knowing you, knowing me
Zur Komplizenschaft mit Bildern
Infos
Eröffnung
23.9.2006
Zeitraum
24.9.2006 – 26.11.2006
Mit
Thomas Feuerstein (AT), Andrea Geyer / Sharon Hayes (DE/US), G.R.A.M. (AT), Rainer Oldendorf (DE), Marco Poloni (CH), Mark Raidpere (EE)
kuratiert von Reinhard Braun & Maren Lübbke-Tidow
Koproduktion mit steirischer herbst
Intro
Überwachung lässt sich nicht nur als Strategie von Kontrolle und Disziplinierung beschreiben, sondern beinhaltet auch einen komplizenhaften Aspekt, eine zuweilen obszöne Repräsentationspolitik des Subjekts, durch die Öffentliches und Privates zunehmend gleichgeschaltet werden. Aufzeichnung, Erfassung und Inszenierung, Überwachung und soziale Handlungsfähigkeit sind zunehmend aufeinander bezogene Praktiken einer visuellen Kultur, in der Bilder als Technologien der Veröffentlichung des Selbst verhandelt werden. Inwiefern haben wir also die Macht der Bilder bereits derart verinnerlicht, dass wir uns mit den Repräsentationsmechanismen zu identifizieren beginnen, weil sie uns eine Möglichkeit zur Teilnahme an einer Kultur des Öffentlichen zu garantieren scheinen?
„knowing you, knowing me“ zeigt Arbeiten von KünstlerInnen, die das Fotografische als eine Art Komplize der – ironischen, kritischen, subversiven – Konstruktion von Wirklichkeiten einsetzen. Dabei operieren sie mit einem immer schon vorhandenen und sich erweiternden Bildwissen der BetrachterInnen. Es entsteht ein geradezu kollaborativer Prozess dieser Wirklichkeitskonstruktion, der die Frage nach der Kontrolle durch der Bilder beständig in neue gesellschaftliche Terrains verschiebt.
Volltext →knowing you, knowing me. Zur Komplizenschaft mit Bildern
In den letzten Jahren hat der Begriff der Überwachung an der Schnittstelle zwischen visuellen und kommunikativen Medien, zwischen Bild und Netz, zwischen Öffentlichkeit, Massenmedien und Privatheit eine prominente Position innerhalb jener Debatten eingenommen, welche diejenigen gesellschaftlichen Interaktionen beschreiben, an denen Bilder maßgeblich beteiligt sind. Doch der Begriff der Überwachung bezeichnet nicht nur Strategien der Kontrolle und Disziplinierung, er skizziert auch Formen von Vouyeurismus und einer, wie man es bezeichnen könnte, obszönen Repräsentationspolitik des Subjekts, die exemplarisch etwa im Massenmedium Fernsehen immer seltsamere Blüten treibt. Überwachung und Repräsentationsanspruch, Aufzeichnung und Inszenierung erscheinen als aufeinander bezogene Praktiken einer visuellen Kultur, die zunehmend zu einer öffentlichen Technologie des Selbst werden.
Dieses „Öffentliche“ wird immer umfangreicher durch eine Form der (mediatisierten) „Privatsphäre“ kolonisiert, beispielhaft im massenmedialen Wuchern von Talkshows, dem maßlosen Interesse an der öffentlichen Darstellung privater Affären und dem zunehmenden öffentlichen Interesse an intimen Details von Celebrities, Stars und Politiker/innen. Gepaart mit einer Versessenheit auf Unmittelbarkeit geht es dabei um die Frage, inwiefern das Individuum die „Macht“ der Bilder bereits soweit verinnerlicht hat, dass es sich mit den Mechanismen der Repräsentation zu identifizieren beginnt, weil diese eine Möglichkeit zur Partizipation an einer Kultur des Öffentlichen zu garantieren scheinen. „Heutzutage hat der überwachende Blick (…) seine abschreckende Wirkung voll und ganz verloren, er wurde im Gegenteil zu einem Blick umgedeutet, der ein Ereignis überhaupt erst den Status der Realität verleiht.“ (Thomas Y. Levin)
Bilder nehmen vor diesem Hintergrund der ständigen Inszenierung von Individualität, Authentizität und Identität eine neue Rolle ein: statt um Darstellung und Erscheinen geht es um Zirkulation und Performativität – eine Form der Komplizenschaft zwischen Subjekt und Bild zeichnet sich ab, in der es nicht um Überwachung, Kontrolle oder Disziplinierung im engeren Sinn geht, sondern um Formen der Aneignung von Darstellungskonventionen und die Vewertung von Bildern im Rahmen
einer permanenten (veröffentlichten) Identitätsarbeit. Die Ausstellung „knowing you, knowing me“ befragt aktuelle fotografische Positionen nach diesem Moment einer grundlegenden Verschränktheit von Bild und (sozialem) Subjekt, in dem sich die Konturen einer spezifischen Rolle von Bildern innerhalb allgemeiner kulturell-visueller Horizonte abzeichnen. Die in der Ausstellung gezeigten KünstlerInnen arbeiten mit einem bereits vorausgesetzen Bildwissen der RezipientInnen und setzen verschiedene Formen des Transfers von Bilddispositiven als Strategie der Konstruktion von Bedeutungen ein. Dabei besetzen sie Fotografie in verschiedener Weise als einen „Agenten“ der Inszenierung von Wirklichkeit, Identität oder Lifestyle und beziehen somit Fotografie als eine Art „Komplize“ in der – ironischen, kritischen oder subversiven – Konstruktion von Wirklichkeiten ein, der das Wissen um die Konstruiertheit und damit auch die die Komplizenschaft der BetrachterInnen immer schon eingeschrieben ist.