Camera Austria International
76 | 2001
- NADJA ROTTNER
Miles Coolidges lokal verankerte Rethorik des Ortes - MILES COOLIDGE
- REINHARD BRAUN
Assoziative Interventionen in den Arbeiten von Werner Kaligofsky - WERNER KALIGOFSKY
- MARINA GRŽINIĆ
Perspektiven auf den Körper in der (digitalen) Fotografie: GORAN BERTOK, RAJKO BIZJAK, LUKA DEKLEVA, ECLIPSE, ZVONKA SIMČIČ, JANE ŠTRAVS - FRANZ SCHUH
Die Welt im Ganzen ist unscharf: Zu den Fotografien der Karø Goldt - KARØ GOLDT
- LAURI FIRSTENBERG
Touhami Ennadre
- TOUHAMI ENNADRE
- ROLF SACHSSE
Netz - Haut - Bild
Vorwort
Blickverhältnisse als Repraesentationsverhaeltnisse als Medienverhaeltnisse als Kontrollverhaeltnisse stehen im Mittelpunkt der fotografischen Arbeit des oesterreichischen Künstlers Werner Kaligofsky, dessen Arbeit wir neben drei weiteren kuenstlerischen Statements sowie einem theoretischen Einfuehrungstext über junge, slowenische Kunst von Marina Grzinic´ in dieser Ausgabe von CAMERA AUSTRIA publizieren. Seine Ueberfuehrungen von verschiedenen medialen Diskursen in das Medium Fotografie – Reinhard Braun bezeichnet Kaligofskys Verfahren in seinem begleitenden Einfuehrungstext als „Re-Präsentation“ – stellt sich nicht nur als technisch-visuelles Mapping von Wirklichkeiten, sondern damit gleichsam auch als Mapping von Wahrnehmung, Bewusstsein und von Gesellschaft generell dar.
Geht es in der komplexen Arbeit Werner Kaligofskys explizit um ein punktuelles Sichtbarmachen von bestimmten Mediendispositiven, so ist die assoziative Verschränkung einer bereits im letzten Jahr entstandenen Arbeit der deutschen Künstlerin Karø Goldt mit aktuellen Medienbildern nach dem 11. September rein zufällig: Ihre Arbeit aus der Serie „floral skycraper“, die das Cover zu dieser Ausgabe bildet, ist bei einem Stadtspaziergang in Paris entstanden und ihrer biographischen Arbeitsweise geschuldet: Die Perspektive ihres sie begleitenden Kindes einnehmend, geriet ihr vor einem Hochhaus die Blume mit dem auf ihr gelandeten „Flugkörper“ spontan vor die Linse. Auch ihre Porträts von Männern und die Aufnahmen der „starchaser“ scheinen vor dem Hintergrund der jüngsten politischen Ereignisse eine Bedeutungsebene zu berühren, die zur Zeit ihres jeweiligen Entstehungsdatum nicht explizit intendiert war. Vielmehr geht es Goldt mit Hilfe der „objektivierenden“ Kamera um eine – wie Franz Schuh in seinem Essay über die Künstlerin herausstellt – Erkenntnispraxis, in der das aufnehmende Subjekt sich der tatsächlichen Existenz seiner umgebenden Wirklichkeit versichert. Spricht Franz Schuh über Goldts private Arbeit sehr persönlich, so ist Lauri Firstenbergs Zugang zum Werk des marokkanischen, in Paris lebenden Kuenstlers Touhami Ennadre – dessen Arbeit in der von Okwui Enwezor kuratierten Ausstellung „The Short Century“ zu sehen ist ein sehr viel theoretischerer: Der Begriff der Verwandlung steht unter anderem in seinen „Anti- Portraets“ (Firstenberg) an zentraler Stelle: Es geht ihm darum, das „Trauma als Denkmal“ zu dokumentieren. Seine Aufnahmen von Orten und Personen in New York nach dem 11. September sind so in Zusammenhang zu sehen mit Ennadres Projekt, Gedächtnis-, Identitäts-, Todes- und Katastrophenorte durch die Darstellung unbestimmter Embleme des Ortes und damit verbundener traumatischer Ereignisse zu dislozieren.
