Presseinformationen

Horáková + Maurer: TPX-Index

Infos

Hrsg. von Reinhard Braun.
Anlässlich der gleichnamigen Ausstellung, Camera Austria, Graz, 10.3. – 29.4.2018.
Mit einem Textbeitrag von Reinhard Braun (ger./eng.).
Edition Camera Austria, Graz, 2018.
256 Seiten, 15,2 × 23,5 cm, 118 Duoton-Abbildungen.
€ 24,90 / ISBN 978-3-902-911-40-7

 

Künstlergespräch und Book Signing
10. 4. 2018, 18:00 in der Ausstellung

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Pressetext

Die in diesem Buch erstmals veröffentlichten Arbeiten gehen auf die Jahre 1996 bis 2000 zurück, in denen sich Tamara Horáková und Ewald Maurer intensiv mit den Eigenschaften des titelgebenden Polaroid-Röntgen-Sofortbildfilms beschäftigten, der aus einem medizinischen Anwendungsbereich stammt oder aus einem sicherheitstechnischen Bereich. Es handelt sich um eine Aufnahmetechnik, die durch die Dinge hindurchsieht und eine gewisse Wahrheit dieser Dinge zu repräsentieren vorgibt. Damit eröffnen Horáková + Maurer ein »Spiel« zwischen Verfahren, Darstellung, Wahrnehmung und Lesbarkeit, das die fotografischen Bilder an einer Grenze ihrer Repräsentationsmöglichkeiten ansiedelt. Die Beziehungen zwischen Fotografie und Darstellbarkeit werden an dieser Grenze instabil und einer experimentellen Befragung unterzogen. Die KünstlerInnen verschränken den Produktions- und den Reproduktionsvorgang derart ineinander, dass die fotografischen Bilder quasi an deren Schnittstelle entstehen, als eine Überlagerung, manchmal auch als eine Störung. Ihre Praxis ist in diesem Sinn zugleich theoretisch und so konkret wie möglich – sie nehmen dadurch seit vielen Jahren eine außergewöhnlich eigenständige Position ein, das Fotografische zugleich zu denken und es zu zeigen.

