Presseinformationen
Camera Austria International 126 | 2014
Infos
Präsentationen:
7. – 15.6. 2014
f/stop Festival für Fotografie Leipzig
10. 6. 2014
Kunstquartier Bethanien, Berlin
14. – 15. 6. 2014
Vienna Photobook Festival, Wien
17. 6. – 22. 6. 2014
Liste Basel
18. – 21. 6. 2014
I Never Read, Art Book Fair, Basel
7. – 13. 7. 2014
Rencontres dʼArles Village, Arles
Pressedownloads
Pressetext
Der Ausgangspunkt der vorliegenden Ausgabe mit Beiträgen von Shuruq Harb, Özlem Altin und Malak Helmy wurde zunächst mit dem Begriff »visual agency« zusammengefasst. Die Ausweitung von Verbreitungskanälen und damit einhergehend von (zumindest potenziellen) Öffentlichkeiten bildlicher Narrative hat dazu geführt, dass es kaum mehr eine Kontrolle darüber gibt, in welchen Zusammenhängen Bilder zirkulieren, wie sie wahrgenommen, gedeutet, kommentiert und instrumentalisiert werden. In den (relativ neuen) Massenmedien, die euphemistisch als »soziale« Netzwerke bezeichnet werden, wechseln Bilder ohnehin ungehemmt zwischen den Registern von Fiktion, Authentizität und Fetisch, zwischen Beweis und Manipulation, Kritik und Affirmation und durchqueren verschiedenste und gegensätzliche Kontexte.
Wie steht es also um die Handlungsfähigkeit von Bildern unter diesen Umständen der Entfesselung des Visuellen? Welche Strategien wählen KünstlerInnen, um einen spezifischen Kontext herzustellen, um den spezifischen Ort einer visuellen »Aussage« einzunehmen? Wie reagieren sie auf die Routen der Aneignung und Umdeutung, auf denen die Bilder ihre Titel und Credits verlieren? Welche Bilder gibt es dennoch nicht, welche wurden verabsäumt? Was wird nach wie vor unterdrückt, um nicht sichtbar werden zu können? Diese Fragen führten zur Idee eines – wie immer gearteten – »Ortes« der Bilder, der konstruiert werden könnte und von dem aus sie gelesen werden können. Doch wie das Sichtbare und das Sagbare durch die Grenze, die sie trennt, verbunden sind, verbinden sich die Beiträge dieser Ausgabe mit der Idee ihrer Konzeption, indem sie sich dieser widersetzen oder diese zumindest verschieben.
Shuruq Harbs »The Keeper« erschien 2011 als limitierte Buch-edition, umfasst aber auch eine Installation und eine Performance und bedient sich des Archivs eines Straßenverkäufers in Ramallah, Mustafa, der Bilder aus dem Internet ausdruckt und als Sets verkauft. Früher hatte Mustafas Familie Bilder noch importiert, etwa aus China, dem Libanon oder Syrien. 2010 hat Harb an die 2.000 solcher unverkauften Bilder erworben und für »The Keeper« gesichtet und zusammengestellt. Dieses Archiv dokumentiert einen sich verändernden Zugang zu Bildern und eine veränderte Zirkulation. Viele dieser Bilder waren zeitweise offiziell kaum zugänglich oder gar verboten, weshalb das Archiv die Geschichte von Bild-regimen – öffentliche wie private – nachzeichnet und damit eine spezifische Form der Verteilung des Sinnlichen repräsentiert.
Die Arbeit an bzw. aus einem Archiv heraus verknüpft die Arbeit Özlem Altins mit jener von Shuruq Harb. Eines ihrer zentralen Motive sind der menschliche Körper und die Codes, die er aussendet. Vanessa Joan Müller findet darin aber auch ein subtiles Moment des Unheimlichen in und zwischen ihren Bildern im Sinne einer unscharf gewordenen Beziehung zwischen dem Belebten und Unbelebten, dem Körper und seinem bildhaften, zur nature morte geronnenen Double. Die eingefrorenen Posen, stummen Gesten und reglosen Menschen bieten sich als Objekte dem examinierenden Blick dar und entgleiten diesem immer wieder. Was als Ordnungssystem erscheinen könnte, lässt sich eher durch eine Art Strömen von Bildern und Bildanschlüssen beschreiben, eine beständige Konstruktion und Dekonstruktion von Bedeutungen, Bezügen und Ästhetiken.
Malak Helmys Beitrag geht auf eine Ausstellungskooperation zwischen Camera Austria und Beirut im letzten Herbst zurück. »Unexpected Encounters« richtete sich auf die Übersetzungsfehler politischer und kultureller Transfers. Malak Helmy hat an dieser Ausstellung mit einer Soundarbeit teilgenommen, die die mimetischen Fähigkeiten eines Leierschwanzes zum Ausgangspunkt nahm, wobei es um Fragen von Identität und Subjektivität ging. Jens Maier-Rothe schreibt in seinem Textbeitrag ebenfalls über Vögel, Zugvögel, und ihre Fähigkeit der Navigation. Sie folgen immer denselben Routen, wobei ihr Flug auch als eine Vermessung des historischen Raumes erscheint. Die Künstlerin folgt diesen Spuren in Ägypten, einem Land der Veränderung, in dem die Kommunikationskanäle zerfallen wie die Koordinaten des täglichen Lebens.
Aus einer langjährigen engen Verbindung mit dem »Standort« Leipzig ist Camera Austria International der diesjährige Medienpartner des f/stop Festival für Fotografie Leipzig. Nach vielen Gesprächen darüber, wie diese Kooperation in der Zeitschrift sichtbar werden könnte, haben wir uns für einen eigenständigen Beitrag des Festivals entschieden, der die jeweiligen Zugänge zum Zeitgenössischen der Fotografie gegeneinander lesbar werden lässt.
Reinhard Braun
und das Camera-Austria-Team
Juni 2014
Bildmaterial
Die honorarfreie Veröffentlichung ist nur in Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ausstellung und die Publikation gestattet. Wir ersuchen Sie die Fotografien vollständig und nicht in Ausschnitten wiederzugeben. Bildtitel als Download unter dem entsprechenden Link.