Volltext →Camera Austria International 76 | 2001
Vorwort
Blickverhältnisse als Repraesentationsverhaeltnisse als Medienverhaeltnisse als Kontrollverhaeltnisse stehen im Mittelpunkt der fotografischen Arbeit des oesterreichischen Künstlers Werner Kaligofsky, dessen Arbeit wir neben drei weiteren kuenstlerischen Statements sowie einem theoretischen Einfuehrungstext über junge, slowenische Kunst von Marina Grzinic´ in dieser Ausgabe von CAMERA AUSTRIA publizieren. Seine Ueberfuehrungen von verschiedenen medialen Diskursen in das Medium Fotografie – Reinhard Braun bezeichnet Kaligofskys Verfahren in seinem begleitenden Einfuehrungstext als „Re-Präsentation“ – stellt sich nicht nur als technisch-visuelles Mapping von Wirklichkeiten, sondern damit gleichsam auch als Mapping von Wahrnehmung, Bewusstsein und von Gesellschaft generell dar.
Geht es in der komplexen Arbeit Werner Kaligofskys explizit um ein punktuelles Sichtbarmachen von bestimmten Mediendispositiven, so ist die assoziative Verschränkung einer bereits im letzten Jahr entstandenen Arbeit der deutschen Künstlerin Karø Goldt mit aktuellen Medienbildern nach dem 11. September rein zufällig: Ihre Arbeit aus der Serie „floral skycraper“, die das Cover zu dieser Ausgabe bildet, ist bei einem Stadtspaziergang in Paris entstanden und ihrer biographischen Arbeitsweise geschuldet: Die Perspektive ihres sie begleitenden Kindes einnehmend, geriet ihr vor einem Hochhaus die Blume mit dem auf ihr gelandeten „Flugkörper“ spontan vor die Linse. Auch ihre Porträts von Männern und die Aufnahmen der „starchaser“ scheinen vor dem Hintergrund der jüngsten politischen Ereignisse eine Bedeutungsebene zu berühren, die zur Zeit ihres jeweiligen Entstehungsdatum nicht explizit intendiert war. Vielmehr geht es Goldt mit Hilfe der „objektivierenden“ Kamera um eine – wie Franz Schuh in seinem Essay über die Künstlerin herausstellt – Erkenntnispraxis, in der das aufnehmende Subjekt sich der tatsächlichen Existenz seiner umgebenden Wirklichkeit versichert. Spricht Franz Schuh über Goldts private Arbeit sehr persönlich, so ist Lauri Firstenbergs Zugang zum Werk des marokkanischen, in Paris lebenden Kuenstlers Touhami Ennadre – dessen Arbeit in der von Okwui Enwezor kuratierten Ausstellung „The Short Century“ zu sehen ist ein sehr viel theoretischerer: Der Begriff der Verwandlung steht unter anderem in seinen „Anti- Portraets“ (Firstenberg) an zentraler Stelle: Es geht ihm darum, das „Trauma als Denkmal“ zu dokumentieren. Seine Aufnahmen von Orten und Personen in New York nach dem 11. September sind so in Zusammenhang zu sehen mit Ennadres Projekt, Gedächtnis-, Identitäts-, Todes- und Katastrophenorte durch die Darstellung unbestimmter Embleme des Ortes und damit verbundener traumatischer Ereignisse zu dislozieren.
Ennadres politisch motivierte Praxis scheint im diametralen Gegensatz zu stehen zu den Fotoessays des amerikanischen Künstlers Miles Coolidge, den Nadja Rottner vorstellt. Coolidges anti-narrative Verfahrensweise ist einer „üppigen Ästhetik der Abwesenheit [verpflichtet], die das Lokale verführerisch dem Plot einer globalen Welt unterwirft“ (Rottner). Denn auch Coolidge reagiert in seiner konzeptuellen fotografischen Praxis auf politische Zusammenhänge (wie etwa auf die ausbeuterische Bodenpolitik des kalifornischen Central Valley) und verweist mit seinen vorgeblich teilnahmslosen Aufnahmen auf die lokal verankerte Rhetorik des Ortes. Insbesondere in dem Beitrag von und über Miles Coolidge setzen wir in CAMERA AUSTRIA die „Tradition“ fort, KünstlerInnen vorzustellen, die einer konzeptuellen Arbeitsweise verpflichtet sind. In diesem Zusammenhang freut uns sehr, dass der in diesem Jahr zum sechsten Mal vergebene CAMERA AUSTRIA-Preis für zeitgenössische Fotografie der Stadt Graz 2001 an Allan Sekula geht (siehe auch die Sektion NACHRICHTEN in dieser Ausgabe).
Marina Grzinic‘ schließlich stellt in ihrem Text sechs junge slowenische KünstlerInnen – Goran Bertok, Rajko Bizjak, Luka Dekleva, ECLIPSE, Zvonka Simcic‘ und Jane Stravs – vor, die mit ihrer Arbeit einen wichtigen, in zeitgenössischen Diskursen bislang ausgeblendeten Beitrag über die Rolle des Körpers in der (digitalen) Fotografie leisten.
