Camera Austria International

53 | 1995

  • YVE LOMAX
    Besser als
  • ALLAN SEKULA
    Auf dem Wasser wandeln
  • NICK WAPLINGTON
    Wohnraum
  • PAUL ALBERT LEITNER
    Wien: Momente einer Stadt
  • JOHANNA KANDL
    Der Kreis ist noch lange nicht geschlossen
  • JOHANNA HOFLEITNER
    Interview: Johanna Hofleitner, Johanna Kandl, Margherita Spiluttini
  • MARTIN SCHRAUB
    Robert Frank: Odysee im Weltinnenraum

Vorwort

Als Schwerpunkt des vorliegenden Heftes, das den Jahrgang 1995 abschließt, hat sich weder ein Thema noch ein bestimmter Begriff, sondern vor allem eine Arbeitsweise herausgestellt. Die Beiträge dokumentieren längerfristige Projekte, die im weitesten Sinn einer Analyse und Darstellung von (sozialen, politischen, ökonomischen) Zusammenhängen verpflichtet sind. Die Funktion des Mediums Fotografie reflektiert dabei den Umstand, daß es sich nicht um klar umrissene Gegenstände, sondern vielmehr um komplexe Zustände, um Konstellationen von Umständen handelt.

Volltext

Camera Austria International 53 | 1995
Vorwort

Als Schwerpunkt des vorliegenden Heftes, das den Jahrgang 1995 abschließt, hat sich weder ein Thema noch ein bestimmter Begriff, sondern vor allem eine Arbeitsweise herausgestellt. Die Beiträge dokumentieren längerfristige Projekte, die im weitesten Sinn einer Analyse und Darstellung von (sozialen, politischen, ökonomischen) Zusammenhängen verpflichtet sind. Die Funktion des Mediums Fotografie reflektiert dabei den Umstand, daß es sich nicht um klar umrissene Gegenstände, sondern vielmehr um komplexe Zustände, um Konstellationen von Umständen handelt.
Yve Lomax greift in ihrem ersten auf Deutsch erscheinendem Essay die Krise der Repräsentation auf, eine Frage, mit der sich zeitgenössischen Bildproduktion insgesamt konfrontiert sieht. Diese „Krise“ bedeutet für Yve Lomax jedoch vor allem, erneut danach zu fragen, wozu Bilder fähig sind, welche Beziehungen sie eingehen, welche Effekte, und Affekte, Bilder in der Welt erzeugen. Die Serie von Arbeiten in diesem Heft kreist um jenes Potential der Bilder, eine Vielzahl von Effekten hervorzubringen. Allan Sekula entwickelt mit dem Projekt „Fish Story“ über einen Zeitraum von 6 Jahren am Beispiel der Schiffsindustrie, dem Fischfang und der verarbeitung gewissermaßen einen Querschnitt der sozialen, kulturellen und ökonomiepolitischen Geschichte der (post-) kapitalistischen Gesellschaft. „Walking on Water“ ist Teil dieses work in progress, das als offenes Archiv von Bildern und Texten angelegt ist und bisher noch nicht publiziert wurde. Nick Waplington fotografiert seit 1986 eine befreundete Familie ausjener Siedlung am Stadtrand von Nottingham, in der sein Großvater lebt. „Living Room“, so der Titel des Projekts, umschreibt zugleich eine konkrete Privatsphäre wie einen Ausschnitt der (post-) sozialen britischen Gesellschaft. In den Fotografien wird das Wohnzimmer zur Metapher für soziale und kulturelle Zustände, von Lebensformen, Wertvorstellungen und Überlebensstrategien.

In Johanna Kandls Projekt „Der Kreis ist noch lange nicht geschlossen“ wird der Truppenabzug der russischen Armee aus Deutschland zum Gegenstand einer fotografischen Untersuchung, die sich gleichzeitig auf individuelle wie kollektive Konsequenzen dieses Ereignisses richtet. Gemeinsam mit der Fotografin Margherita Spiluttini entstand eine Serie von Fotos, die zum Material einer Installation wurden, über deren Kontext in einem Interview mit Johanna Hofleitner gesprochen wird. Paul Albert Leitner – der den Rupertinum Fotopreis 1995 erhielt – setzt mit „Wien: Momente einer Stadt“ gleichsam seinen Exkurs über das Reisen fort, hier als Flaneur durch den öffentlichen Raum der Großstadt. Martin Schaub rückt in seinem Beitrag über Robert Frank vor allem dessen filmische Arbeiten in den Mittelpunkt und versucht von diesen aus, das (autobiografische) Verhältnis von Autor und Bild zu rekonstruieren.
Der Umfang der Beiträge und der Berichterstattung über aktuelle Ausstellungen und Bücher hat nicht nur Konsequenzen für den Umfang des Heftes, das mit 130 Seiten beinahe ein Doppelheft darstellt, sondern auch für die Produktionszeiten, die wir in Zukunft, auch im Interesse der Abonnenten, zu verkürzen trachten. Wie Sie dem Impressum entnehmen können, haben wir neue, größere Räumlichkeiten bezogen, die dieses Vorhaben erleichtern sollen. Eine weitere Veränderung in unserer Arbeit ergibt sich durch die Bestellung von Christine Frisinghelli zur Intendantin des steirischen herbstes bis 1999, wobei sie weiterhin an der Planung der Zeitschrift mitwirkt. Für das kommende Heft sind Beiträge von und über Trude Fleischmann, Louise Lawler, Michael Schmidt, Günther Selichar und Diana Thater geplant. Camera Austria ist auch dieses Jahr wieder auf der „Art Frankfurt“ vertreten, allerdings zum ersten Mal mit einem Galerienstand, wo wir Sie gerne als Besucher erwarten. Wir freuen uns auch bekanntzugeben, daß der „Camera Austria–Preis für zeitgenössische Fotografie der Stadt Graz“ 1995 an den südafrikanischen Fotografen David Goldblatt verliehen wurde.
Schließlich danken wir unseren Lesern erneut für das Interesse an Camera Austria und für die Unterstützung unserer Arbeit, und wünschen ihnen allen ein erfolgreiches Jahr 1996.