Auszug aus: Reinhard Braun, »Die Grenzen berühren«

Spuren des nächtlichen Lichteinfalls einer Straßenlampe auf eine leere Wand des Ateliers (»Lichtfelder«, 1996), das Detail einer Abdeckung der vorhandenen Elektroinstallation im Atelier, Bilder eines Überwachungsmonitors (1997 – 1998), ein Büroschrank von Jean Nouvel, ebenfalls im Licht der Straßenlampe im Atelier (»Less«, 1998), alle aufgenommen mit TPX-Polaroid-Röntgen-Sofortbildfilm, manche davon ins Negativ verkehrt. Ein in Auftrag gegebener Probestreifen eines Bildes des Büroschranks zeigt ein vom Printer ausgewähltes Detail und wird durch einen Eingabefehler im Labor anstatt 40 Zentimeter 4 Meter lang entwickelt. Diapositive dieses zufällig entstandenen »Bande test 1« (1998) wurden wiederum digitalisiert und am Computer bearbeitet. Diese Daten bildeten die Basis weiterer Bearbeitungen – horizontal gedehnt ergaben sie unter anderem einen 10 Meter langen »Bande test roll« (2002). Es entstehen auch Aufnahmen dieser Prints, hochkant in Wellenform als Zeichnung erscheinend (»Naked Ilfochrome«, 2004) oder in wie zufällig hingeworfenen, in sich verschlungenen Papierbahnen (»50m ILFOFLEX«, 2007 – 2009).
Die in diesem Buch erstmals veröffentlichten Arbeiten, die zwischen März und Mai 2018 in einer Ausstellung bei Camera Austria gezeigt wurden, gehen auf die Jahre 1996 bis 2000 zurück, in denen sich Tamara Horáková und Ewald Maurer intensiv mit den Eigenschaften des titelgebenden Polaroid-Röntgen-Films beschäftigten, eine Aufnahmetechnik, die aus dem medizinischen Anwendungsbereich kommt oder auch aus einem sicherheitstechnischen Bereich; eine Aufnahmetechnik, die durch die Dinge hindurchsieht, die in diesem Sinn eine gewisse Wahrheit der Dinge  zu repräsentieren vorgibt, Verborgenes enthüllt, exponiert, dabei aber zugleich wesentliche Aspekte dieser Dinge, wie zum Beispiel ihre Farbe, von diesen abzieht.
Auf diesen Bildern sind zum Teil befremdlich wirkende, architekturähnliche, monochrome oder grafische Formen zu erkennen, großteils können wir kaum entscheiden, was wir eigentlich sehen, und in vielen Fällen lässt es sich noch viel schwieriger beschreiben. Doch wäre es vorschnell, diese Fotografien als abstrakt zu bezeichnen. In gewisser Weise sind sie nichts weniger als abstrakt, gehen sie doch alle auf eine analoge Verfahrensweise und Entwicklungsmethode von Fotografie zurück, die eine gewisse Kontinuität innerhalb der Dingwelt für sich beansprucht, vom Licht zur Oberfläche, zum Film, zum Fotopapier. Die Dinge schreiben sich über diese Kontinuität ein, alles bleibt gegenständlich, konkret, materiell, eine Schrift der Dinge, wie sie auch der Theorie der Fotografie bis in die 1960er Jahre eingeschrieben bleibt.
In »Less« etwa wird das Atelier selbst zu einer Art Kamera, der Parkettboden ist erkennbar, darüber schweben irritierende, weiße, streifige Flächen, in unterschiedlichen Winkeln unterschiedlich viel Fläche des Schwarzweiß-Bildes einnehmend. Das später hinzutretende Büromöbel tanzt in der Serie ebenso merkwürdig durch diesen Schwarzweiß-Bildraum, in unterschiedlichen Positionen hin und her kippend. Kaum zu identifizierende Objekte erscheinen auf den Kontrollmonitoren, wie zufällig verstreut, die Unordnung und Willkürlichkeit der Dingwelt scheint sich in diesen Aufnahmen zu manifestieren, die teilweise wie eine halluzinogene und spiritistische Erscheinung dieser Dingwelt anmuten – flüchtig, eine flüchtige Fixierung, die im Widerspruch zu den extrem langen Belichtungszeiten steht. Es brauchte seine Zeit, viel Zeit, um den Dingen diese Bilder abzuringen. Etwas scheint sich hier abzubilden, das durch dieseBilder trotzdem nicht vollständig definiert, das durch das Aufnahmeverfahren nicht vollständig kontrolliert werden kann, wie die Schlingungen der »50m ILFOFLEX«-Serie.
Alles scheint sich um ein prekäres Verhältnis zwischen den Dingen und den Bildern zu drehen, Dinge, die sich im Moment des Exponierens ihrem Bild-Werden zu entziehen drohen, eine Art berührungslose Berührung, durch die »etwas« verwandelt, umgewandelt wird, eine instabile Beziehung, ein Übermaß an Belichtungszeit, das zu einem Minimum führt, ein Aufschub, eine Verschiebung, ein Widerspruch zwischen Sehen und Bild, die Zuspitzung eines langen Moments.
Damit ist vielleicht eine erste Grenze bezeichnet, entlang derer sich die Arbeit von Horáková + Maurer bewegt: Verfahrenstechnisch möglichst genau definierte Anordnungen ergeben dennoch unerwartete und unvorhersehbare Bildformationen. Etwas bildet sich ab, wie selbsttätig, schreibt sich ein, konstruiert ein Bild, das so konkret und buchstäblich ist, wie Fotografie nur sein kann, auch im Sinne der Zeit, die sich diese Bilder nehmen, um sich zu manifestieren, doch genau aus diesem Grund bleibt dieses »Etwas« dem fotografischen Prozess unerreichbar und, was noch wichtiger erscheint, übersetzt »es« sich nicht in Konventionen von Repräsentation. Man könnte dies auch so beschreiben, als würde man fotografische Verfahren in Gang setzen, die selbsttätig zu einem Bild führen und dadurch gleichzeitig aus diesen Verfahren jene Momente eliminieren, die einer beständigen Bedeutungsproduktion zuzurechnen wären.

Bildmaterial

Die honorarfreie Veröffentlichung ist nur in Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ausstellung und die Publikation gestattet. Wir ersuchen Sie die Fotografien vollständig und nicht in Ausschnitten wiederzugeben. Bildtitel als Download unter dem entsprechenden Link.

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