Christine Frisinghelli, Maren Lübbke, Heidi Oswald, Manfred Willmann
November 2001
Beiträge
Forum
ANDREW PHELPS
TOMEK MZYK
ALBRECHT TÜBKE
MARTIN VESELY
ANJA MANFREDI
PHILIPPE BAZIN
WALTRAUD HOLZFEIND
MICHELE MAHAL
CHRISTIAN ROTHMANN
REINHARD KÜHL
ELISABETH PENKER
Ausstellungen
Helen Levitt
Centre national de la photographie, Paris
ANNE BERTRAND
Thomas Demand
Pitti Immagine Discovery, Firenze
FRANCESCO FRILLICI
Photo League: New York 1936/51
Galleria Contemporaneo, Mestre (Venice)
FRANCESCO FRILLICI
Peter Lyssiotis: Cityscapes and Dreamscraps
RMIT Gallery, Storey Hall, Melbourne
SCOTT MCQUIRE & NIKOS PAPASTERGIADES
Mia san mia: Hans Haacke / Werke aus der Sammlung
Generali Foundation, Wien
RUTH NOACK
Georges Adéagbo: Das pytagoreische Zeitalter
Galerie im Taxispalast, Innsbruck
SØNKE GAU
Bewegung ist alles: Moving pictures: Foto – Triennale Esslingen
Galerien der Stadt Esslingen am Neckar
KERSTIN STREMMEL
Ex Machina – Über die Zersetzung der Fotografie
Neue Gesellschaft für Bildende Kuenste e. V., Berlin
FRIEDRICH TIETJEN
Wolfgang Tillmans: Aufsicht
Deichtorhallen Hamburg; Museo d’Arte Contemporanea, Turin; Palais de Tokyo; Louisiana Museum of Modern Art, Humlebaek
BURCU DOGRAMACI
Traversées
Musee d’Art Moderne de la Ville de Paris
HERWIG HÖLLER
The Misfits
Die Entstehungsgeschichte eines Films, dokumentiert von Magnum – Fotografen.
Filmmuseum Düsseldorf
MAGDALENA KRÖNER
August Sander: Menschen des 20. Jahrhunderts
Photographische Sammlung / SK Stiftung Kultur, Köln
MAGDALENA KRÖNER
Liam Gillick, Dedalic Convention, MAK-Galerie
Liam Gillick und Gery Webb, Dedalic Convention: du und ich, Salzburger Kunstverein
KARIN PERNEGGER
Bücher
Exquisite Mayhem: The Spectacular World of Wrestling by Theo Ehert
Taschen Verlag, Köln, Köln 2001
CARLO MCCORMICK
Araki Mythology
Images modernes, Paris, 2001
ANNE BERTRAND
Hubertus von Amelunxen (Hg.): Theorien der Fotografien
Schirmer/Mosel Verlag, München 2000
ROLF SACHSSE
Atlas und Firenze: Photography and Painting in the Work of Gerhard Richter
Museu d’Art Contemporani de Barcelona, 2000
FABIAN STECH
Atlas und Firenze: Gerhard Richter: Firenze
Verlag Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit 2001
FABIAN STECH
Gabriel Orozco: From Green Glass to Airplane.
Artimo Foundation, Amsterdam / Stedelijk Museum, Amsterdam 2001
SVEN LÜTTICKEN
Hermann Asselberghs, Els Opsomer, Rony Vissers: Wrapped
Centro Galego de Arte Contemporanea, Santiago de Compostela 2000
REINHARD BRAUN
Zoltan Jokay: der, die das
Städtische Galerie Ravensburg, Schaden Verlag, Köln 2001
REINHARD BRAUN
Jitka Hanzlova: Bewohner
Fotomuseum Winterthur, Winterthur 2001
REINHARD BRAUN
Stefan Roemer: Corporate Psycho Ambient
Schaden Verlag, Köln 2001
ILKA BECKER
Vinzenz Hediger: Verführung zum Film: Der amerikanische Kino-Trailer seit 1912
Schüren Verlag, Marburg 2001
KRYSTIAN WOZNICKI
Impressum
Herausgeber, Verleger und für den Inhalt verantwortlich: Manfred Willmann. Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA, Labor für Fotografie und Theorie
Alle: Sparkassenplatz 2, A-8010 Graz
Redaktion: Christine Frisinghelli, Maren Lübbke, Heidi Oswald, Anja Rösch
Übersetzungen: Daniela Böhmler, Lucian Comoy, John Doherty, Timothy Jones, Susanne Lummerding und Katja Wiederspahn für Gender et alia, Wilfried Prantner, Richard Watts