Presseinformationen
Stefanie Seufert: Wood Survives in the Form of Postholes
Infos
Mit Textbeiträgen von Reinhard Braun, Maren Lübbke-Tidow und Stefan Panhans (ger./eng.).
Edition Camera Austria, Graz 2016.
91 Bild- und 16 Textseiten, 21,8 × 28 cm, 68 Farbabbildungen.
€ 29,– / ISBN 978-3-902911-28-5
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Pressetext
Die Publikation Stefanie Seufert: Wood Survives in the Form of Postholes in der Edition Camera Austria ist in Kooperation mit der Künstlerin erschienen und zeigt ihren forschenden Zugang auf die uns umgebende Dingwelt an. Nennen wir es ein Freisetzen der ästhetischen Zeichen, die – wie postholes – immer irgendwie auch da sind und uns beständig umgeben, die für sich aber keine eigene Sichtbarkeit erzeugen, sondern im Gegenteil eine Eigenexistenz zu führen scheinen. Es entsteht eine Archäologie der Gegenwart: die Dinge vergrößert betrachten und untersuchen. Gebunden an das Medium Fotografie, das Universalität verspricht, und das, wie Seufert zeigt, hier aller Repräsentationskritik zum Trotz dieses Versprechen auch halten kann.
Wir freuen uns sehr über die langjährige, vielfältige und kontinuierliche Zusammenarbeit mit der Künstlerin, mit der Camera Austria in diesem Jahr das zweite Künstlerbuch realisierte. Bereits 2012 erschien in der Edition Camera Austria die Publikation Stefanie Seufert mit Texten von Florian Ebner und Christine Heidemann. 2010 nahm die Künstlerin an der Ausstellung »Milk Drop Coronet« in Graz teil und 2011 realisierte sie einen großen Beitrag in der Zeitschrift Camera Austria International, nachdem sie 2009 für die Rubrik Forum ausgewählt wurde.
Auszug aus: Stefan Panhans, »Bestellt euch doch mal irgendwo jetzt noch einen KAFFEE!«
Also zum Beispiel verschiedene Anordnungen von wie mit einer Reprokamera direkt von oben aufgenommenen, flachen, transparent durchscheinenden, kartoffelscheibenähnlichen Ovalen – pastellhellbunte, komplett körperlos scheinende, fast ein bisschen wie aquarelliert wirkende Schatten von etwas, vor fast neutralem Weiß schwebend. Schatten von was? Das erinnert doch an … ? Genau, der Titel sagt es dann ja: »Pringles«. Aber was für Farben sind das denn? Beim Anschauen schiebt sich mir ein Bild in die Erinnerung, das mir neulich erst wieder – leider nicht als sicher großartige Original-Serigrafie, sondern als kleine Low-Res-Abbildung eines Online-Kunsthandels irgendwo im Netz – begegnete, nämlich eines des in den 1960er und 70er Jahren mit seiner Farbfeldmalerei in meist poppigen Farben berühmt gewordenen Malers Rupprecht Geiger: »Oranger Kreis mit gelbem Kranz auf weiß« von 1971, das wirklich wunderschöne Parallelen zu Stefanie Seuferts Bild »untitled (Pringles #4)« von 2013 aufweist. Die Farben also sind hier völlig losgelöst vom Gegenstand, komplett unpringelig, das ist keine Fotografie, wie man sie üblicherweise hauptsächlich kennt, auf der man Gegenstände und/oder ganze Szenerien realistisch (oder sollte ich besser sagen fotorealistisch?) wiedererkennt. Himbeere und Zitrone kommen nämlich bisher zum Beispiel noch nicht im Pringles-Geschmacksrichtungsprogramm vor. Aber vielleicht nimmt das wohl im Labor als Fotogramm entstandene, geisterhafte Bild etwas voraus, ahnt etwas in nächster Zukunft Liegendes, vielleicht gibt’s nämlich genau diese Geschmacksrichtungen ja doch irgendwann, und zwar schon schneller als wir denken? Just think about Brokkoli- und Knoblauch-Eis! Oder das mit Brandy-Sardinen-Geschmack, und den Rindfleisch-Eisbecher und das Viagra-Eis (Kein Scherz, das soll es alles geben, im Eiscafé Coromoto in Venezuela zum Beispiel). Okay, Eis ist Eis, und Pringles sind Pringles, und Venezuela ist weit weg, aber was ist eigentlich überhaupt mit der komplett explodierenden Zahl neuer Geschmacksrichtungen und bis in letzte Verästelungen reichende Ausdifferenzierungen von Produktvarianten auf ALLEN Ebenen, in fast allen Bereichen? Was will uns das eigentlich sagen, wenn sogar bei so