Camera Austria International

148 | 2019

  • ADAM SZYMCZYK
    Karneval der Knappheit
  • ANNA DAUČÍKOVÁ
  • DUNCAN FORBES
    Der letzte Straßenfotograf
  • KEIZO KITAJIMA
  • FRANZISKA SCHMIDT
    Ich-Körper
  • GABRIELE STÖTZER
  • KAELEN WILSON-GOLDIE
    Ein lockerer, elliptischer Dialog
  • KATIA KAMELI
  • VOLKER WEISS
    Biografie der Zeichen – Die Zehner Jahre
  • EIKO GRIMBERG

Vorwort

Das Thema des Systemwechsels war Ausgangspunkt unserer Überlegungen zur vorliegenden Ausgabe. Die vorgestellten Positionen nehmen nicht nur unmittelbar auf die damit einhergehenden politischen Transformationen Bezug, sondern gehen der Frage nach, wie weit ein politisches System in den sozialen Alltag hineinreicht und welche Herangehensweisen Künstler*innen möglich waren oder sind, dieses in ihrer Arbeit zu reflektieren.

Volltext

Camera Austria International 148 | 2019
Vorwort

Das Thema des Systemwechsels war Ausgangspunkt unserer Überlegungen zur vorliegenden Ausgabe. Die vorgestellten Positionen nehmen nicht nur unmittelbar auf die damit einhergehenden politischen Transformationen Bezug, sondern gehen der Frage nach, wie weit ein politisches System in den sozialen Alltag hineinreicht und welche Herangehensweisen Künstler*innen möglich waren oder sind, dieses in ihrer Arbeit zu reflektieren.

Im Gespräch mit Adam Szymczyk berichtet Anna Daučíková von ihrem Alltag im Moskau der 1980er-Jahre, der während ihres mehr als zehnjährigen Aufenthalts in der Stadt einerseits von Entbehrungen und der möglichen Verfolgung gekennzeichnet war, zugleich im Privaten aber auch Freiheiten und Netzwerke bot, die sie nachhaltig beeinflusst haben. Dabei kommt sie auch auf Fragen des aufkommenden Systemwechsels und der Körperpolitik zu sprechen: »Wenn man zum Beispiel in der Sowjetunion auf Reisen war und nicht auffallen wollte, musste man aufhören, Interesse für seine Umgebung zu zeigen. Man gab sich gleichgültig, schaute nirgendwo hin«.

Duncan Forbes arbeitet in seinem Beitrag über Keizo Kitajima heraus, wie die Konfrontation mit dem (ost-)europäischen Alltag in den Jahren 1983 und 1984 Kitajimas »Wahrnehmungssystem« und damit auch seine Praxis als Straßenfotograf veränderte und bringt diesen Wandel mit der zunehmenden Kommodifizierung des Subjekts in den 1980er-Jahren in Zusammenhang: »Was Kitajima so interessant macht, ist sein offensichtliches Voraussehen der aufkommenden historischen Transformation des Subjekts. Er sucht nach gestalterischen Mitteln, um seine Intuition sichtbar zu machen.«

Franziska Schmidt situiert das überbordende, medienübergreifende Schaffen Gabriele Stötzers im Kontext der DDR in den 1980er-Jahren und legt dar, wie das (kultur-)politische Bestreben, individuelle Erfahrung zu unterdrücken, die Künstlerin umso mehr darin bestärkte, sich mit ihren Arbeiten kompromisslos zu positionieren und Themen wie weibliche Identität, Verletzlichkeit und die eigene Rolle innerhalb der sozialistischen Gesellschaft zu reflektieren. »Stötzers Arbeiten richten sich dabei nicht nur gegen tradierte Rollenmuster, sondern auch gegen eine vom damaligen System DDR betriebene Auslöschung der individuellen Persönlichkeit.«

Um »die Zirkulation der Bilder und Geschichten, die wir einander über die Vergangenheit erzählen«, geht es Katia Kameli in ihrer Filmtrilogie »Le Roman Algérien« (2016, 2017, 2019), die Kaelen Wilson-Goldie für diese Ausgabe genauer in den Blick nimmt. Im ersten Teil rückt Kameli einen Kiosk im Zentrum Algiers in den Fokus, der alte nostalgische Fotografien und Postkarten verkauft, um in den weiteren Teilen Themen der Demokratie und die Rolle der Frau in Algerien sowie die Abwesenheit von Bildern in den 1990er-Jahren, der Zeit des Algerischen Bürgerkriegs, zu befragen.

