur Auftragsarbeit. Die Experimente geben ihm die Zeit und Möglichkeit, technisch und formal neue Ansätze zu entwickeln. Diese können in seine Aufträge einfließen und führen auch immer wieder zu freien Arbeiten, wobei das für Hansen keine Wertung darstellt.
Wir lernten Hans Hansen in den späten 1990er Jahren in Hamburg an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften kennen. Er trat dort eine Vertretungsprofessur an und stellte den Studierenden seine Arbeiten in einem kleinen Vortrag vor. An den Vortrag können wir uns kaum erinnern, angewandte Fotografie interessierte uns damals nicht besonders. Wir hatten gerade das Buch The New Color Photography von 1981 für uns entdeckt. Die gleichnamige Ausstellung zeigte erstmals einen Überblick der Farbfotografie seit den 1970er Jahren, die verstärkt im Kunstkontext rezipiert wurde. Die Autorin und Kuratorin der Ausstellung Sally Eauclaire stellte mit gut 45 Positionen einen Querschnitt durch alle fotografischen Genres zusammen. Uns waren diese Arbeiten zu der Zeit unbekannt und das Buch war eine wichtige Quelle, neben den an den Hochschulen vorherrschenden Positionen der von der Werkstatt für Photographie geprägten analytischen Schwarzweiß-Fotografie und den Becher-SchülerInnen.
In Hansens Unterricht spielte die Frage nach angewandter oder freier Fotografie keine große Rolle, es ging ihm um das Beurteilen der Bilder und vor allem um das Fotografieren an sich. Er hatte auch nicht die Erwartung, dass wir in einer ähnlichen Art und Weise arbeiten würden wie er. Ab und zu lagen auch Prints von ihm neben unseren auf dem Tisch, so sahen wir seine Bilder aus ihrem Kontext gelöst. Wir lasen kaum Magazine und kannten seine Food-Stillleben aus dem Stern oder die Editorials aus dem Greenpeace Magazin nicht. Das war damals wahrscheinlich hilfreich für uns, um die Bilder unvoreingenommen ansehen zu können.
Als Hansen nach zwei Semestern eine feste Anstellung an der Hochschule ablehnte, trafen wir uns in einer kleinen Gruppe noch einige Zeit regelmäßig in seinem Studio. Er nennt es »Atelier«. Es ist die perfekte Werkstatt: Alles ist richtig dimensioniert und gut überlegt, jedes Werkzeug hat seinen Platz. Es hat eine angenehm moderate Ausstrahlung und doch wirkte es auf uns zugleich auch luxuriös. Durch seine intensive Beschäftigung mit der Objektfotografie entwickelte Hansen natürlich auch einen sehr reflektierten Umgang in der Auswahl und im Umgang mit Gegenständen. Er besitzt kaum Dinge, die älter sind als er, sein ganzes Leben ist nach vorne gerichtet. Das bedeutet nicht, dass er immer nach dem Neuesten oder gar dem Exklusivsten sucht. Findet er einen für ihn passenden Gegenstand, bleibt er dabei. Diese Ausstattung an Möbeln und Werkzeugen, für ihn selbstverständlich und organisch gewachsen, wirkte auf uns unerreichbar und gleichzeitig nostalgisch – wie schöne Relikte aus einer vergangenen Zeit.
Wir sahen Hansen nie bei der Arbeit im Atelier zu, kannten nur einige wenige Anekdoten, die er recht sparsam erzählte. Wir stellten uns seine Arbeit vor wie in Harun Farockis »Stilleben« (DE 1997), ohne den Film damals zu kennen. Der enorme technische Aufwand für ein Bild faszinierte uns. Das Arrangieren, Drapieren und Ausleuchten stellten wir uns wie eine Performance vor.
Von den wenigen Ausstellungen Hansens, die wir gesehen hatten, waren wir meist etwas enttäuscht, vor allem was die Auswahl und Präsentation der Bilder betraf. In den vergangenen Jahren dachten wir immer wieder darüber nach, eine Auswahl seiner Bilder auszustellen, auch um die Gelegenheit zu haben, Hansens umfangreiches Archiv einmal selbst durchsehen zu können. Die Möglichkeit, dieses Projekt nun bei Camera Austria zu realisieren, ist ein Glücksfall, so können wir Hansens Arbeit –
wenn auch nur einen extrem kleinen Ausschnitt – in der Klarheit und Vielfalt zeigen, die sie für uns so interessant macht. Reinhard Brauns kritisches Interesse, einen Fotografen aus dem angewandten Bereich bei Camera Austria auszustellen, war für uns sehr bereichernd. Wir danken ihm und seinem Team für die offenen Gespräche im Prozess und im Speziellen für Brauns Reflexion der fertigen Ausstellung. Die Arbeit mit Hans Hansen war gewohnt intensiv und klar. Wir danken ihm für sein Vertrauen und die gemeinsame Zeit.

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