Manfred Willmann, Christine Frisinghelli, Januar 1996

Beiträge

Forum

OLIVER GODOW

STEVEN TYNAN

ANDREAS WEINAND

MAGDALENA FREY

PETRA STERRY

RAMACHER-EINFALT

JöRG ZIMMER

BRUNO EHRS

FELIX KALMAR

ANTOINE BUGMANN

PIET WESSING

ANGELA VON BRILL

PEDRO MOITINHO

FRANK SILBERBACH

NORIHIRO HARUTA

KLAUS FRITSCH

Ausstellungen

Large Bodies
Pace Wildenstein MacGill Gallery, New York
ANNE BARCLEY MORGAN

Video Spaces: Eight Installations
The Museum of Modern Art, New York
ANNE BARCLEY MORGAN

Allan Sekula: Fish Story
FRITS GIERSTBERG

Andrea Fisher: Recounting
Portfolio Gallery, Edinburgh
PETER RIDE

Katharina Sieverding: Das Selbst ist nicht zu fassen, Oder: Die Veränderung als einen Akt der Befreiung zelebrieren
„Life – Death“, Galerie Fotohof
DANIELE PABINGER

Knipser – Die Bildgeschichte der privaten Fotografie in Deutschland und Österreich von 1880 bis 1980
Münchner Stadtmuseum
STEFANIE GREBE

Larry Clark: Kids
JUSTIN HOFFMANN

Wunderkammer Fotografie?
Fotobiennale Enschede
REINHARD BRAUN

Paul Graham: Empty Heaven
Kunstmuseum Wolfsburg
THOMAS SEELIG

Bücher

Marshall McLuhan: Die Implosion der Welt
Verlag der Kunst, Dresden-Basel 1994
REINHARD BRAUN

Spuren des Todes, Zeichen der Freiheit. Larry Clark wird neu entdeckt. Kommt „Fotografischer Situationismus“ in Mode?
Scalo Verlag, Zürich-Berlin-New York 1993
CHRISTIAN EIGNER

Der Datendandy als Agent
Bollmann Verlag, Mannheim 1993
REINHARD BRAUN

Film und moderne Architektur: Verbrüdert, verheiratet oder doch nur bekannt? Das Buch Cinetecture untersucht eine bisher wenig erforschte Beziehung
PVS Verleger, Wien 1995
CHRISTIAN EIGNER

Surfin‘ USA! Ein neuer Sammelband über Amerikanische Fotografie belegt einmal mehr: Foto-Anthologien sind wie Surfbretter. Nur sich selbst genießend reitet man auf ihnen durch die Geschichte.
Schirmer/Mosel, München 1995
CHRISTIAN EIGNER

B. Mihailov / S. Solonskij / S. Bratkov: „Wenn ich ein Deutscher wäre…“
Verlag der Kunst Dresden, Basel 1995
JUDITH SCHWENDTNER

Helmut Newton
Schirmer/Mosel, München 1995
REINHARD BRAUN

The J. Paul Getty Museum-Handbook of the Photographers Collection
J. Paul Getty Museum, Malibu 1995
KATJA KRUSCHE

Robert Mapplethorpe
Verlag Schirmer/Mosel, München 1995
REINHARD BRAUN

Alfred Seiland
Verlag Christian Brandstätter, Wien 1994
REINHARD BRAUN

Bilder aus Alt-Radkersburg
Steirisches Landesmusuem Joanneum, Graz 1995
KATJA KRUSCHE

Impressum

Herausgeber, Verleger und für den Inhalt verantwortlich: Manfred Willmann. Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA, Labor für Fotografie und Theorie.
Alle: Sparkassenplatz 2, A-8010 Graz.

Redaktion: Christine Frisinghelli, Reinhard Braun
Redaktionelle Mitarbeit: Katja Krusche, Judith Schwentner, Gerlinde Stoni

Übersetzungen: Klaus Feichtenberger, Ted Gang, Wilfried Prantner