Anhand des 2010 begonnenen Langzeitprojekts »Zehner Jahre« von Eiko Grimberg untersucht Volker Weiß das Fortbestehen faschistischer Symbole in der Gegenwart und arbeitet heraus, inwiefern die Spuren von im Sinne politischer Ideologien entstandenen Architekturen und Insignien auch heute noch im öffentlichen Raum sichtbar sind: »Die Bilder geben Auskunft über das Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch nach einer die Zeit überdauernden symbolischen Dominanz einerseits und den durch den historisch-politischen Wandel aufgezwungenen Brüchen andererseits.«

Der Tradition der vergangenen Jahre folgend erhalten unsere Abonnent*innen mit dieser Ausgabe eine Posterbeilage, für die wir Camera Austria-Mitbegründer Seiichi Furuya gewinnen konnten, dem im Oktober 2019 der Österreichische Staatspreis für künstlerische Fotografie verliehen wurde. Mit der Beilage möchten wir uns bedanken, dass Sie uns die Treue halten und unsere Arbeit langfristig unterstützen.

Christina Töpfer und das Team von Camera Austria
Dezember 2019

Cover: Gabriele Stötzer, aus der Serie: Selbstversuch vor Spiegel, 1984. Silbergelatine-Print, 14,8 × 10,4 cm. Copyright: die Künstlerin und Bildrecht Wien, 2019.

Beiträge

Forum

Vorgestellt von Marinus Reuter:
Hannes Jung
Wolfgang Lehrner
Katarína Dubovská
Anargyros Drolapas
Jana Schulz
Andrés Baron

Ausstellungen

Once Again: Art Facing (Neo)Fascisms
Never Again: Art against War and Fascism in the 20th and 21st Centuries
MSN – Museum of Modern Art in Warsaw, 30. 8. – 17. 11. 2019
Three Plagues
Galeria Labirynt, Lublin, 1. 9. – 11. 11. 2019
JAKUB MAJMUREK

Differentiation and Demarcation
52nd International AICA Congress: Art Criticism in Times of Populism and Nationalism
Hamburger Bahnhof, Berlinische Galerie, Berlin, 3. – 5. 10. 2019
MARGIT NEUHOLD

steirischer herbst: Grand Hotel Abyss
Verschiedene Orte, Graz, 19. 9. – 13. 10. 2019
LOUISA ELDERTON

The Use of Street Credibility
Die Fotoausgabe »Essen, Straße, Jugend« des Karuna Kompass
KATHARINA SYKORA

Trevor Paglen: From “Apple” to “Anomaly” (Pictures and Labels). Selections from the ImageNet Dataset for Object Recognition
The Curve, Barbican Centre, London, 26. 9. 2019 – 16. 2. 2020
FRANCESCA CAVALLO

Color Mania: The Material of Color in Photography and Film
Fotomuseum Winterthur, 7. 9. – 24. 11. 2019
CHRISTINA TÖPFER

Objects Recognized in Flashes: Michele Abeles, Annette Kelm, Josephine Pryde, Eileen Quinlan
mumok – museum moderner kunst stiftung ludwig wien, 16. 11. 2019 – 13. 4. 2020
ANTONIA RAHOFER

Family Fictions
Kunsthal Extra City, Antwerpen, 14. 9. – 8. 12. 2019
YOANN VAN PARYS

Bergen Assembly 2019: Actually, the Dead Are Not Dead
Various venues, Bergen, 5. 9. – 10. 11. 2019
MERCEDES VICENTE

Grada Kilomba: A World of Illusions
Bildmuseet, Umeå, 11. 10. 2019 – 8. 3. 2020
FRIDA SANDSTRÖM