etwas wie dem bis vor zwanzig Jahren noch mit einem komplett unerschütterlich scheinenden, kulturkonservativen Image ausgestatteten deutschen Bier plötzlich von naturtrübem URBIER im Uralt-Bügelschnappverschlussflaschendesign bis hin zu poppig bonbonfarbenem, mit irgendwelchen Fruchtgeschmacksadditiven angereichertem Gebräu mit passenden Labels und Flaschen versehen, alles zu haben ist? Oder ganz besonders prägnant auch beim KAFFEE: Bestellt euch doch mal irgendwo jetzt noch einfach einen KAFFEE! – Über so eine nervenstrapazierend unspezifische Order werdet ihr sicher nurmehr Unmut, fragendes Unverständnis und/oder müdes Mitleid ernten! Oder wühlt euch vielleicht nur mal durch die bisher produzierten Varianten eines einzigen Sneakers-Typen, eines einzigen Herstellers, den Nike »Air Max 90«! Das krasse Maß an nahezu hysterisch uferloser Ausdiffenzierung, deren Bezugspunkt, wie die Zahl im Namen ja schon sagt, auch noch wirklich eine Retro-Nummer ist – das »Original« ist aus den 1990er Jahren – ist kaum mehr zu übertreffen! Und also SO WHAT? DESIGN YOUR OWN INDIVIDUAL PRINGLES GENERATION! Hiermit melde ich also schonmal schwarz auf weiß das Copyright zu dieser Themenparkidee eines Pringles-Individualisierungsangebots an, und darüber hinaus auch für die beiden Farb- und Geschmacksrichtungen Pringles-Himbeertraum und Soft-Zitrone!
Insofern enthielte ein solches Bild, in diesem Fall entstanden als Fotogramm, in sich eingefaltet, potenziell eher eine andere Art Realität, die mit einem fotorealistischen Abbild schwierig zu erreichen wäre, weil sie eben irgendwo darunter, darüber oder daneben liegt, nicht in dem, was man »faktisch« wirklich sieht. Mit den Möglichkeiten einer verdichtenden Abstraktion könnten spekulativ anders als fotorealistisch repräsentierbare, aber deshalb nicht unbedingt immer weniger reale Szenarien oder Zusammenhänge aufscheinen und verhandelt werden.
The Western conception of history is that it has been characterized by manʼs increasing understanding and mastery of the physical environment, by the progressive triumph of mind over matter. The evidence of human history seems to confirm our sense that abstract, intellectual, spiritual elements are superior to material and physical things. This has led inevitably to a hierarchical ordering that informs our apprehension and judgment of human activities and experiences.¹
Der Text zu diesem Zitat stammt zwar aus dem Jahr 1982, diesbezüglich kam sicher in den letzten 30 Jahren doch einiges in Bewegung, aber diese von platonischen Ideen geprägten, klar hierarchischen Kulturperspektiven färben doch, mehr oder weniger unbewusst, sicher aktuell immer noch prägnant unser Denken, oder?
¹ Jules David Prown, Mind in Matter: An Introduction to Material Culture Theory and Method, Chicago: The University of Chicago Press 1982.
Stefanie Seufert geboren 1969 in Göttingen (DE), lebt und arbeitet in Berlin (DE).
Einzelausstellungen (Auswahl): 2014 »OBJECTS ABSTRACT REAL«, Centro Povincial de Artes Plásticos y Diseno, Havanna (CU); 2013 »OBJECTS & ITEMS«, Kerstin Engholm Galerie, Wien (AT, mit Stefan Panhans); 2011 »INNERHALB DES AUSSEN« Morgen Contemporary, Berlin.
Gruppenausstellungen (Auswahl): 2016 »Content Moderation«, Laura Mars Galerie, Berlin (DE); »Projektion – Fotografische Behauptungen«, Darmstädter Tage der Fotografie, Darmstadt (DE); 2013 »Fotografie – Objekt – Bild(raum)«, Fotogalerie Wien; 2010 »Milk Drop Coronet« Camera Austria, Graz (AT).
Publikationen: Stefanie Seufert: Wood Survives in the Form of Postholes, Graz: Edition Camera Austria 2016; Stefanie Seufert, Graz: Edition Camera Austria 2012. Stefanie Seufert, Berlin: Galerie Pankow 2008.
Bildmaterial
Die honorarfreie Veröffentlichung ist nur in Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Ausstellung und die Publikation gestattet. Wir ersuchen Sie die Fotografien vollständig und nicht in Ausschnitten wiederzugeben. Bildtitel als Download unter dem entsprechenden Link.