Hans-Peter Feldmann: 100 Jahre
Saarlandmuseum, Moderne Galerie, Saarbrücken, 24. 8. – 17. 11. 2019
Abschied vom Außen: Eine Suchbewegung nach dem Terrestrischen
Kunstverein Freiburg, 14. 9. – 27. 10. 2019
Arno Gisinger: Les Bruits du Temps
FRAC Alsace, Sélestat, 12. 10. 2019 – 19. 1. 2020
La Chambre, Straßburg, ab Januar 2020
NOOR MERTENS

Marianna Christofides: Days In Between
MNAC – National Museum of Contemporary Art in Romania, Bucharest, 31. 10. – 15. 12. 2019
RALUCA OANCEA

Antanas Sutkus: Kosmos. Retrospektive
Zephyr – Raum für Fotografie zu Gast im Museum Zeughaus, Mannheim, 7. 9. 2019 – 26. 1. 2020
GISLIND NABAKOWSKI

Wo Kunst geschehen kann: Die frühen Jahre des CalArts
Kestner Gesellschaft Hannover, 30. 8. – 10. 11. 2019
Kunsthaus Graz, 13. 3. – 7. 6. 2020
MORITZ SCHEPER

Bücher

Tacit Knowledge: Post Studio / Feminism – CalArts 1970–1977
Spector Books, Leipzig 2019
SABINE WEIER

Vesela Nozharova: Introduction to Bulgarian Contemporary Art 1982–2015
Janet 45; Open Arts Foundation, Plovdiv 2018
DENISA TOMKOVA

Nathan Jurgenson: The Social Photo. On Photography and Social Media
Verso, London / New York 2019
MARCO DE MUTIIS

Winfried Gerling, Susanne Holschbach, Petra Löffler: Bilder verteilen. Fotografische Praktiken in der digitalen Kultur
transcript Verlag, Bielefeld 2018
DORIS GASSERT

Talking Books
Erik van der Weijde in Conversation with . . . Mariken Wessels
Mariken Wessels: Taking Off. Henry My Neighbor
Art Paper Editions, Gent 2015
Mariken Wessels: Queen Ann. P. S. Belly cut off
Alauda Publications, Amsterdam 2010
Mariken Wessels: Elisabeth – I Want to Eat
Alauda Publications, Amsterdam 2008

Impressum

Herausgeber: Reinhard Braun

Verlag, Eigentümer: Verein CAMERA AUSTRIA. Labor für Fotografie und Theorie.
Lendkai 1, 8020 Graz, Österreich

Chefredaktion: Christina Töpfer.
Redaktion: Margit Neuhold.

Übersetzer*innen: Dawn Michelle d’Atri, John Doherty, Amy Klement, Lina Morawetz, Wilfried Prantner, Andrea Scrima.

Englisches Lektorat: Dawn Michelle d’Atri.

Dank: Edit András, Taco Hidde Bakker, Andrés Baron, Victoria Coeln, Gabriella Csoszó, Anna Daučíková, Anargyros Drolapas, Katarína Dubovská, Duncan Forbes, 
Christine Frisinghelli, Seiichi Furuya, Ganzeer, Paula Gehrmann, Eiko Grimberg, Nick Haymes, Hannes Jung, Dejan Kaludjerovic, Jelena Kaludjerovic, Katia Kameli, Keizo Kitajima, Vera Lauf, Wolfgang Lehrner, Dawid Lewandowski, Astrid Mania, Ulrike Milde, JoAnna Pollonais, Andreas Prinzing, Merle Radke, Nina Raftopoulo, Martin Reich, Volker Renner, Andreas Rost, Franziska Schmidt, Jana Schulz, Franziska Schurig, Gabriele Stötzer, Nina Strand, Adam Szymczyk, Ana Teixeira Pinto, Luise Thieme, Roberta Valtorta, Sonia Voss, Erik van der Weijde, Volker Weiß, Mariken Wessels, Clara Wildberger, Kaelen Wilson-Goldie.

Copyright © 2019
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck nur mit vorheriger Genehmigung des Verlags. Für übermittelte Manuskripte und Originalvorlagen wird keine Haftung übernommen.

ISBN 978-3-902911-53-7
ISSN 1015 1915
GTIN 4 19 23106 1600 5 00148